Eigentlich dachte Serge (Michel Blanc), dass ihn nichts mehr aus dem Konzept bringen kann. Schließlich arbeitet der Arzt schon seit 20 Jahren für einen medizinischen Notfalldienst in Paris und hat in der Zeit alles gesehen. Bis er bei einem Einsatz Malek (Hakim Jemili) über den Weg läuft, der gerade in derselben Wohnung etwas zu essen ausliefern wollte. Der ist anfangs zwar nützlich, gleichzeitig aber auch irgendwie nervig. Und das kann der Doktor nun wirklich nicht gebrauchen, zu stressig ist seine Schicht, da sich an Heiligabend mal wieder niemand sonst für diese Aufgabe findet. Als sich Serge dabei jedoch verletzt und anschließend nur noch unter größten Schmerzen bewegen kann, bleibt ihm nichts anderes übrig, als Malek für seine Dienste einzuspannen. So soll er an seiner Stelle diese Nacht zu den Notfallpatienten fahren und in seinem Namen versorgen …
Die Komik einer Schicksalsgemeinschaft
Es ist ein aus Komödien bekanntes und immer wieder gern angewandtes Prinzip: Man nehme zwei Leute, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, und zwinge sie dazu, gemeinsame Sache zu machen. Das geht zwangsläufig mit vielen Reibungen einher, welche die Figuren zeitweise an den Rand des Wahnsinns treiben. Aber das Publikum freut es. Beispiele für solche komischen Schicksalsgemeinschaften gibt es jede Menge, von Nur 48 Stunden bis zu Red Notice kürzlich. Eigentlich durfte man meinen, in der Hinsicht dann auch alles schon einmal gesehen zu haben. Ein Doktor auf Bestellung belehrt die Zuschauer und Zuschauerinnen aber eines Besseren. Zwar ist der französische Film genauer betrachtet auch nicht mehr als eine Variante dieses Prinzips. Zumindest aber ist das Szenario tatsächlich originell.
Es ist zudem von einer nicht zu übersehenden gesellschaftlichen Relevanz. Dass die Gesundheitssysteme nicht so robust sind, wie man sich das wünschen würde, hat der Extremfall der Corona-Pandemie aufgezeigt, in der gnadenlos die Fehlentwicklungen offenbart wurden. Bei The Night Doctor, einem weiteren französischen Film, wurde anhand eines umherfahrenden Arztes deutlich, wie groß der Druck ist, wie stark die Unterfinanzierung. Auch beim thematisch verwandten Ein Doktor auf Bestellung schimmert diese Kritik immer wieder durch, wenn Serge als einziger an Heiligabend unterwegs ist und deshalb trotz großer Schmerzen weitermacht, dabei sogar zu einer Verzweiflungstat bereit ist – er lässt jemand anderen Mediziner spielen, damit es überhaupt irgendwie weitergeht. Denn wenn er es nicht macht, macht es niemand.
Zwischen Ernst und Klamauk
Auch an anderen Stellen baut Regisseur und Co-Autor Tristan Séguéla ernstere Themen ein. Vor allem die traurige Hintergrundgeschichte von Serge, von der wir nach und nach erfahren, trägt dazu bei, dass Ein Doktor auf Bestellung bei aller Komik doch noch eine sehr menschliche Komponente hat. Der grimmige alte Mann, dem ein Hang zum Alkohol nachgesagt wird, ist zwar noch immer im Einsatz für andere Menschen und fühlt sich seinen Patienten und Patientinnen verbunden. Aber man merkt, dass in ihm etwas zerbrochen ist und zu Verhärtungen geführt hat. Im Gegensatz dazu ist Malek eher ein Hallodri, der tatsächlich noch mit Lebensfreude unterwegs ist – daher der große Kontrast. Beiden gemeinsam ist jedoch ihre jeweilige Hilfsbereitschaft, was angesichts der Situation auch eine dringend notwendige Grundvoraussetzung ist.
Dieser Wechsel von Gemeinsamkeit und Gegensatz funktioniert ganz gut, auch weil Michel Blanc (Die Super-Cops – Allzeit verrückt!) und der Komiker Hakim Jemili für ihre jeweiligen Rollen prima besetzt sind. Der Humor ist dabei von einer eher schlichteren Natur. Ein Doktor auf Bestellung setzt an vielen Stellen schon auf Klamauk, wenn beispielsweise Malek sich mit diversen Körperöffnungen seiner Patienten und Patientinnen beschäftigen muss. Anspruchsvoll ist das nicht. Insgesamt stimmt der Unterhaltungsfaktor jedoch. Bei der episodenhaften Geschichte, die von einem Einsatz zum nächsten springt, ist immer mal wieder etwas dabei, wofür sich das Einschalten lohnt. Der versöhnliche Ton bringt zudem das von vielen herbeigesehnte Wohlfühlende mit sich. Damit mag Séguéla nicht unbedingt Filmgeschichte schreiben. Aber es reicht doch für einen spaßig-sympathischen Publikumsliebling, der unter besseren Umständen hierzulande sicher ein größeres Publikum gefunden hätte.
OT: „Docteur ?“
Land: Frankreich
Jahr: 2019
Regie: Tristan Séguéla
Drehbuch: Tristan Séguéla
Musik : Grégoire Hetzel
Kamera: Frédéric Noirhomme
Besetzung: Michel Blanc, Hakim Jemili, Solène Rigot
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