In Die Welt steht still spielt Natalia Wörner die Ärztin Dr. Caroline Mellau in einem Krankenhaus in Konstanz. Eigentlich stand bereits fest, dass sie dort aufhört, auch um mehr Zeit für ihre Familie zu haben. Doch dann ist plötzlich ein Virus im Umlauf, erst in China, dann in Europa, schließlich auch in Konstanz selbst. Plötzlich findet sich die Medizinerin mitten im Kampf gegen die Corona-Pandemie wieder und versucht mit anderen, die Katastrophe irgendwie noch aufzuhalten. Zur Ausstrahlung des Dramas am 15. November 2021 um 20.15 Uhr im ZDF unterhalten wir uns mit der Schauspielerin über die Entstehungsgeschichte des Films, ihre eigenen Erfahrungen in der Zeit und die Frage, was nach der Pandemie bleiben wird.
In Die Welt steht still spielen Sie eine Ärztin, die in ihrem Krankenhaus die Anfänge der Corona-Pandemie aus nächster Nähe miterlebt. Weshalb wollten Sie diesen Film drehen?
Während des ersten Lockdowns haben wir eine Zoom-Konferenz gemacht und darüber gesprochen, wie dieser Film aussehen könnte. Uns war klar, dass wir den Moment der Überforderung festhalten wollten, den Kontrollverlust, den die Menschen damals erlebt haben. Außerdem haben wir uns früh festgelegt, dass wir kleinstädtisch erzählen wollen, mit einem sehr nahbaren Kontext: normale Menschen mit normalen Berufen und normalen Familien. Wir wollten erzählen, wie diese Pandemie über uns alle eingebrochen ist und wie wir uns alle plötzlich in einer Situation wiederfanden, die komplett neu gedacht werden musste. Was macht das mit uns allen? Was macht das mit mir als Mutter und Ärztin? Was macht das mit einem, wenn man auf einmal seinen Beruf nicht mehr ausüben kann und darf? Das war unser Einstieg in den Film. Es war bei dem Film also nicht so, dass ich ein fertiges Drehbuch bekam, das ich spielen sollte. Ich war von Anfang an Teil des Entwicklungsprozesses, weswegen der Film für mich eine echte Herzensangelegenheit ist.
Zu Beginn der Pandemie erschien diese den meisten noch sehr fern, wie Sie es auch im Film beschreiben. Es wurde zwar darüber gesprochen, aber das war zunächst kaum greifbar. Wann haben Sie gemerkt, dass da etwas wirklich Ernstes geschieht?
Ich hatte tatsächlich wegen eines anderen Projekts, bei dem es um die Pharmaindustrie ging, schon sehr früh angefangen, Artikel zu dem Thema zu lesen. Ich habe mich beispielsweise damit auseinandergesetzt, was das eigentlich heißt, dass wir uns auf eine Pandemie zusteuern. Am Anfang hatten wir noch alle das Gefühl, dass das alles bald wieder vorbei ist. Wir waren da alle völlig ahnungslos und wurden mit einer Situation konfrontiert, für die es keine Blaupause gab. Niemand von uns hat vorher eine Pandemie erlebt. Aber durch meine Beschäftigung mit dem Thema habe ich es sehr früh ernst genommen. Natürlich reagiert da jeder etwas anders darauf. Wir haben zwar alle mehr oder weniger dieselbe Erfahrung gemacht. Doch die Konsequenzen, die wir daraus gezogen waren, die waren und sind sehr unterschiedlich. Ebenso die Haltungen gegenüber dem Thema.
In dem Film sprechen Sie auch über Kunst und Kultur während dieser Zeit, durch die Figur des Ehemanns, der Musiker ist und auf einmal ohne Arbeit dasteht. Wie haben Sie diese Zeit selbst als Künstlerin erlebt?
Wir haben damals das andere Projekt gerade noch zu Ende gedreht bis zum 18. März letztes Jahr. Danach war bei mir auch Schicht im Schacht. Alle Dreharbeiten, die für die Zeit danach angedacht waren, mussten erst einmal auf Eis gelegt werden. Erst im Juli, August ging es weiter, nachdem erste Hygienekonzepte entwickelt wurden, die es uns erlaubten, unserem Beruf wieder nachzugehen. Das waren dann alles andere Umstände und gewöhnungsbedürftig, aber doch machbar. Dazwischen war es sehr schwierig für mich, weil der Beruf erst einmal weg war und man sich natürlich fragt: Wie geht es jetzt weiter?
