A Place Called Dignity
© New Europe Sales

A Place Called Dignity

Inhalt / Kritik

A Place Called Dignity
„A Place Called Dignity“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Für den zwölfjährigen Pablo (Salvador Insunza) und seine Eltern scheint es ein guter Deal zu sein: kostenloser Schulbesuch, dazu regelmäßiger Gesangsunterricht, ein Dach über dem Kopf und ein streng geregeltes, gottesfürchtiges Leben – all das wird Pablo 1989 in der „Colonia Dignidad“ in Chile angeboten, die von dem Deutschen Paul Schäfer (Hanns Zischler), den die Bewohner der Siedlung Pius nennen, mit harter Hand geführt wird. Anfangs fühlt sich Pablo in diesem neuen Leben auch noch wohl, zeigt sich interessiert an den täglichen Aufgaben und an Pius“ Ideen. Doch nach und nach wird ihm (und dem Zuschauer schon viel früher) klar, dass unter der scheinbar perfekten Oberfläche hier einiges im Argen ist. Ständige Überwachung aller Bewohner, Gerüchte um in die Kolonie entführte Gegner des chilenischen Regimes und körperlicher wie seelischer Missbrauch der Bewohner durch den Anführer sind nur einige der Dinge, die Paul und den anderen Bewohnern von Colonia Dignidad das Leben schwer machen.

Leben in einer von Angst geprägten Siedlung

Spielfilme und Dokumentationen über die von Paul Schäfer 1961 gegründete und wie eine Sekte geführte, streng nach außen abgeschottete Siedlung gab es schon mehrere (etwa Florian Gallenbergers Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück). A Place Called Dignity konzentriert sich auf wenige Protagonisten. Pablo und Paul/Pius stehen hier im Mittelpunkt; andere Bewohner der Siedlung nimmt der Film zwar auch in den Blick, der Schatten des angeblich alles sehenden Pius liegt hier jedoch über allem. Denn da sich hier alle ständig beobachtet fühlen, stehen sie auch unter ständiger Kontrolle. Die Vorstellung von der dauernden Überwachung ist so sehr in den Köpfen der Bewohner verankert, dass sie sich zum Beispiel nicht einmal in dessen Abwesenheit Dinge zu sagen trauen, die ihm missfallen würden. Es herrscht ein Klima aus Angst, Druck und Denunziantentum. Geheimnisse darf es nicht geben und wer doch eines hat, muss zur Strafe einen weißen Pullover tragen, der allen signalisiert, dass der Träger die Regeln gebrochen hat.

Durch ständige Lautsprecherdurchsagen sollen die Mitglieder der Gemeinschaft daran erinnert werden, ein arbeitsames und gottesfürchtiges Leben zu führen. Gleichzeitig herrscht eine strenge Abgrenzung nach außen. Diese wird zum Beispiel deutlich, wenn Pablo einem in der Siedlung aufgewachsenen Jungen erklären muss, was eine Ampel ist oder die Erwachsenen Bewohner sich anlesen müssen, wie das denn nun eigentlich mit der menschlichen Fortpflanzung funktioniert.

Ein substanzloser Schrecken

Regisseur Matías Rojas Valencia erzählt das alles in langen Einstellungen, die aber leider nicht immer visuell oder schauspielerisch interessant sind, weswegen sich der Film an einigen Stellen etwas zieht. Ohne Frage gelingen ihm aber einige emotional intensive Szenen. Die meisten davon sind auf die Präsenz und das Schauspiel von Hanns Zischler zurückzuführen, der hier mühelos zwischen der Darstellung des warmen, herzlichen und um seine Gemeindemitglieder besorgten Anführers und der des aggressiven Tyrannen hin und her wechselt. Es ist vor allem Zischler, der diesen Film trägt. Die Leistungen der anderen Darsteller fallen dagegen etwas ab (oder sie bekommen vom Drehbuch gar nicht erst die Gelegenheit, mehrdimensionale Charaktere zu spielen). Zischler verleiht seiner Figur jedenfalls sowohl das nötige Charisma als auch die entsprechende Bedrohlichkeit, um die Furcht und den Gehorsam aller anderen Siedlungsbewohner nachvollziehen zu können.

Neben dem deutlich sichtbaren seelischen Missbrauch wird auch der sexuelle Missbrauch in der Colonia Dignidad im Film zumindest sehr stark angedeutet. A Place Called Dignity zeigt also ein äußerst düsteres und deprimierendes Bild der Verhältnisse dort, viel mehr gelingt dem Film aber nicht. Mit Pablo als Protagonisten und Pius als Schreckgestalt stellt der Film so etwas wie eine Momentaufnahme dar, ohne detailliert auf Hintergründe oder die Entstehung der Siedlung einzugehen. In einer Szene wird lediglich deutlich, dass ihr Anführer ein äußerst gutes Verhältnis zu den chilenischen Behörden hatte, die ihre schützende Hand über sein kleines Sektendorf hielten. Letztendlich ist der Film aber etwas zu substanzlos, zu langatmig und wird nur durch Zischlers fantastisches Schauspiel und einige emotional intensive Szenen vor der Eintönigkeit bewahrt.

Credits

OT: „A Place Called Dignity“
Land: Chile, Frankreich, Kolumbien, Argentinien, Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Matías Rojas Valencia
Drehbuch: Matías Rojas Valencia
Musik: Eryck Abecassis
Kamera: Benjamín Echazaretta
Besetzung: Hanns Zischler, Amalia Kassai, Salvador Insunza, David Gaete, Noa Westermeyer

Trailer

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

"A Place Called Dignity" will Einblick geben in die Vorgänge innerhalb der Colonia Dignidad in Chile. Das gelingt dem etwas langatmigen Film aber nur bedingt; zudem sind die schauspielerischen Leistungen durchwachsen und lediglich Hanns Zischler ragt hier ganz eindeutig heraus mit seiner Darstellung des charismatischen, bedrohlichen Anführers Paul Schäfer.
Leserwertung0 Bewertungen
0
5
von 10