Die Aufgabe von Captain John Miller (Tom Hanks) könnte schwieriger kaum sein: Kurz nach der Landung in der Normandie erhält er den Befehl, einen Soldat namens James Ryan zu finden. Dessen Brüder sind im Krieg bereits alle gefallen, weshalb er selbst nach Hause geschickt werden soll, bevor es zu spät ist. Nur weiß niemand so genau, wo sich Ryan aufhält, seit seinem letzten Einsatz gilt er als vermisst. Doch Miller ist fest entschlossen, diesen Befehl auszuführen und seinen Kameraden sicher in die USA zurückzuschicken. Das bedeutet für ihn und seine Männer, dass sie sich bis tief ins Feindesland durchschlagen müssen. Dabei lässt er sich auch von den Gefahren und Opfern nicht abhalten. Gleichzeitig wachsen bei den anderen die Zweifel, wie sinnvoll ihre Mission ist …
Schwer verdaulich, sehr erfolgreich
Die Filmografie von Steven Spielberg gehört sicherlich zu den beeindruckendsten und spannendsten Hollywoods. Nicht nur dass der Regisseur unzählige große Hits geschaffen hat, die zum festen Kanon der Filmgeschichte gehören und dabei unzählige Kollegen und Kolleginnen inspiriert haben. Es ist auch die Vielfalt innerhalb dieser Hits, die wohl unerreicht ist. Von wohltuenden Familienabenteuern (E.T. – Der Außerirdische) bis zu furchteinflößenden Abenteuern (Jurassic Park) war da alles dabei, was das Blockbusterkino so hergibt. Und dann sind da noch die Filme, die sich dem Gefälligkeitsdenken verwehren und trotzdem die Kinokassen stürmten. Schindlers Liste muss an der Stelle natürlich genannt werden, sein erschütternder Ausflug in die Zeit des Holocausts. Und auch das einige Jahre später veröffentlichte Der Soldat James Ryan, mit dem er erneut im Zweiten Weltkrieg unterwegs war, war nicht unbedingt Stoff für die Kinocharts.
Dabei ist der Einstieg sogar noch ziemlich spannend, wenn wir „live“ bei der Landung in der Normandie dabei sind, eines der bedeutendsten Ereignisse in der Geschichte dieses Krieges. Immer wieder haben Filme auf diesen zurückgegriffen, um auf diese Weise Heldenepen erzählen zu können. Doch schon an der Stelle macht Spielberg klar, dass Der Soldat James Ryan kein solches sein soll. Die legendäre, schier endlos erscheinende Anfangssequenz ist nicht von Heldentaten geprägt, sondern vom Chaos. Der Regisseur wirft uns hier mitten ins Geschehen und lässt uns in diesem allein. Wir können zwar grob einordnen, wann und wo diese Szene spielt. Aber schon die Einteilung, wer da zu wem gehört, wen wir hier anfeuern sollen, geht in Explosionen, Rauch und Dreck unter. In einer rastlosen Sequenz taumeln wir durch ein Höllenszenario, das keinen Platz für Fragen und Antworten lässt.
Viele moralische Sinnfragen, kaum Antworten
Fragen kommen später dafür nicht zu wenige. Eine der großen: Warum sollen so viele Menschen ihr Leben riskieren, nur um das eines einzelnen Mannes zu retten? Zumal der titelgebende Soldat James Ryan niemand von Bedeutung ist, zumindest im Hinblick auf das Weltgeschehen. Er ist nur einer der unzähligen Männer, die irgendwo da draußen um ihr Leben kämpfen. Damit verbunden sind zwangsläufig ganz allgemeine Fragen zum Wert eines menschlichen Lebens. Was macht ein Leben wertvoller als ein anderes? Kann es überhaupt wertvoller sein? Gerade weil im Laufe des Films das Schicksal einzelner zur reinen Willkür wird, letztendlich der Zufall darüber entscheidet, wer weiterlebt und wer nicht, stellt sich die Sinnfrage bei der Betonung des Kollektivs gegenüber dem Individuum.
