Als Thomas Becker (Matthias Koeberlin) in der Silvesternacht auf einem Parkplatz erschossen wird, vermuten Kommissarin Barbara Falck (Sabine Winterfeldt) und ihr Kollege Christian Krämer (Wolf Danny Homann) zunächst, dass die Motivation im beruflichen Umfeld des Verstorbenen zu suchen ist. Schließlich war er der Sohn des mächtigen Bauunternehmers Henry Becker (Heiner Lauterbach), der in derselben Nacht von einem Unbekannten überfahren wurde. Handelte es sich um einen Racheakt, weil kurz zuvor ein ambitioniertes Bauprojekt zusammengebrochen war und ein Todesopfer forderte? Oder könnte es doch private Gründe für den Mord gegeben haben? So soll Thomas kein besonders gutes Verhältnis zu seinem Halbbruder Eric (Lucas Gregorowicz) gehabt haben. Und dann wäre da noch Karoline Siebert (Petra Schmidt-Schaller), die er bei den Anonymen Alkoholikern kennengelernt hat und mit der er ein Verhältnis hatte …
Ein Krimi auf zwei Ebenen
Inzwischen ist man es so sehr von Krimis im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gewohnt, dass sie auf serielles Erzählen angelegt sind – ein paar Teile sollten schon drin sein, gern auch ein paar Dutzend –, dass man bei jedem neuen Titel vermutet, dass die Fortsetzung schon geschrieben ist. Mord in der Familie – Der Zauberwürfel ist da ein wenig anders. Grundsätzlich entspricht zwar auch diese Mördersuche dem altbekannten Whodunnit-Prinzip, wenn gleich zu Beginn jemand getötet wird und etwa ein halbes Dutzend anderer Leute als Erklärung in Frage kommt. Eine ganze Reihe von Unterschieden macht aber ebenso schnell klar, dass hier etwas anderes beabsichtigt wurde. Das fängt schon bei der Laufzeit an: Der ZDF-Titel ist doppelt so lang wie die üblichen TV-Krimis und wird als Zweiteiler ausgestrahlt, in der Mediathek ist er als vierteilige Serie hinterlegt. Da wird schon sehr ein Eventcharakter postuliert.
Aber auch die Erzählweise unterscheidet sich von der herkömmlichen Abendunterhaltung, wie man sie mehrfach die Woche geboten bekommt. Genauer folgt Mord in der Familie – Der Zauberwürfel zwei Zeitebenen, die parallel erzählt werden. Die eine ist die Gegenwart, in der Falck und Krämer den Mord an Thomas Becker untersuchen. Das bedeutet wie immer, dass sie durch die Gegend laufen, nach Spuren suchen, Verdächtige und potenzielle Zeugen befragen oder anderweitig den Ermittlungen nachgehen. Dieser Strang wird jedoch regelmäßig durch Szenen unterbrochen, welche die Vorgeschichte des Mordes erzählen. Das Publikum darf auf diese Weise die verschiedenen Verdächtigen kennenlernen, mehr über die Verhältnisse untereinander erfahren und auf diese Weise eben auch die möglichen Motivationen.
Mördersuche trifft Familiendrama
Diese Rückblicke dienen dabei jedoch nicht allein kriminologischen Aspekten. Vielmehr zeigt sich an diesen Stellen, dass Mord in der Familie – Der Zauberwürfel zwei ganz unterschiedliche Funktionen zu erfüllen hat. Genauer ist die TV-Produktion gleichermaßen eine klassische Mördersuche wie auch Familiendrama. Das ist prinzipiell nicht ungewöhnlich, viele Krimis handeln von dysfunktionalen Familien. Agatha Christie liebte es seinerzeit, innerhalb einer solchen richtig viel Zwietracht zu sähen. Schließlich gehört schon einiges dazu, ein Familienmitglied zu ermorden oder zumindest für das Publikum dafür in Frage zu kommen. Drehbuchautorin Linda Ung ging an der Stelle aber weiter als viele Kollegen und Kolleginnen. Die diversen Abgründe, die sich während der Ermittlungen und Rückblicke auftun, haben mehr mit den großen Dynastieserien im Fernsehen gemeinsam, etwa Dallas und Denver Clan, als mit einem Krimi. Die Krise ist hier nicht allein Begründung für die Tat, sondern Selbstzweck. Da ist so viel kaputt, dass die Frage nach dem „wer war es“ zwischendrin immer wieder in den Hintergrund rückt.
Das macht Mord in der Familie – Der Zauberwürfel gleichzeitig für Krimifans zu einem eher weniger beglückenden Film. Es dauert hier einfach zu lang, bis die Geschichte mal entscheidend vorankommt. Das tritt – auch aufgrund der dauernden Zeitsprünge – alles schon ziemlich lang auf der Stelle. Das wäre vermutlich zu verschmerzen gewesen, wenn die Figuren dafür interessant geschrieben gewesen wären. Irgendwie sind Ung aber nur Klischees eingefallen, wenn es darum geht, die Bau-Dynastie auseinanderzunehmen. Ob es nun der despotische Vater ist, der alkoholkranke Sohn, der sich nach Anerkennung sehnt, oder der nicht minder angeknackste Halbbruder: Das lässt alles an Persönlichkeit vermissen. Klar ist ein immer wieder gern als fieser Griesgram auftretender Heiner Lauterbach (Es ist zu deinem Besten) für eine solche Rolle wie gemacht. Auch Petra Schmidt-Schaller (Die Toten von Marnow) hat in einer der wenigen komplexeren Figuren Gelegenheit, ihr schauspielerisches Talent zu demonstrieren. Doch das reicht insgesamt nicht aus: Trotz schicker Umgebung und doppelter Anschläge, richtig spannend ist das hier nicht gerade.
OT: „Mord in der Familie – Der Zauberwürfel“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Michael Schneider
Drehbuch: Linda Ung
Musik: Chris Bremus
Kamera: Andreas Zickgraf
Besetzung: Matthias Koeberlin, Heiner Lauterbach, Lucas Gregorowicz, Petra Schmidt-Schaller, Katharina Lorenz, Sabine Winterfeldt, Wolf Danny Homann, Jacob Speidel
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