Einige Ihrer Kollegen und Kolleginnen beklagten damals und auch später, dass Kultur von der Politik wie etwas Zweitrangiges behandelt wurde. Etwas, das man vergleichsweise leicht zumachen kann, weil es nicht ganz so wichtig ist. Wie sehen Sie das? Sollte Kultur in einer solchen Ausnahmesituation zurückstecken müssen?
Ich finde dieses Narrativ schwierig. Es war ja nicht so, dass man uns freischaffenden Künstlern etwas wegnehmen wollte. Zumal wir als Filmschaffende hatten es noch einmal leichter als zum Beispiel Kollegen, die vorrangig am Theater arbeiten. Die hatten eine deutlich längere Durstrecke zu bewältigen und sind noch immer in einer schwierigen Situation. Wir, die wir vor und hinter der Kamera arbeiten, da gab es ja wie gesagt wieder Möglichkeiten. Ein Theaterschauspieler konnte nur davon träumen, wieder zusammen zu proben oder aufzutreten. Ich tue mir aber auch schwer damit, eine Form des Rankings aufzustellen. Diese Überforderung, von der ich eben sprach, galt ja für alle. Da mussten Entscheidungen getroffen werden, ohne zu wissen, ob es die richtigen sind. Es war eine nicht einschätzbare Situation. Klar gab es Phasen, bei denen man sich fragte: Warum dürfen die wieder und ich nicht? An den einzelnen Entscheidungen gab es durchaus berechtigte Kritik. Im Nachhinein würde man bestimmte Abläufe sicher anders gestalten. Aber ich würde niemandem unterstellen, das mit einer bösen Absicht getan zu haben.
Ganz allgemein: Was hoffen Sie, als Schauspielerin zu erreichen? Worin sehen Sie Ihre Aufgabe als Künstlerin?
Kunst hat für mich oft etwas Karthatisches. Und dieser Film ganz besonders. Dabei war er natürlich nicht einfach: Wir haben ihn unter Pandemiebedingungen gedreht, inhaltlich war er für mich eine emotionale Reise. Wir erzählen von sterbenden Menschen und von Angehörigen, die ihre Liebsten nicht mehr sehen können und die sich per Tablet voneinander verabschieden müssen. Das zu spielen waren ganz heftige Momente für mich. Aber ich finde es auch wichtig, das wir uns damit auseinandersetzen. Unser Film ist wie ein Spiegel, den wir mit unseren eigenen Erfahrungen abgleichen können und der uns, sofern wir uns darauf einlassen können, auch erschüttert. Denn wir versuchen alle immer noch, die letzten anderthalb Jahre irgendwie zu verarbeiten, um eine neue Normalität zu finden. Und das habe ich auch als Schauspielerin in dem Film ganz konkret erlebt. Die Dreharbeiten haben mich emotional geschüttelt und gerüttelt. Es hat mich sehr viel Kraft gekostet, mich in dem Moment nicht zu sehr gefangen nehmen zu lassen. Was bedeutet beispielsweise Nächstenliebe im Angesicht des Todes? Wie sehr lässt man die Einsamkeit eines Menschen an sich heran, der gerade seinen Partner verloren hat?
Meine letzte Frage ist eine, die Sie selbst im Film stellen: Was wird von Corona zurückbleiben, nach dem Ende der Pandemie?
Das ist eine wirklich schwierige Frage. Im Film geht es in dem Moment, ob es die Solidarität oder die Wut ist, die überwiegt. Auf jeden Fall beobachten wir eine schlimme Spaltung der Gesellschaft, die in genau diese beiden Extreme läuft. Ich selbst bin zum Beispiel eine große Impfbefürworterin und habe wenig Verständnis für Menschen, die sich nicht impfen lassen und damit sich und andere gefährden. Gerade solche, die keine starke Immunantwort aufbauen können. Wir brauchen diesen Schutz der Herde, darauf sind wir angewiesen. Wenn ich für mich selbst überlege, was die vergangenen anderthalb Jahre mit mir gemacht haben, dann würde ich in erster Linie sagen: Demut. Natürlich hatte ich auch Momente der Wut. Ich bin Mutter eines schulpflichtigen Kindes und habe die desaströsen Situationen mitgemacht, die Eltern wohl alle erlebt haben. Dazu kamen viele andere Gefühle. Das war ein ganzes Füllhorn an Gefühlen, die ich im Laufe der Monate hatte. Aber es ist die Demut, die dauerhaft zurückbleibt, und die Rückbesinnung auf das, was wichtig ist.
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