Nachdem sie viele Jahre über in London gewesen war, kehrt Meave Sweeney (Mary Jackson) zurück in ihre Heimatstadt Belfast. Der Nordirlandkonflikt hat die Stadt wie auch das umliegende Land fest im Griff. Es vergeht fast kein Tag, ohne dass ihre Eltern (Mark Mulholland und Trudy Kelly) nicht das Haus verlassen müssen, weil wieder eine Bombe in der Nachbarschaft entschärft werden muss oder wegen einer weiteren Repressalie der britischen Soldaten, die von ihrer Missbilligung besonders der jungen Menschen keinen Hehl machen. Es sind auch diese Bilder der Soldaten, die Maeve zurückholen in ihre Kindheit und Jugend, als sie ebenfalls Opfer jener Gewalt wurde. Darüber hinaus begegnet sie ihrem Freund Liam (John Keegan), einem Republikaner, mit dem die junge Frau ihre erste große Liebe verbindet, aber auch viele Streitereien um Politik, Gewalt und ihre Überzeugungen.
Mehr noch als die Militärgewalt und die Nachrichten um weitere Bombenfunde und Konflikte beschäftigt Maeve aber ihre Schwester Roisin (Brid Brennan), die, im Gegensatz zu ihrer Schwester, ihr Schicksal akzeptiert zu haben scheint. Wie ihre Mutter und wie Liam es für seine Freundin wohl einst wollte, soll sie in eine sehr traditionelle Frauenrolle hineinschlüpfen, was Maeve verhindern will. Die Rückkehr nach Nordirland wird zu einem Kampf für Maeve, gegen ihre Vergangenheit, doch auch die Männer in ihrem Leben, ihren Vater wie auch Liam, die bei ihrem Grabenkrieg um Überzeugungen und Ideologien, alles andere zu vergessen scheinen.
Filmen im Konflikt
Vierzig Jahre ist es her, dass sich Regisseurin Pat Murphy und ihr Kollege John Davies (Warum haben sie nicht Evans gefragt?) nach Belfast aufmachten, um Maeve zu drehen, wie sich die Filmemacherin in einem Statement zu Wiederaufführung ihres Spielfilmdebüts erinnert. Während andere Produktionen nach Dublin oder in den Norden Englands auswichen, wenn sie eine Geschichte über den Nordirlandkonflikt drehen wollten, beabsichtigen Murphy und ihr Team, einen solchen Ausweg nicht zu gehen und stattdessen mitten in Belfast und der Umgebung zu filmen, was nicht immer einfach war. Inspiriert von dem Ansatz eines Jean-Luc Godard schufen Murphy und Davies mit Maeve einen Film, der sich nicht einfach nur mit der Realität des Konflikts befasst, sondern Elemente wie Geschlechterrollen und deren Verbindung zur Ideologie der beteiligten Parteien beleuchtet.
Auch wenn es aufgrund der oben beschrieben Inhaltswiedergabe so wirkt, ist Maeve alles andere als ein linear erzählter Film. Die Montage der einzelnen Elemente, bei der die Gegenwart der Protagonistin fließend mit ihrer Erinnerung an Kindheit und Jugend verknüpft ist, ist durchaus fordernd und speziell in den ersten Minuten wohl auch gewöhnungsbedürftig. Teils banal wirkende Episoden, wie der Streit ihrer Schwester mit einem Nachbarsjungen, geht über in ein Streitgespräch zwischen Liam und Maeve, bei dem sich nicht nur die ideologischen Überzeugungen der beiden Figuren widerspiegeln, sondern auch ihre Meinung auf andere Themen bezogen. Murphys Drehbuch und der Schnitt verbinden Erinnerung mit Gegenwart, Kindheit mit Ideologie, was zum einen das Innere der Hauptfigur reflektiert, doch scheinbar auch die Nähe von Politik, Gesellschaft und den Lebensereignissen der Familie Sweeney hinweist. Weniger stilistisch provokant als die Werke Godards, heben Murphy und Davies die fiktionale Schicht des Filmes auf, brechen mit Konzepten wie Linearität und provozieren die Auseinandersetzung mit dem Bild an sich.
„Da ist kein Raum für mich.“
Als Hauptfigur ist die von Mary Jackson gespielte Heldin wie eine Art Spiegel der Form des Films. Nicht willens, sich in eines der Rollenbilder unterzuordnen, weder das ihrer Familie noch das ihres Freundes, sucht sie nach einem „Raum für sich“, wie sie es Liam gegenüber beschreibt. Jackson spielt eindrucksvoll die Verletzlichkeit dieser jungen Frau, die von dem Zyklus der Gewalt abgestoßen ist und befürchtet, dass sich nichts an dessen Ende wirklich ändern wird. Der Konflikt, die Zusammenprallen von Ideologien wird an den Küchentisch getragen, selbst in kleinen, scheinbar unbedeutenden Momenten, wenn ihr Vater ihrer Mutter das Wort abschneidet. Durch ihre Heldin wollen Murphy und Davies einen Perspektivwechsel vornehmen, einen anderen Aspekt des Konflikts beleuchten, doch auch, warum es kein Übereinkommen geben kann.
Neben Jackson überzeugen auch die anderen Darsteller in Meave, allen voran Brid Brennan als Roison und Mark Mulholland als Maeves Vater. In der Begegnung mit der Tochter/Schwester zeigt sich der Unterschied der Generationen sowie das Leben mit der Gewalt, der physischen wie auch der psychologischen, welche letztlich in einer Form der Akzeptanz mündet, die eine Heldin wie Meave zu durchbrechen versucht.
OT: „Maeve“
Land: Irland, UK
Jahr: 1981
Regie: Pat Murphy, John Davies
Drehbuch: Pat Murphy
Musik: Robert Boyle, Pete Nu
Kamera: Robert Smith
Besetzung: Mary Jackson, Mark Mulholland, Brid Brennan, Trudy Kelly, John Keegan, Nuala McCann, George Shane, Ainegal Grehan
Venedig 1981
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