Zuhurs Töchter
© Humboldt Genske

Zuhurs Töchter

Inhalt / Kritik

Zuhurs Toechter
„Zuhurs Töchter“ // Deutschland-Start: 4. November 2021 (Kino)

Zuletzt hatte das Thema Immigration und der Umgang mit eben derselben wieder an Aufmerksamkeit gewonnen. Als in Folge des Regimewechsels in Afghanistan von Menschen die Rede war, die der Gewalt und Verfolgung zu entkommen versuchen, wurden zwangsläufig Erinnerungen an ähnliche Gespräche wach, die einige Jahre zuvor stattgefunden haben. Damals ging es um Flüchtlinge aus Syrien. Wenn im Jahr 2021 mit Zuhurs Töchter wieder ein Dokumentarfilm in unsere Kinos kommt, welcher von einer dortigen Flüchtlingsfamilie spricht, wirkt das gleichzeitig ein paar Jahre zu spät und doch ganz aktuell. Doch was auf den ersten Blick als eine der vielen Dokus durchginge, die in den letzten Jahren erschienen und die davon erzählten, wie ein Leben als Flüchtling so ist – siehe etwa Als Paul über das Meer kam – entpuppt sich als etwas völlig anderes.

Wenn Söhne zu Töchtern werden

Tatsächlich hat das Regieduo Laurentia Genske und Robin Humboldt nur sehr begrenzt Interesse an dem Leben eines Flüchtlings. Im Fokus ihres Filmes stehen vielmehr, der Titel Zuhurs Töchter verrät es bereits, die beiden Töchter. Genauer zwei davon. Das Besondere daran ist: Sie wurden als Jungen geboren. Doch mit der Zeit wuchs in beiden die Überzeugung, dass dieser ihnen angeborene Körper der falsche ist, dass sie eigentlich Frauen sind und sein wollen. Das Thema der Transsexualität war in den letzten Jahren immer mal wieder hochgekocht. Nachdem es eine ganze Zeit so aussah, als würde es endlich Akzeptanz für Betroffene geben und diesen ein selbstbestimmtes Leben zugestanden, haben die Anfeindungen wieder stark zugenommen. Selbst in liberalen westlichen Staaten sieht es oft nicht gut aus.

Dass Transsexuelle in einem Land wie Syrien noch sehr viel schlimmer dran sind, dürfte daher niemanden überraschen. Den beiden Schwestern, so wird zwischendurch verraten, droht in ihrer Heimat mindestens Gewalt. Der eigene Vater dürfe sie töten, wenn er wollte. Stattdessen floh er mit den beiden, den zahlreichen Geschwistern und Halbgeschwistern und den beiden Frauen nach Deutschland. Das bedeutet nicht, dass er die Entscheidung der Söhne, eigentlich Töchter zu sein, gutheißen würde. In Zuhurs Töchter sprechen die Eltern offen darüber, dass sie mit der Situation völlig überfordert sind. Sie verstehen nicht, was in den zwei Kindern vor sich geht. Können nichts damit anfangen, schämen sich sogar dafür. Und sie machen sich Sorgen. Sorgen darüber, wie es mit den zweien weitergehen würde und ob sie überhaupt je glücklich sein können.

Der Alltag auf dem Weg zur Selbstfindung

Dabei ist der Dokumentarfilm, der unter anderem beim DOK.fest München 2021 lief, weder deprimierend noch moralisierend. Genske und Humboldt klagen nicht an oder kommentieren irgendwie. Tatsächlich ist Zuhurs Töchter sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, die Außenwelt einzubeziehen. Lange erfährt man die Namen der zwei nicht. Vieles rund um die Familie bleibt im Dunkeln. Stattdessen werden die zwei Protagonistinnen begleitet, über mehrere Jahre hinweg. Sie werden heimisch, lernen langsam Deutsch. Und sie bereiten ihre Transition vor, die ihnen endlich den Körper geben soll, den sie sich wünschen. Oder zumindest einen Körper, der dieser Selbstsicht so nahe kommt, wie es die aktuelle Medizin zulässt.

Auf diese Weise wechselt der Film immer wieder zwischen alltäglichen Situationen aus der Familie und solchen, die sich um das Thema Transsexualität drehen. Es gibt Gespräche mit Ärzten oder auch Beratern, die den beiden zur Seite stehen. Am Anfang sehen wir, wie die zwei sich auf der Toilette umziehen und sich weiblicher machen, als es ihnen der Körper zugesteht. Dabei albern sie herum, wirken wie andere Teenagerinnen auch, die in erster Linie ihren Spaß suchen. Das ist nichts Besonderes und gleichzeitig schon. Zuhurs Töchter erzählt die Geschichte einer doppelten Selbstfindung: eine kulturelle und eine biologische. Das geht vielleicht nicht so sehr in die Tiefe, wie es schön gewesen wäre. Beispielsweise erfahren wir an einer Stelle, dass es innerhalb der Flüchtlingsunterkunft zu Anfeindungen kommt. Doch das Thema wird wieder fallen gelassen. Je mehr der Film voranschreitet, umso stärker rückt auch der kulturelle Kontext in den Hintergrund. Dennoch, die Doku hat ihre Momente und zwei sehr lebendige Protagonistinnen, die inhaltliche Leerstellen mit umso mehr Präsenz wieder ausgleichen.

Credits

OT: „Zuhurs Töchter“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Laurentia Genske, Robin Humboldt
Drehbuch: Laurentia Genske, Robin Humboldt
Kamera: Laurentia Genske, Robin Humboldt

Bilder

Trailer

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„Zuhurs Töchter“ erzählt von zwei syrischen Transschwestern, die mit ihrer Familie aus der Heimat geflohen sind und nun davon träumen, endlich Frauen werden zu dürfen. Das ist der lebendigen Protagonistinnen wegen sehenswert, auch wenn der spannende Faktor kulturelle Herkunft mit der Zeit aus dem Blickwinkel verschwindet.
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