Holy Beasts

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Inhalt / Kritik

Holy Beasts
„Holy Beasts“ // Deutschland-Start: 13. Dezember 2021 (MUBI)

In seiner Heimat, der Dominikanischen Republik, gilt der Regisseur Jean-Louis Jorge in der Kunstszene als eine Legende und war gerade in den 1970er Jahren eine prägende Figur. Doch für Vera (Geraldine Chaplin) war er auch ein langjähriger Weggefährte, der nach seinem Tod ein großes Loch in ihrem Leben hinterlassen hat. Und so sieht sie es als ihre Aufgabe an, ein noch unverfilmtes Drehbuch ihres verstorbenen Freundes zu inszenieren. Nicht nur will sie Regie führen bei dem ehrgeizigen Projekt, für das ihr Freund Victor (Jaime Pina) bereits die Finanzierung gesichert hat, sondern auch die Hauptrolle übernehmen. Es soll zugleich ihre letzte Rolle als Schauspielerin sein,  weshalb ihre Instruktionen an Victor besonders detailliert ausgefallen sind. Umso größer ist ihr Frust, als sie das Set besichtigt. Sie sieht sich von Victor verraten und hofft bei ihrem Kameramann Martin (Luis Ospina) und ihrer männlichen Hauptrolle, Henry (Udo Kier), mehr Rückendeckung für ihre Vision des Drehbuchs zu erfahren. Während Martin sich jedoch aus den Streitigkeiten mehrheitlich heraushält, verkompliziert Henry die Angelegenheiten noch zusätzlich durch seine Launenhaftigkeit und seine eigenen, divergierenden Ideen für die Inszenierung.

Wildkatzen und Partys

Am 13. März 2000 wurde der dominikanische Regisseur und Produzent Jean Louis Jorge in seiner Wohnung ermordet und hinterließ eine Lücke in der Kulturszene seiner Heimat, die nur schwerlich zu füllen ist. Seine Filme wie La serpiente de la luna de los piratas (1973) oder Melodramé (1976) sind Abbilder der turbulenten 1960er und 1970er Jahre und lassen sich mit den filmischen Werken eines Avantgarde-Künstlers wie Andy Warhol vergleichen. In ihrem Film Holy Beasts zollen die Filmemacherinnen Laura Amelia Guzmán und Israel Cárdenas (Sand Dollars) dem Schaffen des Regisseurs Tribut, jedoch nicht in Form eines Biopics, sondern durch ein Werk, welches nicht nur den Wurzeln des Regisseurs treu bleibt, sondern zugleich eine Meditation über das Medium an sich ist.

Wenn man so will ist der spanische Titel des Filmes, La fiera y la fiesta, eine wesentlich bessere Wahl, zeigt er doch an, auf was für eine Art Film man sich als Zuschauer bei Holy Beasts einlässt. Zwar geht es um die Produktion eines Filmes, doch eigentlich zeigt die Kamera oft eine Mischung aus Partys, Überlegungen über Kunst und Freundschaft sowie Vera und wie sie mit ihrem Projekt hadert. Die mittlerweile gängige Praxis des Meta-Films oder vielmehr Meta-Narrativs bildet die Grundlage eines oftmals assoziativ wirkenden Skripts, in dem die einzelnen Handlungen und Charaktere ineinander übergehen, in der Realität nicht mehr von Fiktion zu unterscheiden ist. Chaplin und Kier dominieren durch ihre Präsenz jede Szene, sie durch die Eleganz einer Diva, die sich auf dem Höhepunkt ihres Könnens wähnt, und er durch seine manische Energie.

Einstudiertes Simulacrum

Um ihrem Team die nötige Inspiration für das Projekt zu geben, doch auch um in Erinnerungen an die gemeinsame Zeit zu schwelgen, wird auf einer Party kurz vor Drehbeginn ein alter Kurzfilm Jorges gezeigt. Ohne Ton und in einem unscharfen VHS-Format flimmern die Bilder über die kleine Leinwand, während die alten Freunde des Regisseurs scheinbar nostalgisch, wissen die jungen Darsteller nicht wirklich viel mit diesen anzufangen. Der Film, in diesem Falle Holy Beasts an sich, wie auch der Film-im-Film erinnern immer mehr an jenes Format dieser Projektion, deren Machart und deren Ästhetik, in welcher die Aufhebung beider Ebenen, der Fiktion wie auch der Realität, erzielt werden soll. Wie ein „einstudiertes Simulacrum“, wie es an einer Stelle heißt, wirken beide Ebenen.

Die Erfahrung für den Zuschauer ist dabei eine Mischung aus Abschreckung vor der abstrakten Machart des Filmes, doch andererseits auch eine gewisse Faszination, der man sich nicht entziehen kann. Neben den Darstellern sind es vor allem die Bilder von Israel Cárdenas, welche die Sogkraft von Holy Beasts ausmachen und ihm eine sehr eigenwillige Atmosphäre verleihen.

Credits

OT: „La fiera y la fiesta“
Land: Dominikanische Republik, Argentinien
Jahr: 2019
Regie: Laura Amelia Guzmán, Israel Cárdenas
Drehbuch: Laura Amelia Guzmán, Israel Cárdenas
Musik: Leandro de Loredo
Kamera: Israel Cárdenas
Besetzung: Geraldine Chaplin, Udo Kier, Jackie Ludueña, Jaime Pina, Luis Ospina, Pau Bertolini, Fifi Poulakidas, Jeradin Ascenio

Trailer

Filmfeste

Berlinale 2019

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„Holy Beasts“ ist ein Arthouse-Drama über die Wirkung von Kunst und deren Rezeption. Vielleicht kommt man der Person Jean-Louis Jorge nicht unbedingt nahe, dafür aber nähern sich Laura Amelia Guzmán und Israel Cárdenas dessen Kunst- und Lebensdefinition an und wo sich diese beiden Ebenen miteinander kreuzen. Das ist durchweg sehr eigenwillig und nicht immer schlüssig, aber dafür sehr interessant anzusehen.
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