Gregs Tagebuch: Von Idioten umzingelt! DIARY OF A WIMPY KID Disney+
Szenenbild aus "Gregs Tagebuch: Von Idioten umzingelt!" nach dem gleichnamigen Buch von Jeff Kinney (© 2021 Disney Enterprises, Inc.)

Jeff Kinney [Interview]

Jeff Kinneys Kinderbuchreihe Gregs Tagebuch wurde weltweit zum Verkaufsschlager, seine Geschichten um den unbeholfenen Schüler wurden millionenfach verkauft. Nach einer Reihe von Realverfilmungen, die im Laufe der Jahre entstanden sind, gibt es mit Gregs Tagebuch: Von Idioten umzingelt! nun auch die erste Adaption als Animationsfilm, für die Kinney auch das Drehbuch geschrieben hat. Zum Start auf Disney+ am 3. Dezember 2021 unterhalten wir uns mit dem Bestseller-Autor über die Arbeit an dem Film, die Gründe für seinen Erfolg und die Bedeutung von Freundschaft.

 

Könntest du uns etwas über die Anfänge von Gregs Tagebuch verraten? Wie kamst du auf die Idee dafür?

Ich wollte schon immer als Comic-Zeichner für Zeitungen arbeiten und bewunderte Leute wie Charles Schulz, Bill Watterson oder Gary Larson. Als ich selbst versuchte, irgendwo unterzukommen, mochte aber leider niemand meine Arbeit. Ich war also gezwungen, etwas anderes zu machen. Dadurch kam ich auf die Idee für Greg, einen chaotischen Jungen, der sich weiterentwickeln muss und der sein tägliches Leben in einem Tagebuch festhält. Ich habe selbst damals mit Ende zwanzig Tagebuch geführt, das voll von Text und kleinen Zeichnungen war. Und ich dachte, dass das vielleicht funktionieren könnte, wenn ich dieses Format beibehalte.

Inzwischen sind viele Jahre vergangen und die Reihe wird noch immer fortgesetzt. Wie schaffst du es, in Kontakt mit dieser Welt der Kinder zu bleiben, um auch weiterhin darüber schreiben zu können?

Das ist eine großartige Frage. Ich denke, dass mein Geist noch ziemlich jung und biegsam ist. Dann habe ich Kinder, das eine 16 Jahre, das andere 19 Jahre, die mir dabei helfen. Und irgendwann werde ich vielleicht auch Enkel haben. Ich versuche einfach, in Kontakt mit dieser Figur zu bleiben, weil sie ich war in dem Alter. Greg ist ein Junge mit vielen Fehlern. Und viele dieser Fehler, die er als Mittelschüler hat, hatte ich selbst als Mittelschüler und habe sie noch immer. Solange ich also den Kontakt zu diesem von Fehlern geprägten Denken halte, kann ich darüber schreiben.

Und wenn du das Leben von Kindern nimmst, als du mit dem Schreiben angefangen hast, und dieses mit dem von heute vergleichst, was ist gleich geblieben? Was hat sich verändert?

Ich glaube die größte Veränderung sind Handys. Heute leben die Kinder in ihren Handys. Ein Anthropologe hat gesagt, dass wir heute nicht in der Welt leben, sondern in unseren Handys. Und ich denke, dass das für uns alle gilt. Sie haben das Leben von uns allen verändert. Aber darüber kann ich nicht schreiben. Wenn ich eine wirklich akkurate Geschichte über Kinder von heute schreiben würde, müssten die die ganze Zeit auf ihre Handybildschirme schauen. Und das wäre nicht sehr spannend. Deswegen musst du eine etwas zeitlosere Geschichte schreiben.

Deine Geschichten wurden vorher schon mehrfach als Realfilme adaptiert. Warum jetzt ein Animationsfilm?

