Im fürs Action- und Science Fiction-Genre wegweisenden, inzwischen 22 Jahre alten Blockbuster Matrix lebt Thomas Anderson ein unbedeutendes Großstadtleben, hat einen langweiligen Job und muss eines Tages feststellen, dass die Welt um ihn herum nur zum Schein existiert. Fast jeder kennt die Geschichte; jedenfalls unter Filmfans gehört sie heute zum Allgemeinwissen. Warum wir sie trotzdem hier noch einmal erwähnen? Weil der nun 18 Jahre nach dem Ende der Matrix-Trilogie im Kino startende vierte Film eigentlich ganz genauso beginnt. Thomas Andersons (Keanu Reeves) Leben scheint zwar deutlich aufregender und erfolgreicher zu sein als noch bei seinem ersten Kinoauftritt. Doch von seiner Identität als Neo, dem Auserwählten ahnt er ebenso wenig etwas wie davon, dass sein Alltag in Wahrheit nur eine von Maschinen kontrollierte virtuelle Realität ist. Bis schließlich der mysteriöse Morpheus (Yahya Abdul-Mateen II) in sein Leben tritt und er in seinem Stamm-Coffeeshop „Simulatte“ die charismatische Trinity (Carrie-Anne Moss) kennenlernt. Wobei letztere hier gar nicht Trinity heißt, sondern Tiffany. Ist sie es also? Oder ist sie es nicht? Und wenn ja, wie kann das überhaupt sein, dass Neo und Trinity hier erneut die Protagonisten sind, angesichts des Schicksals, das beide am Ende von Matrix Revolutions ereilt hat?
Noch mal von vorne …
Diese Fragen beantwortet der Film genauso wie die, warum Morpheus dieses Mal nicht die Gestalt von Laurence Fishburne hat. Und wenn die obige Inhaltsangabe etwas vage gehalten ist, dann nur deswegen, weil hier möglichst wenig von der Handlung des Films vorweggenommen werden soll. Stattdessen wollen wir mal kurz auf einen anderen Film verweisen, der vor sechs Jahren in die Kinos kam: Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht war ebenfalls ein spätes, vor seiner überraschenden Ankündigung wohl von niemandem ernsthaft erwartetes Sequel zu einer sehr erfolgreichen Science Fiction-Reihe. Der Film nahm seine Zuschauer mit auf einen Nostalgie-Trip in eine weit entfernte Galaxis und kopierte den ursprünglichen Star Wars-Film nicht nur optisch, sondern erzählte im Großen und Ganzen sogar noch einmal dieselbe Geschichte. Langjährige Fans fühlten sich sofort zu Hause und es wurde einem warm ums Herz angesichts der vertraut wirkenden Schauplätze und Figuren. Es wurde aber auch Kritik laut, der Film habe es sich etwas zu einfach gemacht und zu sehr auf die Nostalgie-Karte gesetzt, indem er schlicht einen der Vorgänger kopierte.
Déjà-vu?
Auf ähnliche Gedanken könnte man im Fall von Matrix Resurrections auch kommen, jedenfalls wenn man nur die obige knappe Inhaltsangabe kennt. Auch dieser Film nimmt immer wieder Bezug auf seine Vorgänger und erzählt zu großen Teilen noch einmal die gleiche Geschichte wie der erste Film. Das geht so weit, dass immer wieder kurze Schnipsel aus den Vorgängerfilmen eingeblendet werden. Immerhin ergibt dies aber Sinn, weil es sich dabei oft um aufblitzende Erinnerungen von Thomas/Neo handelt, der nun schon zum zweiten Mal von der Existenz der Matrix und seiner Rolle darin erfahren muss. (Zum Teil hat man aber auch das Gefühl, dass diese Rückgriffe auf altes Material auch den Zuschauer an möglicherweise längst vergessene Handlungselemente oder Figuren aus der Trilogie erinnern soll.)
Im Unterschied zur siebten Star Wars-Episode wendet der neue Matrix-Film aber einen entscheidenden Kniff an: Hier sind sich die Figuren in der Geschichte selbst darüber bewusst, dass sie ein Abenteuer durchleben, das schon einmal erzählt wurde. Wie genau das bewerkstelligt wird, soll nicht verraten werden, aber Regisseurin und Autorin Lana Wachowski (ihre Schwester Lilly war dieses Mal nicht beteiligt) hat gemeinsam mit ihren Co-Autoren – unter ihnen Cloud Atlas-Autor David Mitchell – eine clevere Möglichkeit gefunden, um die Geschichte ironisch zu brechen. Das geht schon in den ersten Minuten des Films los, wo die berühmte Eröffnungssequenz des ersten Films nachgestellt wird; nach kurzer Zeit wird dabei aber deutlich, dass wir dieses Mal nicht nur die vertrauten Geschehnisse beobachten dürfen, sondern wiederum auf weitere Beobachter des Geschehens blicken (die wiederum ebenfalls darüber Bescheid wissen, dass sich hier etwas nicht zum ersten Mal abspielt). Das mag sich nun verwirrend anhören und auch beim Betrachten des Films können sich einem schon mal die Hirnwindungen verknoten, wenn man darüber nachdenken muss, was nun im Film Realität ist und was nur außerhalb davon. Auf jeden Fall bringt einen der Film zum Denken, das ist ja schon mal was! Darüber hinaus sind all die Anspielungen und Kommentare auf die früheren Filme zumindest für Kenner und Fans unglaublich spaßig. Man könnte grob die erste Hälfte des Films schon fast als „Meta-Matrix“ bezeichnen, so oft kommentiert sich dieses fiktive Universum hier selbst. Einen ähnlichen Umgang mit Genrekonventionen und der eigenen Erzählung kennt man sonst vor allem aus der Scream-Reihe.
