In Ein Hauch von Amerika spielt Elisa Schlott die Bauerstochter Marie Anfang der 1950er, die durch die Begegnung mit der US-amerikanischen Besatzung ihr komplettes Leben überdenkt und sich in den dunkelhäutigen Soldaten George Washington (Reomy D. Mpeho) verliebt. Damit bringt sie nicht nur ihr Umfeld gegen sich auf. Auch bei der US-Armee sieht man die Verbindung zwischen einer weißen Frau und einem schwarzen Mann nicht gern. Zum TV-Termin der Serie am 1. Dezember 2021 im Ersten unterhalten wir uns mit der Schauspielerin über überfällige Entwicklungen, schwierige Freundschaften und das Konzept der Freiheit.
Warum haben Sie bei Ein Hauch von Amerika mitgespielt? Was hat Sie an dem Stoff gereizt?
Für mich war vor allem die Figur der Marie interessant, die im Laufe der Serie eine große charakterliche Entwicklung mitmacht. Sie krempelt sich gefühlt um 180 Grad um. Klar hat mich auch die Zeit interessiert, weil sie sehr spezifisch an einem Ort ist, der in Deutschland auch noch nicht so beleuchtet wurde.
Wie würden Sie Ihre Figur denn beschreiben? Wer ist Marie?
Marie ist eine Bauerstochter, die sehr traditionell und katholisch erzogen worden ist. Sie trägt sehr starke moralische Werte in sich. Sie ist sehr verwurzelt in ihrer Heimat und ihrer Familie. Sie ist sehr kernig und impulsiv, sehr willensstark. Sie hat eine wahnsinnige Energie.
Wie haben Sie sich auf diese Figur vorbereitet?
Was für mich spannend war, was es heißt, auf einem Bauernhof zu leben und zu arbeiten. Ich bin ja durch und durch Stadtkind und hatte bislang keine Ahnung davon. Ich war deshalb zur Vorbereitung auf einem kleinen Bio-Bauernhof am Rande von Berlin und habe dort einfach mal so ein bisschen mitgearbeitet. Das hat mir geholfen, ein Gefühl für diese Figur zu bekommen. Dann habe ich auch mit einem Coach an einer Familienaufstellung gearbeitet. Wir haben Personen, aber auch bestimmte Begriffe wie Krieg und Frieden aufgestellt und geschaut: Wie fühlt sich das an? Was sind die inneren Ziele und Motivationen der Figuren? Das war der Versuch, ein bisschen in das Unterbewusste der Figuren hineinzukommen.
Sie haben schon gemeint, dass diese Zeit sehr speziell war. Wie schwierig war es für Sie, sich in diese Zeit hineinzufühlen?
Das wird einem eigentlich ziemlich leicht gemacht durch das Setting, die Ausstattung und die Kostüme. Das ist immer eine kleine Zeitreise, wenn du an einem solchen Set stehst. Da mache ich mir keine großen Gedanken, wie ich mich hineinfühle. Das passiert einfach durch die äußeren Umstände. Natürlich ist Ein Hauch von Amerika aber auch noch einmal etwas anders, wenn es um Themen wie Krieg und Frieden geht, was für uns unvorstellbar ist. Deswegen war diese Aufstellung so hilfreich, um einen Zugang zu finden.
Die Geschichte, die Sie in Ein Hauch von Amerika erzählen, spielt vor 70 Jahren. Was macht sie für ein heutiges Publikum noch relevant?
Wir behandeln in der Serie sehr viele Themen. Da geht es um die deutsch-amerikanische Freundschaft, es geht um die Emanzipation der Frauen, es geht um Sexismus und Rassismus. Da wird eine Menge verhandelt, was heute nach wie vor aktuell ist. Alleine schon die deutsch-amerikanische Beziehung ist schon spannend genug, wenn man sich die Entwicklung im Laufe der Jahre anschaut, zuletzt auch während Trump. Wir zeigen bei uns die Wurzeln dieser Freundschaft. Aber auch die Rassismus-Debatte, die gerade so groß ist wie schon lange nicht mehr, ist für ein heutiges Publikum wichtig, weil sie Teil unserer Geschichte ist.
Diese deutsch-amerikanische Beziehung wird in Ein Hauch von Amerika schon recht ambivalent dargestellt. Auf der einen Seite gibt es Leute, die klar davon profitieren, dass die Amerikaner da sind. Andere, wie die Familie von Marie, werden einfach enteignet. Ist die Präsenz der Amerikaner da mehr Segen oder Fluch?
Das stimmt natürlich, dass das nicht ganz eindeutig war. Aber ich würde in der Summe schon sagen, dass es gut war, dass die Amerikaner da waren. Die Bauern waren schon vorher verarmt, als noch die Franzosen da waren. Die Amerikaner haben durch ihre Präsenz nicht nur Kulturgut, sondern auch Reichtum mitgebracht.
Sie haben eingangs erwähnt, dass Marie während dieser Zeit eine große Entwicklung durchmacht. Wie kommt es dazu?
