Speer Goes to Hollywood
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Speer Goes to Hollywood

Inhalt / Kritik

„Speer Goes to Hollywood“ // Deutschland-Start: 11. November 2021 (Kino)

Bis heute beschäftigt Historiker wie auch Soziologen die Schuldfrage, wenn es um die Aufarbeitung des Dritten Reiches geht und dessen Rassenpolitik. Nicht nur gesellschaftlich, im Rahmen der turbulenten 1960er Jahre, stand die Frage der Mitwisserschaft und der damit einhergehenden Schuld im Raum, was zur Spaltung vieler Familien sowie einer ganzen Gesellschaft nach sich zog und in einer Protestbewegung mündete. Der Drang, sich von der Elterngeneration loszusprechen, sich von ihr zu distanzieren und nicht zuletzt auch einen wirklichen Neuanfang zu wagen, der nicht auf einem banalen „Weiter so“ basiert, war vielen mehr als nur eine Herzensangelegenheit und ist noch heute ein umstrittenes Thema, diskutiert in Klassenzimmer wie auch Plenarsälen.

Damit einher geht naturgemäß jener Begriff der Schuld, wie er beispielsweise in den Nürnberger Prozessen oder im Verfahren gegen Adolf Eichmann eine Rolle gespielt hat. Das Wegducken hinter Paragrafen oder Befehlen, hinter Verordnungen wie auch der Hierarchie der NSDAP und damit den Dritten Reiches an sich, wurde oftmals zitiert, wenn es darum ging, die eigene Schuld klein zu halten oder diese gar nicht erst zuzugeben. Auch im Falle Albert Speers, eine der wenigen Nazi-Größen, der tatsächlich der Prozess gemacht werden konnte, kam es zu solchen Verteidigungen, die sich schließlich auch in seinem Memoiren Erinnerungen, veröffentlicht 1969, wiederfanden.

Eine der Öffentlichkeit wenig bekannte Facette, dieses Umgangs mit Schuld ist der Versuch, Erinnerungen zu verfilmen. Wie bereits in ihrer vorherigen Dokumentation Der Anständige, über die Lebensgeschichte Heinrich Himmlers, widmet sich Regisseurin Vanessa Lapa mittels einer Fülle historischer Aufnahmen und Dokumente diesem Kapitel des Lebens des einstigen Vertrauten Hitlers. Mit Speer Goes to Hollywood ist dabei ein Film entstanden, welcher in erster Linie auf den Korrespondenzen zwischen Speer und Drehbuchautor Andew Birkin beruht, dies sich über einzelnen Szene sowie die Themen der geplanten Verfilmung austauschen. Die Dokumentation feierte auf der Berlinale 2020 ihre Weltpremiere und war dort für den Dokumentarfilmpreis nominiert, von der Israeli Television Academy erhielt Lapa den Preis in der Kategorie Beste Dokumentation und auf dem Jerusalem Film Festival die Auszeichnung für die Beste Regie.

Der Opportunist und der Träumer

Unabhängig vom Genre haben Filme über die Verbrechen der Nazis immer das Problem zwischen der historischen Realität und der Ästhetisierung, die mit dem Medium einhergeht. Viele Filmemacher haben einen Weg gefunden, diesen Zwiespalt für sich zu nutzen oder zu lösen, andere wiederum zerbrachen daran oder kreierten Filme, die weder eine überzeugende Geschichte erzählten, noch dem Leid und dem Ausmaß des Verbrechens gerecht wurden. Diese Idee bestimmt letztlich auch den Austausch von Speer und Birkin, die sich Szene für Szene dem Drehbuch widmen, über die dargestellten Ereignisse reden, über Kameraeinstellungen und letztlich auch darüber, ob diese Ästhetik wirklich angemessen ist, was immer wieder zu Konflikten führt. Lapas Dokumentation allein als ein historisches Dokument oder eine Collage von Aufnahmen zu verstehen, trifft nicht den Kern dessen, was die Regisseurin in Speer Goes to Hollywood bewerkstelligt, nämlich den Finger darauf zu legen, inwiefern nicht durch das Medium Film eben jene Verteidigung Speers bei den Nürnberger Prozessen ergänzt oder gar betont wird.

Speer Goes to Hollywod mag an vielen Stellen empören, doch das Arrangement der Aufnahmen sowie deren Ergänzung durch die Filmmusik Haim Frank Ilfmans geht noch einen Schritt weiter. Es geht um einen Versuch der Reinwaschung, wie es die Bilder Speers, wie er gedankenverloren und elegant gekleidet mit seinem Hund spazieren geht, hervorheben, wobei ein Narrativ entsteht, mit dem es vorsichtig umzugehen geht und was letztlich ein Licht darauf wirft, wie bis heute der Holocaust nicht nur geleugnet, sondern schließlich auch auf verzerrende Weise dargestellt wird.

Credits

OT: „Speer Goes to Hollywood“
Land: Israel
Jahr: 2020
Regie: Vanessa Lapa
Drehbuch: Joelle Alexis, Vanessa Lapa
Musik: Haim Frank Ilfman

Bilder

Trailer

Filmfeste

Berlinale 2021

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„Speer Goes to Hollywood“ ist eine spannende, faszinierende Dokumentation über die geplante Verfilmung Albert Speers Memoiren. Dank einer Vielzahl von Materialien und deren Arrangement gelingt Vanessa Lapa eine Dokumentation, die zeigt, wie harmlos erscheinende Gespräche über Bilder und Einstellungen zu einem Versuch der Reinwaschung werden können.
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