Visit or Memories And Confessions
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Visit, or Memories And Confessions

Inhalt / Kritik

Visit or Memories And Confessions
„Visit, or Memories And Confessions“ // Deutschland-Start: 23. August 2021 (MUBI)

Der Ur-Moment des Kinos ist das Festhalten von Zeit, von Erinnerung und damit eines Moments für die Nachwelt, so banal dieser auch im Nachhinein sein mag. Versucht man den Ausspruch, dass die Untersuchung der Vergangenheit einen Schlüssel zum Verständnis der Gegenwart wie auch ein Fundament der Zukunft sein kann, umzusetzen, so kann man das Medium als einen wichtigen Aspekt in diesem Prozess betrachten. In der Literatur haben bereits viele Autoren und Autorinnen das ihnen vertraute Medium genutzt, um eben jenen Prozess für sich in die Wege zu leiten, wobei es sich oftmals weniger um eine reine Biografie handelt. Innerhalb des Films gibt es solche Unternehmungen, wenn auch vergleichsweise seltener, genauso, bei denen immer eine Balance gibt zwischen Fiktionalität und Fakt, was nur natürlich ist, bedenkt man, dass die Mittel des Mediums dies in gewisser Weise nach sich ziehen.

„Die Fiktion ist die wahre Realität des Kinos“, sagte einmal der portugiesische Filmemacher Manoel de Oliveira, der bis ins stolze Alter von 106 Jahren Filme produzierte und inszenierte, zuletzt mit seinem Kurzfilm Chafariz das Virtudes, den er anlässlich der Viennale 2014 gemacht hatte. Die Mittel des Mediums waren mitnichten nur Farben einer breit gefächerten Palette, sondern mehr noch Instrumente der Erkenntnis über die eigene und der nationalen Geschichte, auf welche de Oliveira Zeit seines Lebens immer wieder zurückgriff.

In diesem Kontext ist auch sein 1981 entstandener Dokumentarfilm Visit, or Memories and Confessions zu verstehen. Im Zusammenhang eines Werkes, welches sich von der Ära des Stummfilms bis hin zur Digitalisierung zog, mag man dieses Doku-Drama als eine Art Schlüsselwerk sehen, oder zumindest als eines von vielen. Im Mittelpunkt steht dabei das Haus, welches der Regisseur zum Zeitpunkt der Produktion über 40 Jahre zusammen mit seiner Frau bewohnte und das sie nun verkaufen müssen zur Tilgung persönlicher Schulden. Darüber hinaus geht es um die verschiedenen Erinnerungen, die an das Haus geknüpft sind, insbesondere die Zeit der Nelkenrevolution, in dessen Folge der Regisseur verhaftet und verhört wurde. Neben einigen Erinnerungen, die filmisch nachgestellt wurden, nehmen die Dialoge, die de Oliveira zusammen mit der Autorin Agustina Bessa-Luís schrieb, einen besonderen Stellenwert ein.

Das Haus meiner Glanzzeit

In seinem Mix aus Dokumentation und Spielfilm greift de Oliveira gleich auf drei Erzählebenen, sofern man dieses Wort gebrauchen will, zurück. Während die eine aus der Perspektive eines jungen Paares, welches sich das Haus aus nächster Nähe ansieht und durch dessen Räume spaziert, berichtet, ist die nächste eine eher dokumentarische, wobei der Regisseur direkt zum Zuschauer spricht. Hierbei werden neben den bereits erwähnten Stationen des Lebens de Oliveiras auch dessen Philosophie über die Kunst, das Filmemachen, doch auch die Familie an sich und die Landwirtschaft gestreift. Innerhalb dieser letzten Ebene finden sich auch jene nachgestellten Szenen sowie Familienfilme über die Kindheit, Jugend und Familienbiografie des Filmemachers, der beispielsweise auf die Gründung der Fabrik seines Vaters eingeht und wie diese später in der Zeit der Revolution geplündert wurde. Immer wieder ergänzen sich die Mittel der Fiktion mit jenen des Dokumentarfilms oder den Archivaufnahmen, fast so, als würde man dem Regisseur selbst dabei folgen, wie er sich über diese Zusammenhänge klar werden will oder deren Bedeutung genauer beleuchten will.

Interessant ist dabei auch die erste Ebene. Während man die Stimmen der beiden „Eindringlinge“ nur aus dem Off hört, nie aber deren Körper sieht, scheint es so, als würde man, wie eine Art Geist, durch die einzelnen Räume des Hauses streifen, wobei man stets innehält bei dem ein oder anderen Detail, was wiederum eine Erinnerung oder Assoziation auslöst. Diese Ebene scheint so etwas wie die Zukunft zu sein, oder das, was man als Mensch hinterlässt, doch neben dem Materiellen, bleiben auch die Momente zurück, welche die Bilder de Oliveiras evozieren. Von daher darf man Visit, or Memories and Confessions wohl als Lebens- und Erinnerungsfilm im wortwörtlichen Sinne betrachten.

Credits

OT: „Visita ou Memórias e Confissões“
Land: Portugal
Jahr: 1982
Regie: Manoel de Oliveira
Drehbuch: Manoel de Oliveira, Agustina Bessa-Luís
Kamera: Elso Roque

Trailer

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„Visit, or Memories And Confessions“ ist eine Mischung aus Dokumentation und Spielfilm. Der große Manoel de Oliveira schuf einen Erinnerungs- und Lebensfilm über die Bedeutung der Vergangenheit für das eigene Leben und über das, was von einem bleibt, wenn man selbst schon lange nicht mehr existiert.
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