Wenn es um das Interesse ihrer Mandanten geht – oder auch das eigene –, schreckt Leo Roth (Lavinia Wilson) vor nichts zurück. Die Medienanwältin, die mit Vorliebe die Großen und Mächtigen vertritt, ist für ihre Skrupellosigkeit und ihren absoluten Siegeswillen gefürchtet. Das bekommen nicht nur ihre Gegner zu spüren. Auch ihre Angestellten Cecil Graf von Carlsburg (Niels Bormann), Elena Caspari (Maryam Zaree) und Adrian Berisha (Aaron Altaras) geraten in die Schusslinie, wenn mal etwas nicht so klappt, wie sie es will. Und zurzeit kommt das häufiger vor. Vor allem die Affäre ihres Schwagers Kai Fontaine (Rainer Sellien), Innensenator von Berlin, mit einer deutlich Jüngeren, macht ihr zu schaffen. Schließlich hat es sich der Investigativjournalist Jonas Lindberg (Jacob Matschenz) in den Kopf gesetzt, die Geschichte groß zu bringen, was sie um jeden Preis verhindern muss …
Anwälte auf allen Kanälen
Neben Polizisten und Ärzten dürfte kein anderer Beruf derart oft im Fernsehen vertreten sein wie der des Anwalts. Unzählige Serien wurden zu dem Thema produziert. Kein Wunder: In diesem Umfeld gibt es eine große Bandbreite an Geschichten zu erzählen, die vom Drama bis zum Krimi und sogar dem Thriller reichen können. Bei der ARD-Serie Legal Affairs versucht man irgendwie die gesamte Bandbreite abzubilden, wenn wir hier einer Medienanwältin durch mehrere Fälle folgen. Denn auch wenn diese sehr wählerisch ist, was die Wahl ihrer Mandanten und Mandantinnen angeht – die müssen schon richtig viel Kohle haben oder Publicity bringen, damit sich Roth dafür interessiert –, thematisch werden da viele unterschiedliche Richtungen eingeschlagen.
Konkret sieht das so aus, dass die acht Folgen der ersten Staffel immer eine Doppelfunktion haben. So erzählen diese einerseits von wechselnden Fällen, pro Folge üblicherweise einer. Gleichzeitig gibt es eine durchgängige Handlung, welche sich um die Geschichte des Schwagers und die unglückliche Affäre drehen. Zunächst sieht das nach einer zwar schmutzigen, letztendlich jedoch wenig bemerkenswerten Angelegenheit aus. Dann kommt es aber relativ früh zu einem Wendepunkt, der klar macht: Da ist mehr dran. Während anfangs noch die individuellen Einsätze im Mittelpunkt stehen, verschiebt sich bei Legal Affairs mit der Zeit der Fokus. Das Alltagsgeschäft rückt in den Hintergrund, wird nur noch irgendwie abgearbeitet, bevor es mit dem Hauptteil weitergeht.
Geschichten rund um Medien und Öffentlichkeit
Das ist schon irgendwie schade, da die Fälle recht originell sind. Da geht es mal um einen Fußballspieler (Slavko Popadic), dem eine Herzerkrankung nachgesagt wird. Ein Satirekollektiv wird angeklagt, rassistische Überfälle provoziert zu haben. Und dann ist da noch der Teenie-Star Ben (Paul Michael Stiehler), von dem ein kompromittierendes – gefälschtes – Video im Umlauf ist. Der Fokus auf Fälle, die irgendwie mit Medien und Öffentlichkeit zu tun haben, tragen schon dazu bei, dass sich Legal Affairs etwas von anderen Anwaltsserien unterscheidet. Dann und wann gibt es auch ein paar moralische Überlegungen, welche an Kanzlei Berger erinnern und die als grundsätzliche Denkanstöße lohnenswerte Fragen in den Raum werfen.
Allerdings wird das mitunter durch die Hauptfigur überdeckt. Anders als man es bei solchen Geschichten gewohnt ist, ist Roth keine strahlende Heldin. Sie ist nicht einmal die Gute. Vielmehr ist die Medienanwältin eine Antagonistin, welche in die Rolle der Protagonistin gerückt ist. Die Art und Weise, wie sie die Wahrheit beugt und sich über das Wohl anderer hinwegsetzt, solange es den eigenen Zwecken dient, macht sie zu einer gleichermaßen beeindruckenden wie abscheulichen Figur. Tatsächlich hofft man bei Legal Affairs ständig, dass sie doch bitte ihre Fälle verlieren mag. Das hat dann nicht unbedingt mit den Mandanten und Mandantinnen zu tun, bei denen das mit dem gut und böse nicht immer ganz eindeutig ist. Sie ist dafür eindeutig grauenvoll, bestätigt die schlimmsten Klischees, die man diesem Beruf nachsagt, zumal Lavinia Wilson (The Billion Dollar Code, Was wir wollten) die Arroganz der Figur in ihrem Spiel bis zur Karikatur auskostet.
Übertrieben und mutlos
Eine derart unsympathische Figur in den Mittelpunkt zu stellen, das ist schon mutig. Weniger mutig ist, wie die Serie das mit ihr nicht bis zum Schluss durchhält, sondern sie dann doch irgendwie zu jemand Gutem uminterpretieren muss. Glaubwürdig ist das nicht, da gibt es im Drehbuch schon einige sehr willkürliche Veränderungen und Verhaltensweisen. Aber in der Hinsicht sollte man bei Legal Affairs die Ansprüche ohnehin ganz weit nach unten schrauben. Von Anfang an ist die Geschichte recht überzogen, sind die Figuren überzeichnet. Mit der Zeit wird das aber immer schlimmer. Gerade durch den Wechsel hin zur Hauptgeschichte werden da Kapriolen geschlagen, bei denen man schon sein Gehirn ein Stück weit abschalten sollte. Wer das kann, wird dabei durchaus unterhalten, gerade auch ein Faible für Verschwörungstheorien vorausgesetzt. Trotzdem wäre mehr Zurückhaltung schön gewesen, damit die angesprochenen Themen mehr zur Geltung kommen, anstatt sich reißerischen Thriller-Fantastereien hinzugeben.
OT: „Legal Affairs“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Randa Chahoud, Stefan Bühling
Drehbuch: Lena Kammermeier, Felice Götze, Veronica Priefer, Christine Heinlein, Christoph Callenberg, Thomas André Szabó, Florian Wentsch, Yves Hensel
Musik: David Grabowski, Jonas Nay, Tutti Bounce, Till Brönner
Kamera: Julian Hohndorf, Jan Prahl
Besetzung: Lavinia Wilson, Maryam Zaree, Niels Bormann, Aaron Altaras, Michaela Caspar, Stefan Kurt, Jacob Matschenz, Rainer Sellien, Annika Kuhl, Sebastian Hülk, Sophie Rois
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