Marie gehört zu jenen Frauen, die einen Job bei den Amerikanern bekommen. Sie arbeitet bei ihnen als Haushaltshilfe und trifft dabei eine Frau, die in ihr Potenzial sieht und zu einer Art Mentorin wird. Durch sie kommt Marie in Berührung mit amerikanischem Kulturgut, mit Literatur, aber auch mit dem Konzept der individuellen Freiheit. Das wird für sie zu einer Horizonterweiterung, da sie zuvor ein wenig ausgehungert ist, was ihren Intellekt angeht. Das ist der große Entwicklungsbogen, der durch diese Begegnung, aber auch die Liebe zum amerikanischen Soldaten George initiiert wird.
Ist diese Marie, wie wir sie am Ende sehen, ein anderer Mensch geworden oder hat sie dadurch zu sich gefunden? In der Serie wird ja die Frage gestellt, wer man eigentlich ist.
Ich würde sagen, dass sie zu sich gefunden hat und zu diesem Kern, der in ihr war und zu dem sie vorher keinen Zugang hatte, weil es die Umstände nicht zugelassen haben.
Wie sehr sind wir als Menschen das Ergebnis dieser Umstände und äußeren Einflüsse? Wie viel ist angeboren?
Unsere Serie zeigt, wie sehr uns die Gesellschaft prägt und wie schnell das auch geht. In „Ein Hauch von Amerika“ zeigen wir eine Zeit des Umbruchs, in der sich die Gesellschaft wandelt, was wiederum auch die Figuren beeinflusst. Klar können wir uns zu einem gewissen Grad auch emanzipieren von unserem Umfeld. Aber alleine schon Faktoren wie die Bildung, die wir bekommen, macht einen wahnsinnig großen Unterschied.
Eine von Maries Veränderungen besteht darin, dass sie sich von Siegfried trennt, der auch für ihre Vergangenheit steht. Trennt sie sich von ihm, weil sie sich verändert hat oder weil er sich verändert hat? Der Krieg hat ja auch bei ihm Spuren hinterlassen.
Ich würde sagen beides auf jeden Fall. Marie hält am Anfang zu Siegfried, weil dies Teil ihrer Erziehung und ihrer moralischen Werte ist. Die sind so stark in ihr verankert, dass klar ist, dass sie ihn heiraten wird. Sie waren schon verlobt und sie hat ihm ihr Wort gegeben. Sich aus dieser Konvention zu befreien und ihr eigenes Glück zu suchen, ist aber Ausdruck davon, dass sie angefangen hat, sich zu verändern und ihre eigenen Werte zu hinterfragen. Siegfried hat sich aber auch komplett geändert durch den Krieg und die russische Gefangenschaft. Er kommt als ganz anderer Mensch zurück.
Sie findet zu dieser Zeit eine neue Liebe in Gestalt von George, für die es aber in dem Dorf keinen Platz gibt, weshalb sie darüber nachdenken fortzugehen. Ist das etwas, das Sie nachvollziehen können, wirklich alles hinter sich zu lassen der Liebe wegen? Sie zieht ja nicht nur weg, sondern riskiert den kompletten Bruch.
Aus der Sicht von Marie kann ich das total nachvollziehen. Sie hat mit so vielen Widerständen zu kämpfen, an denen sie nicht vorbei kann, dass es für sie irgendwann einfach aussichtslos ist. Du warst damals so gebrandmarkt, wenn du mit einem Schwarzen zusammen warst, so in der Gesellschaft unten durch, dass es keine wirkliche andere Chance gab. Ob es die bessere Wahl war, nach Ostdeutschland zu gehen, sei mal dahingestellt. Aber es fehlten eben die Alternativen. Nach Amerika konnten sie auch nicht, da wäre dasselbe Problem gewesen.
Was in dem Zusammenhang interessant ist: In der Serie wird viel darüber diskutiert, welches Land die meiste Freiheit hat. Anfangs scheint es so, als wäre Amerika das Land der Freiheit. Später wird gesagt, dass man in Westdeutschland mehr Freiheiten hat. Zum Schluss geht es nach Ostdeutschland, was für uns immer das Symbol der Unfreiheit war. Gab es überhaupt ein Land, das wirklich frei war?
Tja, irgendwie nicht. Freiheit ist aber auch ein wahnsinnig großer Begriff. Es gibt so viele Kategorien, nach denen man Freiheit definieren kann. Außerdem hängt die Freiheit natürlich auch davon ab, wer du bist. Gerade damals wurden die Menschen in verschiedene Kategorien eingeteilt, bei denen nicht alle dasselbe durften. Zum Teil ist das auch heute so. Deswegen haben manche Leute innerhalb desselben Landes mehr Freiheiten als andere, weswegen es schwierig zu sagen ist: Dieses Land ist freier als die anderen. Das hängt dann doch sehr von den individuellen Lebensumständen ab.
Würden Sie denn sagen, dass wir heute in Deutschland in einem freien Land leben?
Für mich persönlich würde ich sagen, dass ich sehr frei bin und privilegiert lebe. Aber mir ist klar, dass es viele Menschen hier gibt, die nicht diese Freiheiten haben.
Was bedeutet für Sie selbst denn Freiheit? Woran macht sich das fest? Sie meinten ja schon, dass dieser Begriff nicht einfach zu definieren ist.
Für mich bedeutet Freiheit vor allem, mich frei äußern zu dürfen und frei bewegen zu können. Aber auch gleichberechtigt zu sein als Frau und in meiner Sexualität. Da könnte man noch viel mehr anbringen. Aber spontan würde ich das sagen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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