Seit dem Tod ihres Vaters lebt Aschenbrödel (Astrid S) mit ihrer Stiefmutter (Ellen Dorrit Petersen) und deren Tochter Dora (Ingrid Giæver) auf dem Gut, das einst ihrer Familie gehört hatte. Von familiärem Zusammenhalt ist jedoch nur wenig zu spüren. Das Waisenkind hat schwer unter der Stiefmutter zu leiden, die in ihr nicht mehr als eine lästige Magd sieht und die sie immer wieder wie Dreck behandelt. Doch dann gelangt sie in den Besitz von drei magischen Haselnüssen, die es ihr ermöglichen, wie aus dem Nichts Gewänder herbeizuzaubern. Auf diese Weise verwandelt macht sie die Bekanntschaft des Prinzen (Cengiz Al), der in der Stadt ist und auf einem großen Ball eine Braut aussuchen soll. Eine der Anwärterinnen ist dabei ausgerechnet Dora …
Rückkehr eines Klassikers
Auch wenn man manchmal den Eindruck haben könnte: Drei Haselnüsse für Aschenbrödel ist kein rein deutsches Phänomen. Vielmehr genießt der Film von 1973, damals eine Coproduktion aus der Tschechoslowakei und der DDR, gleich in mehreren anderen Ländern Kultstatus. Und so stammt die Neuauflage dann auch nicht aus einem hiesigen Studio, wie man vielleicht erwarten konnte. Vielmehr nehmen sich die Norweger der Sache an und präsentieren ihre Version der Ereignisse, exklusiv auf Amazon Prime Video. Der Streamingdienst ist hierfür sicherlich keine unpassende Wahl, gab es dort vor einigen Monaten doch schon Cinderella. Beide Werke basieren auf derselben Geschichte. Božena Němcová, die Urheberin des zugrundeliegenden Märchens, hatte sich schließlich kräftig bei Aschenputtel bedient und ihre eigene Version daraus gemacht.
Im Gegensatz zur nahen Amazon-Verwandten gibt man sich bei Drei Haselnüsse für Aschenbrödel jedoch relativ klassisch. So hat sich an der Geschichte selbst praktisch gar nichts geändert. Hier wurde nicht versucht, das Märchen umzudeuten oder anderweitig zu modernisieren. Am Ende steht daher immer noch die heutzutage nicht mehr so ganz zeitgemäße Rettung der unterdrückten Stieftochter durch den Prinzen. Wobei diese hier mehr machen darf als beim klassischen Aschenputtel. Pfeil und Bogen sind dann doch kein zu erwartendes Accessoire bei einer künftigen Prinzessin. Im Vergleich zur 1973er Version ist der Film dennoch ein Rückschritt, da Aschenbrödel sehr viel zahmer auftritt als ihre Vorfahrin. Popsängerin Astrid S mag in ihrer Heimat Norwegen ein echter Star sein. Sie ist aber blasser als seinerzeit Libuše Šafránková, ihrer Figur mangelt es an Persönlichkeit.
Trotz Detailverbesserungen austauschbar
In anderer Hinsicht ist die Neuverfilmung dem Kultklassiker jedoch überlegen. Beeindruckend ist beispielsweise der Auftritt von Ellen Dorrit Petersen (The Innocents) als böser Stiefmutter. War diese seinerzeit ein eher plumper Bauern-Bully, ist die neue sehr viel unheimlicher und bedrohlicher. Auch durch Maske und Frisur wird sie im 2021er Drei Haselnüsse für Aschenbrödel zu einer bösartigen Hexe, bei der Grausamkeit und Intelligenz im Einklang sind. Im Gegenzug ist Dora nicht die verwöhnte Göre, der alles recht ist, was die Mama da macht. Eigentlich würde sie sich sogar gut mit ihrer Stiefschwester verstehen, so wird zwischendurch angedeutet, wäre da nicht die dominante Mutter, gegen die sie sich nicht durchzusetzen weiß. Das ist eine interessante Abwandlung des alten Prinzips, welches diesen Figuren keinen Charakter zugesteht und diese normalerweise zu einer reinen Funktion degradiert. Viel gemacht wird daraus aber nicht.
Ein großer Unterschied zur ersten Verfilmung ist, dass dieses Mal ganz andere Mittel zur Verfügung standen. Drei Haselnüsse für Aschenbrödel ist jetzt deutlich bildgewaltiger als die zwar hübsche, aber wenig beeindruckende erste Fassung. Die düsteren Aufnahmen entsprechen mehr der heutigen Vorstellung eines Kinofilms, als es das zur Weihnachtszeit unentwegt gezeigte erste Märchen tut, dessen heutige Popularität maßgeblich von Nostalgie geprägt ist. Regisseurin Cecilie A. Mosli hat eine aufwendigere, modernere Fassung vorgelegt, inklusive einem Bekenntnis zu Diversität – ein Gedanke, der seinerzeit noch sehr fremd war. Doch trotz des hohen Aufwandes und der Teilverbesserungen stehen die Chancen schlecht, dass sich der Film gegen den Klassiker durchsetzen wird. Vermutlich ist er in einem Jahr schon vergessen. Zum Teil liegt das daran, dass er von vornherein keine Chance hatte, gegen liebgewonnene Traditionen und Rituale kommt man schwer an. Aber es ist eben auch die besagte blasse Hauptfigur und der geringere Charme, mit dem das Werk zu kämpfen hat. Von der Stiefmutter einmal abgesehen ist da insgesamt einfach nichts, an das man sich im Anschluss wirklich erinnern würde oder müsste.
OT: „Tre nøtter til Askepott“
Land: Norwegen
Jahr: 2021
Regie: Cecilie A. Mosli
Drehbuch: Karsten Fullu, Kamilla Krogsveen, Anna Bache-Wiig, Siv Rajendram
Vorlage: Božena Němcová
Musik: Gaute Storaas
Kamera: Trond Tønder
Besetzung: Astrid S, Cengiz Al, Ellen Dorrit Petersen, Ingrid Giæver, Bjørn Sundquist, Thorbjørn Harr, Nasrin Khusrawi
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