Echthaar ist mit 47 Screenings und 11 Auszeichnungen einer der erfolgreichsten studentischen Kurzfilme dieses Festivaljahres. Die Regisseure und Autoren des Films Dominic Kubisch und Christopher Palm sprechen im Interview über die Produktion, filmische Vorbilder, das Selbstverständnis des Films als Genrefilm und mehr.
Echthaar ist als Projekt an der Filmakademie Wien entstanden. Genrefilme sind aber eher ungewöhnlich an Filmschulen. Wie kam es dazu, dass ihr euch dafür entschieden habt, den Film zu machen?
Dominic: Wir sind beide fasziniert vom Genre, interessieren uns für die 50er, den Film Noir und generell Schwarz-Weiß Filme. Wir sehen Friseursalons als eine große Replik dieser Zeit. Außerdem war meine Großmutter von den Sechzigern bis Ende der Neunziger Jahre Friseurin. Dadurch, dass ich sie als Kind im Friseursalon oft besucht habe, war das ein Milieu, in dem ich mich ein bisschen auskannte. Deshalb war das Setting naheliegend. Außerdem wollten wir mal einen anderen Film machen als die für Filmschulen typische Dramen.
Christopher: Und es gab natürlich visuell viel her. Es war uns ganz wichtig, dass man da ein starkes Bild schafft.
Nur du, Dominic, studierst an der Filmakademie. Wie kam eure Zusammenarbeit zustande?
Dominic: Wir sind schon seit 2011 befreundet und haben schnell gemerkt, dass wir auf Ähnliches bei Filmen Wert legen und dass wir zusammen einen Film machen wollen. Diese Idee stand auch schon vor dem Studium an der Filmakademie.
Christopher: Das hat leider lange nicht geklappt, aber als Dominic seinen Abschlussfilm machen wollte und ich auch Zeit hatte, haben wir uns für den Film zusammengetan.
Plant ihr weitere gemeinsame Projekte?
Dominic: Es gibt Projekte, die darauf warten, ausentwickelt zu werden. Momentan arbeiten wir aber noch daran, Echthaar fertig zu verwerten. Er läuft bis Mitte April auf Festivals und danach wollen wir auf Streaming Anbieter zugehen und planen die Veröffentlichung auf einer frei zugänglichen Plattform. Uns fragen schon viele, wo der Film bleibt.
Euer Film sieht sehr hochwertig aus. Wie seid ihr mit dem geringen Budget des Films zurechtgekommen?
Dominic: Wir hatten das Glück, einige kleinere Förderungen von Land und Gemeinde zu bekommen. Auch die Filmakademie hat viele Mittel zur Verfügung gestellt. Aber der Großteil des Budgets haben natürlich die Ausstattung und die Anmietung des Salons verursacht. Das ganze Team hat dankenswerterweise gratis mitgearbeitet.
Gratis? Sind eure Darsteller:innen denn auch Studierende?
Dominic: Zu Sandra Hartlauer sind wir durch Christopher gekommen. Wir sind Castingbänder durchgegangen und er hat auf sie verwiesen. Wir haben uns dann mit ihr in einem Kaffee getroffen und es hat gepasst. Franz Weichenberger war ein Zufallsfund. Die Agentur Fürst, die eng mit der Filmschule zusammenarbeitet, hat uns auf ihn verwiesen, nachdem wir die Rollenbeschreibung angegeben haben.
Christopher: Wir haben ursprünglich mit einem anderen Hauptdarsteller geplant, der dann leider ausgefallen ist. Wir sind aber sehr zufrieden mit Franz und können uns das jetzt gar nicht mehr anders vorstellen.
Dominic: Sobald Franz den Kittel angezogen hat, war er der Friseur. Wir sind wirklich sehr glücklich mit ihm als Victor.
Wie sah die Zusammenarbeit mit anderen Beteiligten aus?
Dominic: Da muss man vor allem den Lead-Sounddesigner und Komponisten Jón H. Geirfinnsson hervorheben. Er ist Isländer und studiert bei uns am Institut der Elektroakustik. Er war ursprünglich zusammen mit Victoria Grohs nur für das Sounddesign zuständig, hat dann aber auch Originalmusik für eine Szene komponiert und uns ein Layout geschickt, das wir so toll fanden, dass wir die Zusammenarbeit im Hinblick des Original Scores intensiviert haben. Es ging später auch der Preis für Best Original Score beim Los Angeles Crime and Horror Film Festival an ihn.