Es war eine aufregende Möglichkeit, um Greg vom Papier auf den Bildschirm zu bringen. Bei den Realfilmen musst du immer einen ziemlichen Sprung machen von dem Jungen, der nur drei Haare hat, zu dem Jungen, der auf einmal volles Haar hat. Die Zeichnungen und die Verfilmungen sahen zwangsläufig ganz anders aus. Bei einem Animationsfilm kannst du näher an dem Original bleiben. Greg sieht so aus, wie du erwarten würdest, dass er aussieht.

Bei Gregs Tagebuch: Von Idioten umzingelt! hast du das Drehbuch geschrieben, basierend auf deinem Buch. Aber wie sieht es mit der visuellen Umsetzung aus? Wie sehr warst du darin involviert?

Ich war sehr involviert. Ich habe eng mit den Animatoren gearbeitet, um das Aussehen der Figuren richtig hinzubekommen. Das hat ziemlich lange gedauert: ein paar Wochen, vielleicht sogar ein paar Monate. Das war spannend, aber auch ein wenig anstrengend, weil ich wusste, dass Greg ein wenig seltsam aussehen könnte und die Leute ihre eigenen Erwartungen, wie er auszusehen hat. Aber ich denke, dass die meisten beim Anschauen zum Schluss kommen: Ja, so sollte er aussehen.

Worin lag darüber hinaus die Herausforderung bei der Adaption deiner Geschichten?

Ich denke, dass die größte Herausforderung die ist, dass meine Bücher nicht filmisch angelegt sind. Sie sind wirklich eine Sammlung von Witzen, gerade die früheren Bücher. Beim Schreiben mache ich mir auch keine Gedanken über das Erzählen von emotionalen Geschichten. Der große Sprung besteht deshalb darin, eine Geschichte zu erzählen, die bewegt und dich all die verschiedenen Gefühle spüren lässt: Freude, Trauer, Angst, Aufregung. Das ist dann auch die Herausforderung, dass du beim Film in der Lage sein musst, all diese Gefühle zu erzeugen, damit am Ende der Geschichte alle zufrieden sind.

Ist das leichter oder schwieriger bei einem Animationsfilm, im Vergleich zu einem Realfilm?

Das ist ungefähr gleich. Wenn ich ein Drehbuch schreibe, denke ich nicht darüber nach, ob das später eine computeranimierte Figur ist oder ein Mensch, der diese Figur spielt. Ich denke nur über die Gefühle in dem Drehbuch nach. Der Schreibprozess ist deshalb in beidem sehr vergleichbar.

Für Gregs Tagebuch: Von Idioten umzingelt! geht ihr zurück zu deinem allerersten Buch. Wie war das für dich, wieder mit diesem zu arbeiten?

Für mich war es ein Privileg, wieder zur ersten Geschichte rückkehren zu dürfen. Meine schriftstellerischen Fähigkeiten haben sich mit der Zeit weiterentwickelt. Als ich angefangen habe, wusste ich noch nicht viel über das Schreiben, die Entwicklung von Figuren oder wie man eine Geschichte aufbaut. Damals habe ich einfach drauflosgeschrieben. Wenn ich jetzt die erste Geschichte noch einmal neu erzähle, erlaubt mir das, es diesmal alles richtig zu machen.

Was bedeutet richtig in dem Fall?

Das bedeutet zum einen, dass die Geschichte, wie ich eben meinte, jetzt emotional zufriedenstellend ist. Außerdem ist sie in drei Akten erzählt. Du weißt jetzt, in welcher Phase sich Greg gerade befindet auf seiner Reise. Mir war es wichtig, dass Greg eine wirkliche Entwicklung mitmacht im Laufe des Films und dass sich auch die Welt um ihn herum verändert.

Und wie sieht diese Veränderung aus? Worin besteht die Entwicklung von Greg?

Am Anfang von Gregs Tagebuch: Von Idioten umzingelt! weiß er, seine Freundschaft mit Rowley nicht zu schätzen, und versteht nicht, wie wertvoll eine solche Freundschaft ist. Erst als seine Freundschaft bedroht ist und er erkennen muss, dass sie nicht selbstverständlich ist, lernt er ihre Wichtigkeit.

