Wir konnten nicht erwachsen werden Netflix
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Wir konnten nicht erwachsen werden

Inhalt / Kritik

Wir konnten nicht erwachsen werden Netflix
„Wir konnten nicht erwachsen werden“ // Deutschland-Start: 5. November 2021 (Netflix)

Im Leben von Sato (Mirai Moriyama) gibt es wenige Verpflichtungen, die er ernst nimmt. Seine Arbeit als Grafikdesigner fordert ihn schon seit vielen Jahren nicht mehr, hangelt er sich doch mehr von einer Deadline zur nächsten, während sein Boss ihm sprichwörtlich im Nacken sitzt. Privat sieht es nicht viel anders aus, denn an einer längerfristigen Beziehung hat der 46-Jährige, wenn er ehrlich ist, auch gar kein Interesse. Nach einem One-Night-Stand erhält er eine überraschende Nachricht auf sein Handy. Seine alte Flamme Kaori (Sairi Ito), mittlerweile verheiratet und Mutter, hat ihm eine Freundschaftsanfrage über ein soziales Netzwerk gesendet. Ausgelöst von den Fotos erinnert er sich an ihre Beziehung Ende der 1990er Jahre, als die beide immer in ein Stundenhotel flüchteten. Gemeinsam träumten sie von der Zukunft und tauschten sich aus über verschiedenen Themen, bis, ausgerechnet am 1. Januar 2000, Kaori die Beziehung beendete und sich schlicht nicht mehr bei ihrem Freund meldete.

Doch es ist nicht nur diese Beziehung und deren Ende, was Sato auf einmal wieder sehr beschäftigt. Auch seine Romanze mit der Hostess Sue (Sumire) kommt ihm wieder in den Sinn, genauso wie die Verbindung zu Megumi (Yuko Oshima), die er immer wieder enttäuschen und vertrösten musste. Die Erinnerungen sowie die Wiederbegegnungen mit seinen alten Freundinnen sind nicht nur Konfrontationen mit seinen Beziehungen und warum diese in die Brüche gegangen sind, sondern auch eine schmerzhafte Erfahrung für Sato, der erkennt, warum viele dieser Enttäuschungen mit seiner Unfähigkeit verbunden sind, sich zu entscheiden.

Bilder eines Lebens, Bilder eines Landes

Oft ist es unsere Vergangenheit, jene Erinnerungen, die wir gerne unterdrücken würden, die einen Schlüssel geben, um zu zeigen, welcher Mensch wir heute sind und wie sich unsere Persönlichkeit geformt hat. Dieses Thema steht im Zentrum von Wir konnten nicht erwachsen werden, eines Romans des japanischen Autors Moegara, die Regisseur Yoshihiro Mori (Love and Fortune) verfilmte. Seit dem 5. November 2021 ist das romantische Drama über den Streamingdienst Netflix zu sehen, wobei sich Mori und Drehbuchautor Ryo Takada einen sehr eigenwilligen, aber interessanten Zugang zur Geschichte kreierten, der nicht alleine auf den Erinnerungen des Protagonisten aufbaut, sondern auf zahlreichen Zeitsprüngen, welche das Wesen Satos auf den Punkt bringen.

In Wir konnten nicht erwachsen werden wird die Erinnerung zu einer Bilder- und Sinnsuche. Während die Trennung von Kaori im Januar 2000 ein zentraler Moment ist, zu dem Sato immer wieder zurückfindet, diesen aus einem anderen Blickwinkel betrachtet und sich gezwungen sieht, diesen eine genaueren Analyse zu unterziehen. Ähnlich einem Erinnerungsstrom wechselt der Film immer zwischen den verschiedenen Zeitebenen, springt in ein anderes Jahr, zu einer anderen Beziehung und damit zu einer Version des Protagonisten, die immer mehr unter dem unsteten Lebenswandel sowie der Beziehungslosigkeit zu leiden scheint. Die politisch-gesellschaftlichen Ereignisse der Zeit, wie beispielsweise die Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahre 2011, scheinen an diesem Menschen ebenso vorbeizugehen wie die zahlreichen Beziehungen und in ein „Immer weiter so“ zu münden, was in Sato im Jahre 2020 mündet, der scheinbar völlig haltlos durch sein Leben taumelt.

„Es scheint so gewöhnlich.“

In gewisser Weise ähnelt Sato den Figuren eines Frank Goosen oder Nick Hornby. Ohne wirklich eine Entscheidung zu treffen, abgeschreckt von Bindungen und zutiefst traumatisiert vom Ende seiner letzten aufrichtigen Liebesbeziehung, wirkt der von Mirai Moriyama gespielte Protagonist narzisstisch, auch wenn dies wenig über seine innewohnende Einsamkeit hinwegtäuscht. Neben Moriyama, der durch sein Spiel die Ziel- und Planlosigkeit seiner Figur betont, sind es insbesondere Sairi Ito, Sumire und Yuko Oshima, die beim Zuschauer einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Gerade Sumires Sue wirkt wie der genaue Gegenpol zu dem introvertierten Sato, der einen Abend lang in ein Glas Bier schauen kann, ohne dabei Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen.

Neben seinen Schauspielern ist es auch das Bild der japanischen Hauptstadt als Spiegel der Situation des Charakters, welches besonders gelungen ist. Gerade das Vergnügungsviertel Shinjuku ist toll in Szene gesetzt und wirkt fast wie eine eigenständige Figur innerhalb des Filmes. Einzig und alleine die Länge des Filmes stellt einen Kritikpunkt dar, rechtfertigt sich diese doch nicht unbedingt durch das, was erzählt und gezeigt wird.

Credits

OT: „Otona ni narenakatta“
Land: Japan
Jahr: 2021
Regie: Yoshihiro Mori
Drehbuch: Ryo Takada
Vorlage: Moegara
Kamera: Aiyoshi Yoshida
Besetzung: Masahiro Higashide, Mirai Moriyama, Sairi Ito, Masato Hagiwara, Sumire, Yuko Oshima, Moemi Katayama, Takehiro Hira, Masanobu Takashima

Trailer

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„Wir konnten nicht erwachsen werden“ ist ein vor allem schauspielerisch sehr gelungenes, romantisches Drama. Yoshihiro Mori gelingt ein etwas zu lange, aber durchaus sehenswerter Film, dessen Bild Tokios und eines Menschen, der sich nicht binden lassen will, wohl viele Zuschauer für sich einnehmen wird.
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