Wie schon angesprochen, habt ihr in einem echten Friseursalon in Wien gedreht. Wie lief das ab?
Christopher: Wir haben den Laden gemietet, ihn nach Ladenschluss ab 18:00 etwas umgebaut und dann von 20:00 bis 04:00 Uhr gedreht. Das ging fünf Tage, was sehr eng bemessen war. Im Studio haben wir noch drei Tage nachgedreht. Unter anderem auch eine Greenscreen Szene mit Paula vor der Jukebox, bei der es aber von Anfang an klar war, dass wir sie nicht im Salon drehen können.
Sehr prägnant ist auch das Produktionsdesign eures Films. Wie lief das ab?
Dominic: Da möchte ich Christopher ein großes Lob zusprechen. Er ist der Art Director des Films. Als studierter Architekt hat er ein ganz anderes Gefühl für das Set als ich. Er hat sich beispielsweise auch die Puppen ausgedacht.
Christopher: Viel Arbeit bei der Umsetzung wurde uns natürlich dadurch abgenommen, dass der Salon schon ausgestattet war. Wir haben aber noch viele Details ergänzt. Beispielsweise die Schrift am Schaufenster und andere Kleinigkeiten, die den Salon zu dem machen, den wir uns erdacht haben.
Dominic: Nicht zu vergessen ist da auch unsere Szenenbildnerin Andrea Reitbauer. Sie hat zwar viel direkt von den Storyboards übernommen, hat aber auch viel Eigeninitiative gezeigt. Beispielsweise hat sie zeitlich authentische Shampoomarken recherchiert, um dann entsprechende Flaschen herzustellen. Dazu kam das ständige Auf- und Abbauen der Sets im Salon. Das war ein großer Teil der Produktion.
Ihr arbeitet ja nicht nur mit Original Score. Wie war euer Auswahlprozess für die sonstige Musik?
Christopher: Wir haben den Abschlusssong A World Appart irgendwann mal gefunden und wollten ihn unbedingt einbauen, weil er die Zeit und eine gewisse Melancholie sehr gut transportiert. Wir haben uns auch an vielen anderen Filmen orientiert, also sprich, wie da Intros oder die Zwischenräume gefüllt sind.
Dominic: Der Rest sollte Radiomusik aus den Fünfzigern sein, die auch die melancholische Stimmung transportiert. Wir hatten zig Titel zur Auswahl und haben uns dann für die zu hörende Selektion entschieden. Wir wussten aber, dass die Jukebox nur einen Song spielt und das war eben A World Apart.
Welche Bedeutung hat neben der Musik auch der sonstige Sound in eurem Film?
Dominic: Sounddesign war ein zentrales Element unseres Schaffens. Auch das frühe und direkte Einbinden unserer Sounddesigner:innen zeigt das. Jón war am Set mit dem Boom, hat alles miterlebt und wusste auch, dass wir mit Sound einen neuen Raum erschaffen wollten. Normalerweise sagt man, ein Film ist 50 % Ton, ich glaube, bei uns sind das 70 %. In einem Genrefilm muss Spannung mit dem Ton einhergehen.
Christopher: Allgemein ist die Soundebene sehr wichtig für uns, auch da wir so wenig Dialog haben.
Dominic: Genau, wir haben wirklich versucht, eigene Soundebenen zu schaffen. Der erste Stock klingt beispielsweise auch anders als das Erdgeschoss.
Ein normaler Friseursalon dient für viele ja auch als Ort der Aussprache. Warum habt ihr euch dafür entschieden, im Film so wenig mit Dialogen zu arbeiten?
Christopher: Wir haben uns auch an Dialogen abgearbeitet. Wir haben geschrieben und sogar teilweise schon gefilmt, dann aber gemerkt, dass es zu sehr vom eigentlichen Geschehen, von der Präsenz der Jukebox, ablenkt. Wir wollten auch vermeiden, dass ein Gefühl der Normalität aufkommt. Es soll eine unbehagliche Stimmung vorherrschen.
Ihr stellt den Sound sehr in den Vordergrund, aber Echthaar ist auch optisch sehr ausgefeilt. Was für visuelle Konzepte stecken hinter dem Film?
Dominic: Visuell sind wir recht strikt vorgegangen. Wir haben zusammen ein Storyboard entwickelt, das die Bilder ziemlich klar vorgegeben hat. Das hat auch die Arbeit und Kommunikation mit Maximilian Smoliner, unserem DOP, sehr erleichtert
Christopher: Diese strikte Planung hat sehr bei der Arbeit im Salon geholfen, da wir immer wussten, von wo wir welche Bilder brauchen. Aber natürlich hat Max auch Vorschläge geliefert, aus denen dann zum Teil neue Szenen geworden sind.
