Walter (Liam Cunningham) war so kurz davor, sich einen Traum zu erfüllen: Jahrelang hatten er und sein Team nach Münzen aus dem 17. Jahrhundert gesucht, welche ihnen den Weg zu einem Piratenschatz weisen sollten. Doch kaum haben sie die Münzen aus dem Meer geborgen, stehen bereits Vertreter der spanischen Regierung vor ihnen und reklamieren den Fund für sich. Schließlich sei dieser in den spanischen Gewässern gewesen. Nach einem ersten Schock beschließt der Schatzsucher, dass er nicht so ohne Weiteres aufgeben möchte. Ein begnadeter junger Ingenieur namens Thom (Freddie Highmore) soll seiner Crew bei einem schier unmöglichen Coup helfen: Gemeinsam wollen sie in die spanische Zentralbank einbrechen und dort die Münzen zurückholen. Dabei weiß bis heute niemand so wirklich, wie diese zu knacken ist, ist sie doch durch einen ausgeklügelten Mechanismus geschützt …
Wer sind noch mal die Guten?
Eine Besonderheit des Heist Movies ist, dass hier – im Gegensatz zu den meisten Krimis und Thrillern – nicht diejenigen im Mittelpunkt stehen, die Verbrecher jagen, sondern diejenigen, welche die Verbrechen begehen. Da braucht es normalerweise eine Form der Begründung, warum das Publikum die Gegenseite anfeuern sollte statt der üblichen Gesetzeshüter. Oft geschieht das, indem die Auszuraubenden irgendwelchen ganz miesen Typen sind, bei denen es nicht so schlimm ist, wenn sie zum Opfer werden. In The Misfits – Die Meisterdiebe beispielsweise müssen Terroristen als Feindbild herhalten, um das Unmoralische moralisch machen zu können. In Glorreiche Verlierer trifft es einen skrupellosen Banker, der die ehrliche, anständige Bevölkerung ausgenommen hat.
Beim spanischen Genrebeitrag Crime Game wird das auch versucht, indem impliziert wird, die Münzen würden Walter und den anderen gehören. Sie hätten sie schließlich gefunden. Und für den Fall, dass das – berechtigterweise – nicht wirklich als Begründung ausreichen sollte, werden die Verantwortlichen in der Bank als Quasi-Schurken dargestellt, die im Zweifel über Leichen gehen. Aber auch das funktioniert nicht so recht. Der Film versucht zwar, die eigenen Protagonisten und Protagonistinnen so zu positionieren, dass man ihnen die Daumen drücken soll und will. Bis zum Schluss bleibt jedoch das Problem, dass man mit den Figuren nie so richtig mitfiebert, was zu einem größeren Teil daran liegt, dass die Figurenzeichnung so dürftig ist. Das Drehbuch gibt ihnen nie genug mit.
Wild zusammengewürfeltes, internationales Ensemble
Dabei ist das Ensemble bemerkenswert prominent und international. Die beiden Aushängeschilde der Crew sind der Engländer Freddie Highmore und der Ire Liam Cunningham. Dazu gesellen sich mit Sam Riley ein weiterer weltweit bekannter Engländer, dazu der spanische Genreexperte Luis Tosar, die französisch-spanische Schauspielerin Àstrid Bergès-Frisbey und mit Axel Stein sogar ein deutscher Export. Warum das Team im Hinblick auf die Nationalität so wild zusammengewürfelt wurde, wird dabei nie so richtig klar. Dafür sind die Hintergrundinfos zu dünn. Vielleicht wollte man bei Crime Game auf diese Weise das Gefühl erzeugen, eine echte Expertencrew zusammengestellt zu habe. Oder man hat einfach nur nicht darüber nachgedacht.
Den Eindruck, dass Letzteres zutrifft, hat man bei Crime Game, alternativ auch als Countdown in Madrid bekannt, als immer wieder mal. Insgesamt fünf Leute sollen an dem Drehbuch des Films gesessen haben. Und offensichtlich durften sie alle mehr oder weniger machen, was sie wollten. Dass Heist Movies nicht unbedingt immer die glaubwürdigsten Filme sind – klar. Es geht ja meistens darum, eine ganz unglaubliche Geschichte um einen ganz unglaublichen Diebstahl zu erzählen. Das bedeutet aber keinen Freischein, einfach nur irgendwelchen Quatsch aufzutischen. Und eben den findet man hier zuhauf. Schon bei der Rekrutierung des vermeintlich genialen Ingenieurs entstehen unweigerlich Fragezeichen über den Köpfen des Publikums. Warum sollte ein junger Mann, der so integer ist, dass er die Zusammenarbeit mit Ölfirmen ablehnt, auf einmal die Zentralbank ausrauben wollen? Und das ist nur eines von vielen Beispielen, wo man als Zuschauer bzw. Zuschauerin auf Durchzug stellen sollte.
Probleme mit der Balance
Dafür gibt es zwischendurch auch immer mal wieder gelungene Szenen. Der auf düstere Stoffe spezialisierte Regisseur Jaume Balagueró (Sleep Tight, [REC]) versteht es, die brenzligen Situationen in der Bank in Szene zu setzen. Gerade der ungewöhnliche Schutzmechanismus, bei dem es mehr braucht als bloße Safeknack-Zertifikate, ist schon mit einem gewissen Unterhaltungswert verbunden. Nur reicht das in der Summe nicht so wirklich, zumal der Film knapp zwei Stunden lang ist. Vieles hier ist zu generisch, anderes zu überzogen, da stimmt die Balance einfach nicht. Die historische Einbettung in die Fußballweltmeisterschaft 2010 ist recht dünn. Da zudem die diversen Humorversuche oft von überschaubarem Erfolg gekrönt sind, ist Crime Game zwar für absolute Fans des Heist-Movie-Genres eine sicheren Bank. Wer aber nur hin und wieder auf Beutezug gehen möchte, der schaut sich lieber woanders um.
OT: „The Vault“
AT: „Way Down“, „Countdown in Madrid“
Land: Spanien
Jahr: 2021
Regie: Jaume Balagueró
Drehbuch: Rowan Athale, Michel Gaztambide, Borja Glez. Santaolalla, Andres Koppel, Rafa Martínez
Musik: Arnau Bataller
Kamera: Daniel Aranyó
Besetzung: Freddie Highmore, Àstrid Bergès-Frisbey, Sam Riley, Liam Cunningham, Luis Tosar, Axel Stein, José Coronado, Famke Janssen
https://www.youtube.com/watch?v=Xp6nYaz9SIk
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