Als letztes von 14 Kindern muss die Frankokanadierin Aline Dieu (Valérie Lemercier) schon von klein auf lernen, wie sie sich Gehör verschafft. Das gelingt ihr aufgrund ihrer Stimme sehr gut: Schon als Kind überrascht und begeistert sie sie Familie mit ihrem Talent. Später soll sie dieses nutzen, um als Sängerin Karriere zu machen. Tatsächlich feiert sie bereits früh erste Erfolge, aus den lokalen Auftritten werden internationale Tourneen. Ihre Lieder finden sich an der Spitze der Charts wieder, sowohl auf Französisch wie auch auf Englisch. Immer an ihrer Seite ist ihr Manager Guy-Claude Kamar (Sylvain Marcel), der sie in die Welt des Showgeschäfts einführt. Dabei bleibt es nicht bei einer rein beruflichen Beziehung, sie entwickeln zunehmend Gefühle füreinander. Davon ist Alines Mutter (Danielle Fichaud) jedoch wenig begeistert, schließlich beträgt der Altersunterschied der beiden mehr als zwanzig Jahre …
Das Porträt einer ganz Großen
In den letzten Jahren hat es eine Reihe von Filme gegeben, die berühmte Persönlichkeiten aus dem Bereich der Musik zum Inhalt gemacht haben. Der bekannteste Fall war sicherlich Bohemian Rhapsody über den Aufstieg der Rockband Queen, der nicht nur für pralle Kinokassen sorgte, sondern auch für Oscar-Auszeichnungen gut war. Und auch Rocketman, ein Denkmal an den britischen Popsänger Elton John, fand jede Menge Fans. Da ist es eigentlich nur fair, wenn mit Céline Dion nun auch einmal einem weiblichen Star gehuldigt wird. Schließlich gehört die mit mehr als 200 Millionen verkauften Tonträgern zu den erfolgreichsten Sängerinnen aller Zeiten. Daraus lässt sich schon ein anständiges Biopic basteln. Aline – The Voice of Love ist dieses Biopic – und ist es gleichzeitig wieder nicht.
Die erste große Irritation kündigt schon der Titel an: Aus Céline Dion wurde Aline Dieu. Ob dies nun rechtliche Gründe hat, weil der Film nicht offiziell autorisiert wurde, oder man sich einfach nicht zu sehr mit der wahren Geschichte aufhalten wollte, darüber darf diskutiert werden. So oder so hat sich die ursprünglich als Schauspielerin und Komödiantin bekannt gewordene Regisseurin, Co-Autorin und Hauptdarstellerin Valérie Lemercier (Forte) diverse Freiheiten herausgenommen bei ihrer Fassung der Geschichte. Nicht nur dass die Namen geändert wurden und Ereignisse teils erfunden sind. Sie schert sich auch nicht sonderlich darum, an welcher Stelle welches Lied aktuell wäre. Stattdessen werden einige ihrer bekannten Hits eingebaut, bei denen sie nichts zu suchen hatten. Dabei handelt es sich nicht einmal um die Originalaufnahmen. Stattdessen übernahmen andere die Singstimmen, während Lemercier nur so tut als ob.
Ein Egotrip in jedem Alter
Und als wäre das alles nicht schon verwirrend genug, fasste Valérie Lemercier bei ihrer Vision eine Entscheidung, die auf der Liste der bizarrsten Filmideen der neueren Zeit ganz weit oben steht. Dass sie die Rolle ihres Idols selbst spielt, das lässt sich noch irgendwie vertreten. Filmschaffende nutzen gern mal die Gelegenheit, um sich die besten Rollen einfach selbst zu geben. Aber es ist schon reichlich seltsam, dass die Französin in Aline – The Voice of Love die Titelfigur in allen Lebenslagen spielt, vom Kind bis ins Erwachsenenalter als mehrfache Mutter. Und damit das nicht ganz so auffällt, wurde kräftig der Computer angeworfen, um sie künstlich zu verkleinern oder auch ihr Gesicht jünger zu machen. Schließlich ist Lemercier selbst Ende 50. Da sieht man nicht mehr aus wie eine Jugendliche.
Die Bezeichnung „lächerlich“ wäre da noch geschmeichelt, man weiß hier nie so recht, ob das Porträt absichtlich oder unabsichtlich komisch ist. Wobei da durchaus auch Szenen dabei sind, die ganz offensichtlich bereits komisch angelegt waren. Wenn sich Alien beispielsweise in ihrer neu gekauften Villa verirrt, dann war das sicherlich humorvoll gedacht, ebenso die Stellen, bei denen es um den drohenden Stimmverlust der Sängerin geht. Bei der Darstellung der Familie schöpfte Lemercier ohnehin aus dem Vollen. Von Anfang an herrscht da ein heiterer Ton, mit viel Freude am Skurrilen wird hier eine Chaostruppe entworfen, bei der die Regeln etwas anders ausfallen. Man hätte aus Aline – The Voice of Love ohne Weiteres eine Sitcom machen können, die sich allein mit der Großfamilie befasst.
Die Suche nach einer Zielgruppe
Wer das Leben von Dion kennt, weiß aber, dass dieses nicht allein von Spaß und Witz geprägt war. Aline – The Voice of Love befasst sich auch mit dem Thema Krankheit und Tod. Dabei gelingen dem Drama, das bei den Filmfestspielen von Cannes 2021 Premiere feierte, tatsächlich emotionale Momente. Das beißt sich dann zwar mit der tendenziell grotesken Ausrichtung des Films. Die Szenen bleiben aber nicht ohne Wirkung. Dennoch, am Ende bleibt vor allem die Verwirrung, was genau das hier hätte sein sollen und wer die Zielgruppe ist. Fans von Céline Dion werden sich an den zahlreichen Verfälschungen stören. Wer mit der Sängerin nichts anfangen kann, wird hierdurch kaum seine Meinung ändern, dafür ist der Fokus auf sie viel zu groß. Und selbst wenn es sich nicht um die Original-Titel handelt, man hört, um wen es sich hier handelt. Richtig empfehlenswert ist der Film so oder so nicht, aber doch zumindest eine Kuriosität, die man im Meer aus Biopics so leicht nicht vergisst.
OT: „Aline“
Land: Frankreich, Kanada
Jahr: 2021
Regie: Valérie Lemercier
Drehbuch: Brigitte Buc, Valérie Mercier
Musik: Morgan Kibby
Kamera: Laurent Dailland
Besetzung: Valérie Lemercier, Roc Lafortune, Danielle Fichaud, Sylvain Marcel
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
César | 2022 | Bester Film | Nominierung | |
Beste Regie | Valérie Lemercier | Nominierung | ||
Beste Hauptdarstellerin | Valérie Lemercier | Sieg | ||
Beste Nebendarstellerin | Danielle Fichaud | Nominierung | ||
Bester Nebendarsteller | Sylvain Marcel | Nominierung | ||
Bestes Original-Drehbuch | Valérie Lemercier, Brigitte Buc | Nominierung | ||
Bester Ton | Olivier Mauvezin, Arnaud Rolland, Edouard Morin, Daniel Sobrino | Nominierung | ||
Bestes Szenenbild | Emmanuelle Duplay | Nominierung | ||
Beste Kostüme | Catherine Leterrier | Nominierung | ||
Beste visuelle Effekte | Sébastien Rame | Nominierung | ||
César des lycéens | Nominierung |
Cannes 2021
Filmfest Hamburg 2021
Französische Filmtage Tübingen Stuttgart 2021
Französische Filmwoche Berlin 2021
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