Margarethe von Dänemark (Trine Dyrholm) hat es geschafft und Anfang des 15. Jahrhunderts die zerstrittenen Reiche Dänemark, Norwegen und Schweden unter ihrer Vorherrschaft zu einer Allianz vereint. Der nächste Schritt ist es, sich auch mit den Briten zu verbünden, um auf diese Weise gewappnet zu sein für eine drohende Invasion der Deutschen aus dem Süden. Doch die Einigkeit wird auf eine harte Probe gestellt, als eines Tages ein junger Mann (Jakob Oftebro) auftaucht, der von sich behauptet, ihr tot geglaubter Sohn Olav zu sein. Während einige im Reich begeistert sind, dass der rechtmäßige König zurück sein soll, sind andere skeptisch und sehen in dem Fremden eine Bedrohung. Vor allem Margarethes Adoptivsohn Erik (Morten Hee Andersen), der selbst die Führung der Kalmarer Union für sich reklamiert, schäumt vor Wut, sieht er doch seine Machtambitionen in Gefahr …
Eine mächtige und kluge Herrscherin
Auch wenn sich in der Hinsicht in den letzten Jahrzehnten schon einiges getan hat, ganz selbstverständlich ist es in vielen Bereichen der Welt noch immer nicht, dass eine Frau an der Spitze eines Staates steht. Allein deshalb schon ist es irgendwie überfällig, dass jemand mal Margarethe I. ein filmisches Denkmal errichtet. Nicht nur dass diese schon vor über 600 Jahren ihre Heimat Dänemark regierte. Sie stand zudem einer machtvollen Union vor, indem es ihr zuvor gelungen war, ein Bündnis mit Norwegen und Schweden zu schmieden, das immerhin mehr als hundert Jahre halten und für stabile Verhältnisse im Norden Europas sorgen sollte. Die Königin des Nordens zeichnet hier das Bild einer mächtigen und klugen Frau, der es durch ihr Verhandlungsgeschick gelungen war, Frieden zu schaffen in einer Zeit, die eigentlich von Kriegen und Konflikten geprägt war.
Dabei lässt der Film keinen Zweifel daran, dass der Frieden immer auch fragil war. So lernen wir die Regentin zu einem Zeitpunkt kennen, als sie erneut große Heere aufstellt, dieses Mal, um die Aggressoren aus dem Süden aufzuhalten. Noch größer ist jedoch die Bedrohung aus dem Inneren. Auch wenn die drei Länder von der sogenannten Kalmarer Union profitierten, Eifersucht, Missgunst und die Gier nach Macht waren auf diese Weise nicht verschwunden. Die Königin des Nordens veranschaulicht die komplizierte Lage durch eine kleine Fußnote in der Biografie Margarethes, die bis heute nicht völlig geklärt ist. Zwar ist der Ablauf der Geschichte, wie sie Regisseurin und Co-Autorin Charlotte Sieling (Happy Ending – 70 ist das neue 70, The Man) erzählt, frei erfunden. Doch es gab wirklich den Mann, der eines Tages auftauchte und behauptete, der wahre Sohn der Herrscherin zu sein, von dem es hieß, er sei Jahre zuvor gestorben.
Viele Fragen, keine Antwort
Eine endgültige Antwort auf die Frage, wer dieser Mann war, liefert Die Königin des Nordens nicht. Wer sich den Film des Mystery-Faktors wegen anschauen möchte, der sollte sich das daher gut überlegen. Hier werden Hinweise in mehrere Richtungen gestreut, ohne sich festlegen zu wollen. Auch ein Schlachtengemälde sollte man sich von der europäischen Coproduktion besser nicht erwarten. Über die Gefahr des Krieges wird viel gesprochen, zu sehen ist davon jedoch weniger. Langweilig ist das Historiendrama, das auf den Nordischen Filmtagen Lübeck 2021 zu sehen war, deswegen aber nicht. Das verhindern allein schon die vielen Intrigen, die es am Hof von Margarethe und denen der anderen gibt. So kann sie sich bis zum Schluss nicht sicher sein, welche Absichten selbst die Leute aus ihrem engsten Umfeld hegen. Da hat dann doch jeder im Zweifel seine eigene geheime Agenda.
Im Mittelpunkt des Film stehen aber weder die Feinde noch die diversen Gefahren, die immer irgendwo lauern – oder lauern könnten. Stattdessen interessiert sich Sieling in erster Linie für die Hauptfigur. Was macht es mit einem Menschen, wenn er in einer derart bedeuten Position ist? Wie geht er mit der Verantwortung um, die er für sein Land hat? Die Königin des Nordens verdeutlicht dies an dem Geheimnis um den jungen Mann, der ihr Sohn sein könnte. Da Olav mehr als 15 Jahre zuvor gestorben sein soll und sie ihn entsprechend nicht wiedererkennen kann, bleiben ihr genug Raum für Zweifel, dass er es eventuell sein könnte. Auch wenn es unwahrscheinlich ist. Das wiederum stellt sie vor die schwierige Wahl zwischen ihrer Rolle als Mutter und als Herrscherin. Da werden die Gefühle einer Mutter und ihr Pflichtgefühl als Regentin gegeneinander ausgespielt. Sie muss eine Entscheidung treffen, wie sie grausamer kaum sein könnte, und bei der sie so oder so etwas verlieren wird.
Eindrucksvoll gespielt und zeitlos interessant
Der bekannten dänischen Schauspielerin Trine Dyrholm (Königin) gelingt es dabei eindrucksvoll, eben diesen Zwiespalt aufzuzeigen. Sie zeigt Margarethe als starke Frau, die dennoch ihre Menschlichkeit nicht verloren hat und die mit sich ringen muss, was die richtige Antwort ist. Das läuft teils über die Dialoge, wenn sie mit anderen am Hof ruhige, aber bestimmte Diskussionen führt und ihre Macht demonstrieren muss. Vieles läuft auch nonverbal, wenn die Risse in dieser kraftvollen Fassade sichtbar werden. Dass sich das Team diverse dichterische Freiheiten herausnahmen bei der Entwicklung der Geschichte, ist deshalb kein wirkliches Manko. In Die Königin des Nordens geht es um sehr viel grundsätzlichere Fragen, wenn eine herausragende historische Persönlichkeiten mit existenziellen Überlegungen zu Macht, Verantwortung und Gefühlen verbunden wird, die auch außerhalb dieses zeitlichen Kontextes interessant sind.
OT: „Margrete den første“
IT: „Margrete – Queen of the North“
Land: Dänemark, Schweden, Norwegen, Island, Tschechische Republik
Jahr: 2021
Regie: Charlotte Sieling
Drehbuch: Jesper Fink, Maya Ilsøe, Charlotte Sieling
Musik: Jon Ekstrand
Kamera: Rasmus Videbæk
Besetzung: Trine Dyrholm, Morten Hee Andersen, Søren Malling, Jakob Oftebro, Bjørn Floberg, Thomas W. Gabrielsson, Simon J. Berger, Hallóra Geirharðsdóttir
https://www.youtube.com/watch?v=nsB72wOzHsY
Wer mehr über den Film erfahren möchte: Wir konnten uns im Rahmen der Deutschlandpremiere von Die Königin des Nordens mit Regisseurin Charlotte Sieling und Hauptdarstellerin Trine Dyrholm unterhalten und haben ihnen in unserem Interview zahlreiche Fragen zum Historiendrama gestellt.
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