Ironisch und leger
Eine ganze Weile, ungefähr bis zur Mitte des Films, geht das alles so weiter und ist extrem unterhaltsam – jedenfalls wenn man mit der Matrix-Trilogie vertraut ist und ein bisschen ironisch-verkopfte Beschäftigung damit nicht scheut. Auch die Schauspieler haben sichtlich ihren Spaß dabei, wenn auch nicht alle der neuen Figuren wirklich Charisma entwickeln. Positiv im Gedächtnis bleiben davon aber Neil Patrick Harris (How I Met Your Mother) als Thomas Andersons Psychotherapeut und Jonathan Groff (Die Eiskönigin – Völlig unverfroren, Mindhunter) als Arbeitskollege mit starken Agent Smith-Vibes. Was die Optik des Films betrifft, so fällt diese, wie schon die Trailer erahnen ließen, weniger düster und etwas bunter aus als bei den Vorgängern. Das ist nicht schlimm, schließlich ist auch der generelle Ton des Films lange Zeit ein anderer. Auffällig ist aber, dass innerhalb der Matrix dieses Mal ein casual look angesagt zu sein scheint. Fast vorbei sind die Zeiten hautenger Lackoutfits, langer Ledermäntel und vor allem auf jede Figur angepasste coole Sonnenbrillen. Die Matrix-Helden von heute geben sich auf jeden Fall legerer.
Leider wandelt sich der Film irgendwann vom Meta-Kommentar zum erstaunlich konventionellen Actionfilm, was gerade deswegen bedauerlich ist, weil Matrix ja wie kein anderer Film der letzten 25 Jahre für wegweisende, nie zuvor gesehene Actionsequenzen steht. Natürlich kann man von einem vierten Teil nicht erwarten, dass er uns genau wie das Original die Kinnlade bis zum Boden runterklappen lässt. Was 1999 bahnbrechend war, wurde seitdem oft kopiert und visuelle Effekte haben sich inzwischen stark weiterentwickelt. Trotzdem hat man sich aber erhofft, hier auch in dieser Hinsicht überrascht oder zumindest begeistert zu werden. Man könnte darüber hinwegsehen, dass Matrix Resurrections in seiner zweiten Hälfte eine äußerst simple Geschichte abspult (schließlich passte auch die grobe Handlung der ersten Filme jeweils auf einen Bierdeckel), wenn dieser Teil des Films nicht auch in seiner Inszenierung so konventionell daherkäme. Ja, es gibt natürlich immer wieder die bekannte Matrix-Bildsprache inklusive der berühmten „bullet time“-Effekte. Aber damit haut man heute eben niemanden mehr vom Hocker. Zudem wirkt die Action ein paar Mal richtig unkreativ, wenn Neo immer und immer wieder seine Fähigkeit anwendet, feindliches Feuer zu stoppen und sich so Szene für Szene völlig unverletzt durch Horden von Gegnern bewegt. Klar ist er als Auserwählter dazu in der Lage, es ist nur auf Dauer nicht besonders interessant anzuschauen.
Ein zweigeteilter Film
Matrix Resurrections ist also ein zweigeteilter Film: Clever, mit doppeltem Boden und selbstironisch zu Beginn, während im späteren Verlauf zwar der Actionanteil zunimmt, alles aber auch immer weniger interessant wird. Die starke erste Hälfte bewahrt den Film vor einer nur mittelmäßigen Wertung. Richtig ärgerlich ist es, als der Film gerade kurz vor seinem Schluss wieder in Fahrt kommt und sich neue interessante Handlungselemente auftun, die Geschichte jedoch abrupt endet. Andererseits stellt genau das ja nur eine weitere Gemeinsamkeit zum ersten Film dar, bei dem man nach dem Filmende am liebsten sofort weitergeschaut hätte. Vielleicht steht uns also eine weitere Fortsetzung bevor? Man weiß nicht so recht, ob man sich das wirklich wünschen soll.
OT: „The Matrix Resurrections“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Lana Wachowski
Drehbuch: Lana Wachowski, David Mitchell, Aleksandar Hemon
Musik: Johnny Klimek, Tom Tykwer
Kamera: Daniele Massaccesi, John Toll
Besetzung: Keanu Reeves, Carrie-Anne Moss, Yahya Abdul-Mateen II, Jonathan Groff, Jessica Henwick, Neil Patrick Harris, Max Riemelt
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