An Themen, über die man sich streiten kann, mangelt es wohl kaum. Potenziell kann alles irgendwie zu einem Problem erklärt werden, für welches man sich die Köpfe einschlägt. Kaum eines entzweit die Menschen aktuell jedoch mehr als das der Impfung gegen Covid-19. Natürlich hatte es schon früher Impfgegner und Impfgegnerinnen gegeben, die eine Begegnung mit der Schulmedizin vehement ablehnen. Doch die Corona-Pandemie hat das Ganze noch einmal verstärkt. Das liegt einerseits natürlich daran, dass das Thema auf einmal weltweit ansteht und mehrere Milliarden Menschen betroffen sind. Da ist die Publicity eine ganz andere. Aber es ist auch der Kontext Corona selbst, welcher überall Leute auf die Barrikaden treibt und für enorme Wut bis zu Morddrohungen sorgt. Schließlich leiden wir alle unter den Maßnahmen, da wächst die Sehnsucht nach einer einfachen Antwort.
Hintergründe der Ablehnung
Die Arte-Dokumentation Impfgegner – Wer profitiert von der Angst? befasst sich mit dem Thema, setzt dabei aber schon vorher an. Zwar spielt Corona hier erwartungsgemäß eine große Rolle. Wichtiger war es dem Redaktionsteam aber, ganz grundsätzlich über das alles hier nachzudenken und Hintergründe zu liefern, woher diese enorme Ablehnung stammt. Ein Name, der in dem Zusammenhang immer wieder genannt wird, ist der von Andrew Wakefield. Der führte einst eine Untersuchung durch, an deren Ende der Verdacht stand, dass die Kombination mehrerer Impfungen auf einmal – gegen Mumps, Masern und Röteln – das Immunsystem von Kindern überfordern und damit Autismus verursachen könnte. Das ist inzwischen längst widerlegt, Wakefield verlor seine Zulassung als Arzt, musste seine Heimat England auch verlassen, um dann in den USA weiterzumachen. Doch der Schaden war angerichtet.
Welche Motive ihn zu seinen Aussagen veranlassten, darüber lässt sich nur spekulieren – nicht zuletzt, da die Ikone der Impfverweigerer für den Dokumentarfilm nicht zur Verfügung stand. Andere beschreiben ihn aber als gefährlichen Narzissten, der schon aus Prinzip keinen Irrtum zugeben würde. Zumal er Mittel und Wege gefunden hat, von dem Misstrauen zu profitieren, das er gesät hat. Bei ihm und anderen Mahnern zeigt sich eine perfide Geschäftsidee: Er schafft ein Problem, das es nicht gibt, und verkauft anschließend eine Lösung, die es nicht braucht. Das klingt erst einmal absurd, ist aber lukrativ. „mpfgegner – Wer profitiert von der Angst? zeichnet das Bild eines milliardenschweren Marktes, der mithilfe von Falschaussagen und alternativen Antworten ein Leben im Luxus erlaubt und sich gleichzeitig als wohlmeinend verkauft.
Ein Kampf gegen die Angst
Aber nicht jeder, der gegen Impfungen hetzt, macht daraus ein Geschäft. Impfgegner – Wer profitiert von der Angst? lässt deshalb gerade solche Leute zu Wort kommen, die irgendwie von dieser Strömung mitgenommen wurden. Da ist die homöopathische Ärztin, der man tatsächlich abnimmt, dass sie sich Sorgen um die Menschen macht. Da ist der Bio-Bauer, der seine Waren auf dem Markt verkauft und dessen Impfskepsis Folge einer grundsätzlichen an der Natur ausgerichteten Weltsicht ist. Diese „echten“ Impfgegner haben dann auch kein Problem damit, vor die Kamera zu treten und für ihre Ansichten einzustehen. Sie werden in dem Film nicht verurteilt. Zumindest bei ihnen geht es nicht darum, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Es gibt ein echtes Interesse, sie verstehen zu wollen.
Lösungsansätze finden sich bei dieser Herangehensweise keine, zumindest nicht über das Filmteam. Wohl aber stellen sie Männer und Frauen vor, die den Kampf gegen die Falschinformation aufgenommen haben. Oft sind das Betroffene, etwa Mütter von Kindern mit Autismus oder auch ein junger Mann, dessen Mutter eine Impfgegnerin ist. Sie wissen aus eigenen Erfahrungen, wie gefährlich es sein kann, anderen das Feld zu überlassen, vor allem in einer Zeit, in der Überzeugungen – unter den passenden Rahmenbedingungen – ebenso ansteckend sein kann wie ein Virus.
OT: „Antivax, les marchands de doute“
Land: Frankreich, UK
Jahr: 2021
Regie: Lise Barnéoud, Marc Garmirian, Colette Camden, Flora Bagenal
Musik: Andrew Skeet, Nathan Klein
(Anzeige)