Wie würdest du denn eine gute Freundschaft definieren?

Ich würde sie so definieren, wie es Gregs Mutter tut: Alles, was du in dieser Welt brauchst, um durch alles gut durchzukommen, ist ein guter Freund. Und dem stimme ich zu. Ich habe selbst nicht wirklich viele enge Freunde. Aber du brauchst auch nur einen.

An einer Stelle von Gregs Tagebuch: Von Idioten umgeben! geht es darum, wie Greg sich von Rowley zu lösen versucht, nachdem der so populär geworden ist, und etwas Eigenes finden will. Wie schafft man in einer Freundschaft die Balance, viel miteinander zu teilen und dabei doch unabhängig zu bleiben?

Das ist eine sehr tiefgründige Frage, bei der ich gar nicht weiß, ob ich sie beantworten kann. Diese Balance zu finden, ist eine Herausforderung für alle, egal ob es jetzt um eine Freundschaft oder auch eine Ehe geht. Unabhängigkeit ist wichtig. Du musst ein eigenständiges Leben führen können. Gleichzeitig willst du aber auch jemandem nahe sein und viel mit dieser Person teilen. Diese Suche nach dem richtigen Gleichgewicht wollte ich in Gregs Tagebuch: Von Idioten umgeben! thematisieren.

Wie war das bei dir? Hattest du einen besten Freund, mit dem du alles geteilt hast?

Ja, ich hatte eine sehr intensive Freundschaft mit Ryan. Wir haben alles zusammen gemacht, haben Dungeons & Dragons gespielt, Videospiele oder auch Theater. Das war also schon mit der Freundschaft zu vergleichen, wie sie Greg und Rowley haben. Sie hat auch viele Jahre gehalten.

Und wie schaffst du es, dass eine solche Freundschaft auch von Dauer ist? Wie pflegt man eine gute Freundschaft?

Ich muss gestehen, dass ich selbst nicht besonders gut darin bin, Freundschaften zu pflegen. Das fällt Männern glaube ich ohnehin etwas schwerer, vor allem bei uns in den USA. Auf eine gewisse Weise helfen mir meine Geschichten dabei, mein eigenes Leben besser zu verstehen. Wenn du ein Drehbuch schreibst, lernst du viel über das menschliche Miteinander. Während ich mit Produzenten an der Geschichte arbeite, teilen wir unsere Erfahrungen, was es bedeutet, ein Freund zu sein, ein Sohn zu sein oder Geschwister zu haben. Das ist es, was Filme leisten können: Sie erzählen auf eine tiefgründige Weise von menschlichen Erfahrungen.

Ganz allgemein: Was willst du mit deinen Geschichten erreichen?

Ich will letztendlich einfach unterhalten und empfinde es als großes Privileg, zusammen mit Disney lustige Geschichten erzählen zu dürfen, die viele Menschen erreichen.

Und wovon lässt du dich selbst unterhalten?

Oh, das sind ganz viele unterschiedliche Sachen. Ich habe vor Kurzem einen Marvel Superheldenfilm angeschaut. Ich mag aber auch ernste Filme, die den Menschen etwas mitgeben möchten. Da bin ich wie jeder andere auch.

Um ein Publikum zu erreichen, braucht es immer auch Figuren, mit denen es sich wirklich identifizieren kann. Worin liegt das Geheimnis beim Erschaffen einer solchen Figur?

Für mich war es sehr wichtig, dass Greg jemand ist, der total chaotisch ist und sich weiterentwickeln muss. Es gibt bei Kinderliteratur viele eher heldenhaft angelegte Figuren, wenn du an Harry Potter oder Percy Jackson denkst. Die sind mutig und tun meistens das Richtige. Greg ist jemand, mit dem du dich leichter identifizieren kannst, weil er vieles falsch macht und noch viel lernen muss. Ich wollte, dass er wie ein Spiegel ist, in dem sich die Kinder selbst sehen können.

