Poser

Poser

Inhalt / Kritik

Die junge Lennon (Sylvie Mix) lebt alleine in Columbus, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Ohio. Seit kurzem hat die lokale Undergroundszene in der ehemaligen Industriestadt im mittleren Westen ihr Interesse geweckt. Mit dem Besuch von Galerien und Konzerten mag sich Lennon jedoch nicht zufrieden geben – sie will Teil der Szene werden. Nach kurzer Internetrecherche entscheidet sie sich dafür, einen Podcast zu starten und dafür Bands, Künstlerinnen und Poeten aus Columbus einzuladen. Diese suchen nach Aufmerksamkeit für ihren kreativen Output und nehmen Lennons Einladung an ihrem Podcast mitzuwirken dankbar an. Ohne wirklich ihren eigenen Platz oder ihre eigene Stimme unter den Kreativen zu finden, nimmt Lennon bewaffnet mit ihrem Aufnahmegerät alle Einflüsse um sie herum auf und imitiert ihre Idole so gut sie kann. Doch ihr Podcast findet nicht den von ihr gewünschten Anklang. Als Lennon auf ihrer Suche nach Zugehörigkeit und Anerkennung schließlich ihre Methoden ändert, beginnt sie in der Szene auf Gegenwehr zu stoßen.

Eine Protagonistin ohne Aussage

Wer einen Podcast startet, hat in der Regel etwas besonderes zu erzählen. Etwas verwunderlich ist es daher schon, dass Lennon zu Beginn des Films eine Internetsuchmaschine zu Rate zieht, um herauszufinden, was ein geeigneter Gegenstand für einen Podcast sein könnte. In ihrem Podcast will Lennon sich von den ihrer Meinung nach oberflächlichen Menschen, die den Wert unabhängiger Kunst nicht zu schätzen wüssten, abgrenzen. Dabei ist Lennon selbst unsicher, was eben jene unabhängige Kunst für sie bedeutet.  In einem Museum versteckt sie ihr Handy in der Nähe eines Kunstwerks, um herauszufinden, wie andere Besucher über die ausgestellten Werke denken. Die aufgenommenen Gesprächsfragmente nutzt sie später, um über eine andere Performance ins Gespräch zu kommen. Aufmerksamkeit und Anerkennung scheinen ihre Hauptmotivationen zu sein. Fast schon verzweifelt wirkt Lennons Suche nach Zugehörigkeit. Auf ihrer Suche nach der richtigen Musik, der richtigen Performance und den richtigen Worten übernimmt Poser dabei Kernbestandteile einer klassischen Coming of Age-Geschichte, ohne die fürs Genre so wichtigen Fortschritte bei der Findung der Identität zuzulassen. Das mag stellenweise frustrieren, wird Lennon so schnell zu einer Protagonistin mit wenig Identifikationspotential.

Das Herzstück des Films sind jedoch ohne Frage die Künstlerinnen und Künstler, die in Lennons Podcast zur Sprache kommen. Bei diesen handelt es sich nicht um fiktive Charaktere, sondern um reale Kulturschaffende aus Columbus. Der Film lädt in die Wohnzimmer der Künstler ein, in die verlassenen Industriehallen, die als Klubs und Ausstellungsräume dienen, sowie in die Corner Stores, Cafés und Kneipen, die von den jungen Kreativen frequentiert werden. Poser funktioniert nicht als allgemeingültiger Film über unabhängige Kunst- und Musikszenen in den USA, sondern ist ein einzigartiges und liebevolles Portrait der vielseitigen Subkultur, die Columbus zu bieten hat. Über Lennon lernt das Publikum den Rapper Joey Aich und Bands wie wyd und Damn the Witch Siren kennen, die sich mit kreativen Selbstbeschreibungen wie Queer Death Pop und Electronic Witch Rock hervorheben. Im Film spielen sich die Angehörigen der Szene selbst. Neben Hauptdarstellerin Sylvie Mix gibt es nur eine kleine Anzahl von Nebendarstellern, die nicht in Columbus ansässig sind. Dass es sich beim Cast hauptsächlich um Debütanten und Amateurschauspieler handelt, merkt man dem Film kaum an. Insbesondere Bobbi Kitten, die charismatische Frontfrau der Band Damn the Witch Siren, brilliert in ihrer Rolle als Lennons Idol.

Atmosphäre und das Erleben der Subkultur

In knapp anderthalb Stunden Spielzeit bewegt sich Poser frei zwischen filmischen Genres. Die authentische Herangehensweise an die Kreativszene lässt den Film  dokumentarisch wirken, die Nähe, die Lennon zu den Künstlern gewinnt, erzeugt zudem eine besondere Intimität. Gleichzeitig hält sich der Film nicht lange damit auf, Lennons Suche nach Zugehörigkeit in einer komplexen Story zu verpacken. Als Lennons Methoden immer schwieriger zu rechtfertigen werden, weben sich zudem Thriller-Elemente in die Handlung des Films ein. Dennoch ist eindeutig, dass in Poser die Atmosphäre und das Erleben der Subkultur über inhaltlicher Substanz stehen. Der Film liefert damit zwar keine neuen Erkenntnisse für das Coming-of-Age-Genre, aber ist ein abwechslungsreicher und kreativer Einblick in Subkultur einer Stadt im so häufig übersehenen amerikanischen mittleren Westen. Die charmante Hommage an Columbus’ Kunst- und Kulturszene dürfte all denen gefallen, die sich in kleinen Galerien, unabhängigen Plattenläden, Cafés und Kulturprojekten wohlfühlen. Nach verschiedenen Musikvideos und Kurzfilmen handelt es sich bei Poser nun um das  Langfilmdebüt des Regieduos Noah Dixon und Ori Segev, die selbst Teil der Kreativszene Ohios sind.

Credits

OT: „Poser“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Noah Dixon, Ori Segev
Drehbuch:  Noah Dixon
Musik: Adam Robl, Shawn Sutta
Kamera: Logan Floyd
Besetzung: Sylvie Mix, Bobbi Kitten, Rachel Keefe

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"Poser" erzählt die Geschichte von Lennon, die in der lokalen Kulturszene von Columbus nach Anerkennung und Zugehörigkeit sucht. Während das Drehbuch wenig Neues zum Coming-of-Age-Genre hinzuzufügen hat, punktet der Film mit einem authentischen Einblick in die Musik- und Kunstszene der Stadt im mittleren Westen der USA.
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