Le Dossier 51 Ohne Datenschutz
© Société Française de Production/Maran Films

Ohne Datenschutz

Inhalt / Kritik

Le Dossier 51 Ohne Datenschutz
„Ohne Datenschutz“ // Deutschland-Start: 28. November 1978 (Kino)

Als der französische Diplomat Dominique Auphal (François Marthouret) auf einen hohen Posten in einer internationalen Organisation befördert wird, wird der Geheimdienst hellhörig. Schließlich kann es von hohem Nutzen sein, dort jemanden zu haben, der einem zuarbeitet. Doch dafür heißt es erst einmal, mehr über ihn herauszufinden. Wer ist der Mann, der intern nur noch 51 genannt wird? Was treibt ihn an? Und vor allem: Was sind seine Schwachstellen? Um darauf Antworten zu erhalten, beginnt der Geheimdienst, ihn sowie alle möglichen Leute in seinem Umfeld zu beschatten und gezielt dort Spione und Spioninnen zu platzieren, die ihn im Auge behalten und manipulieren sollen. Dabei stoßen sie auf die eine oder andere überraschende Erkenntnis, von denen Auphal selbst nichts ahnt …

Eine erschreckend aktuelle Vergangenheit

Wenn ein Film einen Titel wie Ohne Datenschutz trägt, denkt man natürlich, dass es sich um einen aktuellen handeln muss. Schließlich ist das Thema in den letzten Jahren so prominent in den Meldungen gewesen, nicht zuletzt wegen solch gefürchteter Datenkraken wie Amazon oder Facebook, dass es naheliegend ist, dieses auch filmisch aufzugreifen und darin irgendwie auf die Fehlentwicklungen hinzuweisen. Tatsächlich ist der Film aber bereits deutlich älter. Genauer wurde er 1978 beim Filmfestival in Cannes gezeigt. Die Vorlage, eine Novelle von Gilles Perrault, stammt sogar aus dem Jahr 1969. Und auch wenn sich das Alter doch an zahlreichen Stellen zeigt, ist das Werk heute so relevant wie damals – und vermutlich sogar noch mehr.

Perrault selbst war dabei sehr skeptisch, ob sich sein Buch tatsächlich verfilmen lassen könnte, und lehnte entsprechende Angebote zunächst ab. Das ist verständlich, wie die ersten Minuten von Ohne Datenschutz deutlich machen. Zwar handelt es sich im Grunde um eine Spionagegeschichte. Und die waren bekanntlich in den 1960ern ausgesprochen en vogue, etwa durch die britischen Exportschlager James Bond und Mit Schirm, Charme und Melone. Und doch lässt sich der französische Film mit keinem dieser Hits auch nur annähernd vergleichen. Selbst mehr als vierzig Jahre später ist der inhaltlich wie formal ungewöhnliche Genrebeitrag eine Ausnahmeerscheinung, die kaum für die übliche Zielgruppe solcher Spionagefilme geeignet ist.

Mehr Collage als narratives Werk

Das Besondere an Ohne Datenschutz ist, dass der Film eher einem Akteneintrag gleicht, weniger einem narrativen Werk – nicht ohne Grund lauten Film und Novelle im Original Le Dossier 51. Ein wichtiger Bestandteil sind Schriftstücke, welche mittels Voiceover vorgelesen werden und die aus Korrespondenz innerhalb der Behörden bestehen. Zwischendurch sehen wir einige Leute, die beim Geheimdienst arbeiten und beratschlagen, wie sie an ihre Zielperson kommen oder was sie mit diesem anfangen sollen. Ergänzt wird das durch Aufnahmen von 51 oder den anderen Menschen aus seinem Umfeld. Eine Zeit lang dreht sich die Geschichte beispielsweise um dessen Mutter (Françoise Lugagne), von der man hofft, wichtige Informationen zu bekommen. Natürlich ohne dass diese es merkt oder weiß, warum sie gerade jemand spricht.

Das Ergebnis ist eine pseudo-dokumentarische Collage, die verschiedenste Elemente sammelt und zu einem Ganzen zusammenführt. Das ist gerade anfangs etwas anstrengend, wenn einen Regisseur und Co-Autor Michel Deville mitten in die Ermittlungen wirft, ohne dass wir wirklich wissen, wer da eigentlich wen beschattet. Bis zum Schluss wird diese Anonymität beibehalten: Nur die wenigsten Figuren erhalten einen Namen, die meisten werden mit Pseudonymen versehen, die der griechischen oder römischen Mythologie entnommen sind. Die Menschen, die 51 nachspüren, sind oft auch gar nicht zu sehen, sondern bleiben graue Gestalten, die sich in den Schatten bewegen. Selbst das Publikum, das zu unfreiwilligen Komplizen wird, wird in Ohne Datenschutz auf Distanz gehalten.

Zwischen Dystopie und Dokumentation

Gleichzeitig ist der Film mit seiner nüchtern-distanzierten Art faszinierend. Und eben erschreckend: Die Art und Weise, wie hier ein Mensch beschattet und im weiteren Verlauf auch manipuliert wird, ohne dass der die geringste Ahnung davon hat, erzeugt auch ohne jegliche brisante oder gar gefährliche Situation das Gefühl einer völligen Auslieferung. Ohne Datenschutz verdeutlicht, wie wir nie und nirgends wirklich sicher sein können, nicht einmal in unseren eigenen vier Wänden. Deville führt uns eine Dystopie vor Augen, die umso wirksamer ist, weil sie eben auf die Mittel des Spielfilms verzichtet und eher wie ein Dokumentarfilm wirkt. Das Equipment der Schattenorganisation mag dabei für heutige Augen eher drollig wirken, was das Krimidrama aber nicht weniger unheimlich macht.

Credits

OT: „Le Dossier 51“
Land: Frankreich, Deutschland
Jahr: 1978
Regie: Michel Deville
Drehbuch: Michel Deville, Gilles Perrault
Vorlage: Gilles Perrault
Musik: Jean Schwarz
Kamera: Claude Lecomte
Besetzung: François Marthouret, Didier Sauvegrain, Claude Marcault, Patrick Chesnais, Roger Planchon, Jean Martins, Anna Prucnal

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
César 1979 Bester Film Nominierung
Beste Regie Michel Deville Nominierung
Bestes Drehbuch Michel Deville, Gilles Perrault Sieg
Bester Schnitt Raymonde Guyot Sieg

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„Ohne Datenschutz“ zeigte schon vor über 40 Jahren, wie wir zum gläsernen Menschen werden und von außen beobachtet und manipuliert werden können, ohne es zu merken. Die Verfilmung einer Novelle ist dabei auch deswegen so wirkungsvoll, weil sie auf die üblichen Mechanismen des Spielfilms verzichtet und eher dokumentarisch-distanzierte Collage ist.
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