Denkst du, dass dies den Erfolg deiner Bücher begründet?

Durch meine Reisen durch die Welt habe ich gelernt, dass die Erfahrung der Kindheit bei vielen sehr ähnlich ist. Wir alle haben Eltern und Lehrer, Bullys und Haustiere, müssen Hausaufgaben erledigen. Ich versuche deshalb über das zu schreiben, was wir alle gemeinsam haben.

In deinen Geschichten beschreibst du, dass diese Kindheit oft nicht einfach ist, gerade auch in der Schule. Greg wird gemobbt und weiß oft nicht, was er tun soll. Hättest du einen Ratschlag für Kinder von heute, wie sie die Schulzeit überleben können?

Die Schule kann wirklich ein sehr rauer Ort sein, gerade die Mittelschule. Deswegen habe ich diese auch zum Schauplatz meiner Geschichte gemacht. Du hast dort Kinder, die noch nicht in der Pubertät sind, und daneben solche, die sich zweimal am Tag rasieren müssen. Das ist eine wirklich seltsame Phase in deinem Leben. Mit 12, 13, 14 kann es sehr turbulent sein, weil sich so vieles auch verändert. Mein Ratschlag wäre einfach: Haltet durch, diese Phase wird irgendwann vorbei sein, danach wird es besser werden.

Du hast vorhin schon erwähnt, wie sehr sich das Leben der Kinder durch Handys verändert hat. Heute kann sich jeder mit jedem verbinden. Macht das die Kindheit leichter oder schwieriger?

Eindeutig schwieriger. Heute ist es so, dass man sich auch wegen der sozialen Medien immer mit anderen vergleichen kann. Es wird sogar irgendwie erwartet. Und das kann verheerend sein, wenn du da nicht mithalten kannst. Das passiert sogar als Erwachsene noch, wenn du siehst, was deine Freunde alles tun. Wenn du auf Facebook siehst, wie toll ihr Urlaub war oder wie durchtrainiert sie sind, das kann dazu führen, dass du dich selbst schlecht fühlst. Das ist eine direkte Auswirkung der sozialen Medien: Diese Erwartungshaltungen machen das Leben für viele schwieriger.

Würdest du dann empfehlen, einfach nicht auf sozialen Medien unterwegs zu sein?

Das ist inzwischen kaum noch möglich. Soziale Medien sind wie ein Schwarzes Loch, dem niemand entkommen kann. Das geht mir genauso. Ich benutze sie zwar nur im begrenzten Maße, aber ich benutze sie. Ich kann daher schlecht von meinem hohen Ross aus die Menschen dazu anhalten, keine sozialen Medien zu benutzen, wenn ich selbst noch keinen Weg gefunden habe davon loszukommen.

Und wie geht es jetzt weiter? Was sind deine nächsten Projekte?

Wir arbeiten bereits an einem zweiten Film mit Greg für Disney+ und hoffen, dass da noch viele weitere kommen werden, da wir viele Geschichten zu erzählen haben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Jeff Kinney wurde am 19. Februar 1971 in Fort Washington, Maryland, USA geboren. Schon während seiner Zeit im College zeichnete er Comics und wurde in der Schülerzeitung abgedruckt. Ende der 1990er entwickelte er die Idee zu dem Schüler Greg, der seinen Alltag in einem Tagebuch festhält. Nachdem diese Geschichten zuerst online erschienen, folgte 2007 das erste Buch Gregs Tagebuch: Von Idioten umzingelt! Seither erscheint jedes Jahr ein neuer Band. Die Reihe gehört mit mehr als 250 Millionen verkauften Exemplaren zu den zehn erfolgreichsten Romanreihen aller Zeiten. 2010 erschien die erste Realfilm-Adaption, bis 2017 folgten drei weitere.



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