Führerschein und nichts wie weg La bonne conduite arte
© Christine Tamalet/La Boite à Images

Führerschein und nichts wie weg

Inhalt / Kritik

Führerschein und nichts wie weg La bonne conduite arte
„Führerschein und nichts wie weg“ // Deutschland-Start: 17. Dezember 2021 (Arte)

Viele Jahre war Pierre (Alban Lenoir) nicht mehr in seiner Heimat gewesen. Das lag einerseits an seinem Beruf, schließlich ist der Unteroffizier viel im Ausland. Er hatte aber auch kein allzu großes Bedürfnis, will seine chaotische Herkunft lieber vergessen. Als er erfährt, dass sein Vater Serge (André Wilms) schwerkrank ist, beschließt er dennoch die Rückkehr. Mehr noch, er übernimmt die Arbeit in der kleinen Fahrschule seines Vaters, wo er zusammen mit Félix (Olivier Saladin) den Leuten in der Gegend das Fahren beibringen soll. Einfach ist das nicht, da sie alle auf ihre Weise sehr speziell sind und nicht so viel mit Disziplin anfangen können. Vor allem Rachid (Aïmen Derriachi) bereitet ihm viel Ärger. Dabei hat er deutlich mehr mit diesem gemeinsam, als ihm zunächst bewusst ist …

Eine Fahrschule als Mikrokosmos

Wer eine Vielzahl unterschiedlicher Geschichten über Menschen erzählen möchte, wählt in Filmen und Serien gern einen Schauplatz, an dem diese mehr oder weniger zufällig zusammenkommen. Das können beispielsweise Flughäfen sein (Wenn das fünfte Lichtlein brennt) oder auch ein Einkaufszentrum (Am Anschlag – Die Macht der Kränkung). Orte, die erst einmal nichts über die Leute aussagen, die diesen frequentieren. Bei Führerschein und nichts wie weg ist es die Fahrschule von Serge, die zu einem kleinen Mikrokosmos wird. Im Laufe der rund anderthalb Stunden lernen wir dabei die verschiedensten Charaktere kennen, denen lediglich gemeinsam ist, dass sie Autofahren lernen wollen. Männer und Frauen, Alte und Junge, Kompetente und weniger Kompetente.

Wobei eines haben die meisten dann doch gemeinsam: Sie sind tendenziell eher skurril angelegt. Bei vielen Figuren war Regisseur und Drehbuchautor Arnaud Bédouet offensichtlich darauf aus, dass sie in erster Linie Lacher erzeugen sollen. Da ist beispielsweise Nasser (Riadh Belaïche), der ständig telefoniert, weil das für seine – bislang eher wenig erfolgreichen – Ambitionen als Geschäftsmann notwendig ist. Wer was ist, der ist immer erreichbar. Selbst wenn er es nicht sein darf. Mata (Jisca Kalvanda) wiederum missbraucht die Fahrstunden ganz gerne mal, um die Verwandtschaft herumzukutschieren. Diese geballte Regellosigkeit wird bei Führerschein und nichts wie weg in Kontrast zu Pierre gestellt, der von seiner Zeit beim Militär Disziplin und Ordnung gewohnt ist und deswegen ständig Konflikte eskalieren lässt. Widerspruch? Nicht mit ihm!

Spaß an der Oberfläche

Sonderlich anspruchsvoll ist ein solcher Humor natürlich nicht. Auch bei der Abwechslung lässt der Film ein wenig zu wünschen übrig: Die höhere Zahl an Charakteren, die in dem Auto ein- und aussteigen, führt dazu, dass kaum jemand nennenswert vertieft wird. Das trifft nicht nur auf die reinen Comic-Relief-Figuren zu, die nie mehr als eine Eigenschaft oder Besonderheit haben dürfen. Auch die bedeutenden Protagonisten und Protagonistinnen bleiben in Führerschein und nichts wie weg eher schemenhaft. Rachid etwa, dessen Wichtigkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt deutlich wird, bleibt der ruppig-abweisende Problemjugendliche, der gerne mal die Klappe aufreißt. Zwar kommt es zu einer Annäherung zwischen ihm und Pierre. Viel mehr erfährt man dadurch aber nicht.

Zudem verpasst es Bédouet, seiner Geschichte eine Relevanz zu geben, die über die einzelne Situation hinausgeht. Die Kunst der Nächstenliebe etwa, das sowohl in einem Sozialzentrum wie auch einer Fahrschule spielt, nutzt die diversen Einzelschicksale, um etwas über ein Frankreich an den Rändern zu sagen. Bei Führerschein und nichts wie weg hätte sich das angeboten, da es überwiegend um Personen mit Migrationshintergrund geht, dazu in einer sozial schwachen Gegend. Natürlich muss nicht jeder Film, der in einem solchen Umfeld spielt, zu einem Problemdrama gemacht werden. Ein bisschen beliebig ist das hier aber schon, da fehlt es einfach an Substanz.

Nette TV-Komödie

Das bedeutet nicht, dass man hiermit seine Zeit verschwendet. Zwischendurch macht Führerschein und nichts wie weg durchaus Spaß. Gerade der Kontrast zwischen dem No-Nonsense-Auftritt von Alban Lenoir (Verirrte Kugel, 15 Minutes of War) und seiner Chaostruppe beschert einem zu Beginn ein paar amüsante Momente. Außerdem ist es natürlich auch immer ganz rührend, wenn Verlierertypen etwas schaffen – hier den Führerschein – oder sich entfremdete Menschen irgendwie annähern. Es wird nur nie mehr als eine nette TV-Komödie draus, wenn sich der Film trotz der skurrilen Figuren zu sehr an Konventionen festhält. Nennenswerte Überraschungen gibt es nicht, von einem gelüfteten Geheimnis einmal abgesehen. Die Handlung verläuft über weite Strecken genau so, wie man sich das erwarten würde. Das Ergebnis ist zwar trotz allem sympathisch und unterhaltsam, mehr sollte man aber nicht erwarten.

Credits

OT: „La bonne conduite“
Land: Frankreich
Jahr: 2021
Regie: Arnaud Bédouet
Drehbuch: Arnaud Bédouet
Musik: Philippe Miller
Kamera: Marc Romani
Besetzung: Alban Lenoir, Olivier Saladin, André Wilms, Aïmen Derriachi, Naïlia Harzoune, Jisca Kalvanda, Riadh Belaïche, Tata Milouda, Benjamin Quique

Bilder

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„Führerschein und nichts wie weg“ spielt in einer Fahrschule, in der ein ordnungsliebender Unteroffizier an der Chaostruppe verzweifelt. Das ist unterhaltsam und sympathisch, jedoch nicht sonderlich tiefgründig: Die Figuren bleiben schematisch, der Humor lässt Abwechslung vermissen.
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