Dominic: Wir haben ursprünglich auch nur mit einer Etage geplant, aber als ein Locationscout uns den Salon empfohlen hat, haben wir gemerkt, dass es glücklicherweise auch die Galerie im Obergeschoss gibt. Max konnte sehr gut damit arbeiten, fast wie in einem Studio. Er hat oben Lichtaufbauten installiert, um sehr kontrastreiche Bilder zu schaffen, was natürlich nur mit Lichtern funktioniert, die von oben kommen. Entsprechend haben wir dann Drehbuch und Storyboard angepasst. Außerdem haben wir beide uns auch gut ergänzt. Christopher kommt ja, wie gesagt, ursprünglich von der Architektur und hat am Computer ein 3D-Modell des ganzen Salons erstellt. Dadurch konnten wir dann mit Winkeln herumprobieren. Anhand dieses Modells haben wir auch das Storyboard entwickelt.
Christopher: Genau, die Zeichnungen sollten die Stimmung vermitteln und das Modell die genaue Umsetzung.
Bei einem Schwarz-Weiß Film mit einem rauchenden Friseur ist die Assoziation zu The Man Who Wasn’t There naheliegend. Was sind Inspirationen für euren Film.
Dominic: Genau zum einen The Man Who Wasn’t There. Wir sind große Coen Fans und schätzen ihre Arbeit sehr. Aber auch Roman Polańskis Der Mieter und Ekel haben uns beeinflusst. Das Ende und Elemente der Musikverwendung sind sehr an Ekel angelehnt. Natürlich ist auch Hitchcock zu nennen. Viele unserer Zeichnungen und die Art Spannung zu erzeugen, ist von ihm inspiriert. Ein Kurzfilm, der uns indirekt sehr beeinflusst hat, ist Kitchen Sink von 1989. Der ist auch schwarz-weiß und sehr dialogarm und spielt ebenfalls mit dem Element der Haare. Das sind alles Vorbilder für uns, Leute deren Filme wir gerne sehen. Und wir wollten auch einen Film machen, den man sich gerne anguckt.
Christopher: Fast schon ein Märchen, das die Leute in eine andere Welt entführt. Völlig losgelöst von derzeitigen Problemen oder politischen Themen.
Dominic: Deswegen nutzen wir am Anfang auch diese seduktive Flöte, um die Leute quasi zu verzaubern und sie die Zeit vergessen zu lassen.
Ihr sagt, dass ihr den Film von tatsächlichen Problemen loslösen wollt. Dennoch bekomme ich von vielen Szenen durchaus auch politische oder gesellschaftskritische Assoziationen, beispielsweise über die Gefahr von Nostalgie oder weibliche Selbstbestimmung. Inwieweit übersteigt Echthaar damit den klassischen Genrefilm?
Dominic: Für uns war ganz klar, dass wir einen Genrefilm machen wollen. Aber natürlich stecken da auch andere Sachen drin. Es gibt viele verstreute Elemente, zum Beispiel die Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Maschine den Menschen auffrisst. Aber auch über das Verhältnis des Salons, Victors und den Puppen.
Christopher: Ist er Täter? Ist er Opfer? Das sind Dinge, die wir ganz bewusst offenlassen wollten.
Dominic: Wir selbst können diese Fragen auch nicht beantworten. Das Werk arbeitet schließlich für sich.
Euer Film lief sehr erfolgreich auf vielen internationalen Festivals. Er ist als deutschsprachiger Film im deutschsprachigen Raum aber nur auf dem blicke Filmfestival in Bochum gelaufen. Enttäuscht euch das?
Dominic: Man merkt, dass der Film gerade in den USA sehr gut funktioniert. Wir würden uns schon wünschen, dass der Film im eigenen Kulturkreis mehr gezeigt wird.
Christopher: Vielleicht ist der Film nicht politisch genug und deckt wenig Themen ab, die auf deutschsprachigen Festivals häufig im Fokus stehen. Aber das ist auch irgendwo in Ordnung.
Dominic: Man muss dazu sagen, es wäre für uns schon ein Erfolg gewesen, wenn unser Film auf einem Festival gelaufen wäre. Jetzt lief er auf 47 Festivals und hat elf Preise gewonnen. Echthaar ist schon immer ein Herzensprojekt gewesen und wir freuen uns wahnsinnig über den Erfolg.
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