Antworten auf die gestellten Fragen gibt es hingegen nur selten. Der Soldat James Ryan zeigt die Zweifel und Unsicherheiten, die existenzielle Angst und die Sehnsucht nach einem Richtig und Falsch, ohne dass klar wird, wie das aussehen kann. Gerade die Entscheidung über Leben und Tod setzt den Männern zu und führt zu einer zunehmenden Entfremdung. Miller selbst, der als Captain die Soldaten bei ihrem Himmelfahrtskommando anführt, hat die Bedeutungshoheit über das, was er da tut, längst verloren. Und damit hat er auch einen Teil von sich selbst verloren: Der Mann, der eigentlich als Lehrer Kindern die Welt erklären soll, erkennt diese nicht mehr wieder. Und er erkennt sich selbst nicht mehr wieder, ist so sehr im täglichen Bombenhagel und der Entmenschlichung des Einzelnen verschwunden, dass er sich dafür fürchtet, seiner Frau gegenüberzutreten, aus Angst, er habe sich zu sehr verändert.
Mentale Tour de Force mit Langzeitfolgen
Die Rettungsmission wird auf dieser Weise nicht nur zu einer körperlichen Tour de Force, der die Männer jederzeit zum Opfer fallen können. Sie fordert vor allem auch mental ihren Tribut. Das wiederum geht am Publikum nicht spurlos vorüber, das im Laufe der fast drei Stunden dauernden Tortur implizit aufgefordert wird, selbst Stellung zu beziehen. Helden und Schurken sind nicht mehr voneinander zu unterscheiden, selbst die so oft in diesen Filmen glorifizierte Flagge bleibt blass. Ganz ohne Pathos kommt Der Soldat James Ryan dabei zwar nicht aus, zum Ende gibt Spielberg seinen manipulativen Tendenzen doch noch nach. Im Gegensatz zu vielen anderen, die von US-amerikanischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg erzählen, verzichtet er aber darauf, eindeutige Wertungen zu äußern. Am Ende gibt es deshalb auch nicht den Stolz, Teil eines großen Ganzen zu sein, sondern die Sorge, nicht gut genug gewesen zu sein.
OT: „Saving Private Ryan“
Land: USA
Jahr: 1998
Regie: Steven Spielberg
Drehbuch: Robert Rodat
Musik: John Williams
Kamera: Janusz Kamiński
Besetzung: Tom Hanks, Edward Burns, Matt Damon, Tom Sizemore, Jeremy Davies, Vin Diesel, Adam Goldberg, Giovanni Ribisi
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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Academy Awards | 1999 | Bester Film | Nominierung | |
Beste Regie | Steven Spielberg | Sieg | ||
Bester Hauptdarsteller | Tom Hanks | Nominierung | ||
Bestes Original-Drehbuch | Robert Rodat | Nominierung | ||
Beste Musik | John Williams | Nominierung | ||
Beste Kamera | Janusz Kaminski | Sieg | ||
Bester Ton | Gary Rydstrom, Gary Summers, Andy Nelson, Ron Judkins | Sieg | ||
Bester Schnitt | Michael Kahn | Sieg | ||
Bester Tonschnitt | Gary Rydstrom, Richard Hymns | Sieg | ||
Bestes Szenenbild | Thomas E. Sanders, Lisa Dean | Nominierung | ||
Bestes Make-up | Lois Burwell, Conor O’Sullivan, Daniel C. Striepeke | Nominierung | ||
BAFTA | 1999 | Bester Film | Nominierung | |
Beste Regie | Steven Spielberg | Nominierung | ||
Bester Hauptdarsteller | Tom Hanks | Nominierung | ||
Beste Musik | John Williams | Nominierung | ||
Beste Kamera | Janusz Kaminski | Nominierung | ||
Bester Ton | Gary Rydstrom, Ron Judkins, Gary Summers, Andy Nelson, Richard Hymns | Sieg | ||
Beste Spezialeffekte | Stefen Fangmeier, Roger Guyett, Neil Corbould | Sieg | ||
Bestes Szenenbild | Thomas E. Sanders | Nominierung | ||
Bester Schnitt | Michael Kahn | Nominierung | ||
Bestes Make-up/Haare | Lois Burwell, Jeanette Freeman | Nominierung | ||
Golden Globes | 1999 | Bestes Film (Drama) | Sieg | |
Beste Regie | Steven Spielberg | Sieg | ||
Bester Hauptdarsteller (Drama) | Tom Hanks | Nominierung | ||
Bestes Drehbuch | Robert Rodat | Nominierung | ||
Beste Musik | John Williams | Nominierung |
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