Matthew (Casey Affleck) und Nicole Teague (Dakota Johnson) sind ein glückliches Paar, mal mehr, mal weniger. Sie lieben ihre Töchter Molly (Isabella Rice) und Evie (Violet McGraw), sie lieben einander. Hin und wieder kommt es zum Streit, vor allem weil Matt wegen seiner Arbeit als Journalist oft unterwegs ist und die Familie wenig von ihm hat. Sie schaffen es aber immer wieder sich zusammenzuraufen und weiterzumachen. Doch dann erhält Nicole die Diagnose, dass sie an Krebs erkrankt ist. Zunächst sind sie guter Dinge, überzeugt dass sie gemeinsam die Sache durchstehen werden. Als sich das aber als Irrtum herausstellt, ist es ihr gemeinsamer Freund Dane Faucheux (Jason Segel), der ihnen zur Hilfe eilt. Und sie können seine Hilfe gut gebrauchen, vor allem später, als klar wird, dass Nicole diese Krankheit nicht überleben wird …
Am Anfang stand der Tod
Ein bisschen verwirrend ist The Friend ja schon, gerade am Anfang. Der Film fängt damit an, wie das Paar beschließt, den Kindern die traurige Nachricht zu überbringen. Noch bevor wir wissen, wer diese beiden sind, was sie tun oder was ihre Geschichte ist, erfahren wir: Sie stirbt bald. Das ist natürlich ein ziemlich heftiger Einstieg. Viele Filmschaffende hätten sich dieses Ereignis für den Schluss aufgehoben und richtig schön ausgeschlachtet, das Publikum soll schließlich kräftig mitweinen dürfen. Indem das Ende vorweggenommen wird, verschiebt sich der Schwerpunkt. Es geht nicht um die Frage, ob Nicole leben wird, hier wird nicht gebangt und gehofft. Stattdessen erleben wir im Rückblick die Jahre zuvor.
Das ist schon irgendwie gemein, da die Momente des Glücks dadurch immer etwas überschattet werden. Sich über das Kennenlernen zu freuen oder die späteren Familienszenen, das ist nicht ganz einfach. Denn da bleibt die Gewissheit: Es wird traurig ausgehen. Solche Geschichten bieten sich dafür an, ein bisschen über den Sinn des Lebens nachzugrübeln. Die Erkenntnis solcher Dramen ist meist: Genieße den Augenblick und mache das Beste daraus. Bei The Friend kommt man gar nicht dazu, weil es hier selten Ruhephasen im Angebot gibt. Anstatt die Geschichte nach einem frühen Ausblick auf das Ende chronologisch zu erzählen, springt das Drehbuch von Brad Ingelsby (Out of Play – Der Weg zurück) kontinuierlich auf der Zeitachse hin und her, ist mal hier, mal dort.
Zwischen Chaos und Tod
Das wirkt teilweise schon ein bisschen forciert, zumal auf diese Weise ein roter Faden praktisch unmöglich ist. Gleichzeitig ist es aber auch nicht unpassend: Das Drama, das auf dem Toronto International Film Festival 2019 Premiere hatte, erzählt eben nicht von einer kontinuierlichen Entwicklung, sondern besteht aus Schnappschüssen im Leben der drei Hauptfiguren. Die fragmentarische Erzählung verstärkt das noch weiter, kaschiert vielleicht auch ein wenig die Schwierigkeit, eine solche Geschichte zu erzählen. Denn wer jede Situation durch einen Zeitsprung einleitet, braucht sich keine Gedanken mehr über Übergänge zu machen. Das hin und her in der Beziehung der Figuren wird bei The Friend quasi durch die Form auf den Punkt gebracht. Das Erratische wird zum Grundprinzip erklärt, die Überforderung der Figuren überträgt sich auf die Zuschauer und Zuschauerinnen.
Inhaltlich sind es zwei Punkte, die Regisseurin Gabriela Cowperthwaite (Sergeant Rex – Nicht ohne meinen Hund) in ihrem Film dabei bei all dem Chaos betont. Das eine betrifft unseren Umgang mit dem Tod. Wenn Nicole ihren beiden Töchtern lange verschweigt, wie es wirklich um sie steht, dann natürlich schon auch, um sie zu schützen. Aber es ist auch Ausdruck eines Unvermögens, mit der Sterblichkeit umzugehen. The Friend verzichtet zwar drauf, einen wirklich hässlichen Tod zu zeigen, sondern geht in den letzten Momenten relativ gnädig mit der Sterbenden um. Dafür gibt es zuvor viel harten Stoff, wenn die schwere Krankheit nicht nur ihren Körper befällt, sondern auch sie als Menschen und die Beziehung. Sie sind völlig überfordert damit, im Laufe der zunehmenden Verschlechterung noch ein normales Leben zu führen. Nicole entwickelt Psychosen, es kommt zu hässlichen Konflikten, die aus dem Nichts explodieren, selbst normalste Szenen können zu einer Überwältigen führen. Denn was ist schon normal am Sterben und am Verlust eines geliebten Menschen?
Erinnerung an eine besondere Freundschaft
Der zweite inhaltliche Schwerpunkt ist im Titel verborgen. In seinem Artikel The Friend: Love is Not a Big Enough Word hatte der echte Matthew Teague ursprünglich nur seiner verstorbenen Frau und der gemeinsamen Zeit erinnern wollen. Stattdessen war der Text am Ende dem titelgebenden Freund Dane gewidmet, der für sie da war, als es niemand anders mehr konnte. Eine solche Geschichte neigt gerne mal dazu, diese Person dann einseitig zu glorifizieren und einen Engel auf Erden daraus zu machen. Die größte Stärke des Films ist aber, wie menschlich er seine Figuren ausgestaltet. Matt, Nicole und Dane haben alle ihre Macken, bekommen zwischendurch etwas nicht auf die Reihe oder machen sich schon mal unnötig das Leben schwer. Das ist auch wunderbar gespielt von dem Trio, Affleck, Johnson und Segel entwickeln eine ganz eigene Dynamik, die nicht immer ganz leicht zu fassen ist, der man aber gern bis zum bitteren Ende folgt. Zum Schluss neigt die Musik dazu, etwas aufdringlich und nervig zu werden, was nicht so recht zu den sonst eher bewusst alltäglich gehaltenen Szenen passt. Insgesamt überwiegen die positive Aspekte bei dieser etwas anderen Liebeserklärung aber.
OT: „Our Friend“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Gabriela Cowperthwaite
Drehbuch: Brad Ingelsby
Musik: Rob Simonsen
Kamera: Joe Anderson
Besetzung: Casey Affleck, Dakota Johnson, Jason Segel, Isabella Rice, Violet McGraw
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