Der 56-jährige Paul Winkelmann (Loriot) hat alles, was er braucht, um glücklich zu sein. So hat er vor einigen Jahren den Familienbetrieb übernommen und darf nun ein Möbel- und Dekorationsgeschäft leiten. Das klappt mal besser, mal schlechter, immer wieder ist er auf die Hilfe seiner Angestellten angewiesen, wenn er mal wieder nicht weiß, wo er was zu finden hat. An einem dieser Chaostage lernt er die jüngere Diplom-Psychologin Margarethe Tietze (Evelyn Hamann) kennen, die neue Bezüge für ihre Sitzgruppe sucht. Nach einem ersten eher schwierigen Aufeinandertreffen lernen die beiden sich näher kennen und beschließen, ihre jeweiligen Talente zusammenzuwerfen. Pauls Mama Louise (Katharina Brauren) sieht diese Entwicklung jedoch gar nicht gern, wacht sie doch mit Argusaugen über das Schicksal ihres Sohnes, dem sie noch immer die Hemden bügelt und sagt, wie er sein Leben zu führen hat …
Ein Humorist in jeder Situation
In seiner viele Jahrzehnte umspannende Karriere war Vicco von Bülow, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Loriot, in den unterschiedlichsten Bereichen unterwegs. So arbeitete er anfangs als Karikaturist, später als Bühnen- und Kostümbildner. Er schrieb Bücher, war am Theater tätig und inszenierte Opern. Unvergessen ist er den meisten aber vor allem durch seine Auftritte als Schauspieler. Da waren seine Fernseharbeiten, von denen beispielsweise Weihnachten bei Hoppenstedts Kultstatus genießt. Und seine beiden Spielfilme, die jeweils zu großen Kinoerfolgen wurde. Sein erster Film Ödipussi aus dem Jahr 1988 hatte dabei die Nase vorn. Mehr als 4,5 Millionen Menschen sahen die Komödie seinerzeit im Kino, keine deutsche Produktion war in dem Jahr erfolgreicher.
Dabei kann man sich darüber streiten, ob Ödipussi nun wirklich ein Film ist. Zwar gibt es durchaus eine durchgängige Geschichte, die sich mit der Abnabelung von Loriots Alter Ego Paul Winkelmann befasst. Das ist für den Humoristen, der nicht nur die Hauptrolle spielte, sondern auch Regie führte und das Drehbuch schrieb, an vielen Stellen aber nur ein Vorwand, um die unterschiedlichsten Sketche vorzuführen. Tatsächlich sind viele Stellen in der Komödie für die Handlung völlig irrelevant. Da spielt ein Paar im Hotel Fangen. Ein anderes hat im Geschäft der Winkelmanns mit einem wenig soliden Schrank zu kämpfen. Bei einer Sitzung von Margarethe bekommen sich zwei aus ihrer Gruppe in die Haare, wenn ein Rollenspiel ausartet. Und dann wäre da noch der bizarre Auftritt von Margarethes Tanztruppe.
Zwischen Slapstick und Scrabble
Auch bei der Art des Humors greift Loriot auf ein ganzes Arsenal zurück. An einigen Stellen gibt es ganz simplen körperbetonten Slapstick, wenn beispielsweise Winkelmann mal wieder über irgendetwas stolpert. Andere Witze basieren mehr auf Wörtern und Dialogen. Die Figuren haben natürlich auch ihren Anteil daran: In Ödipussi haben sie eigentlich alle irgendwelche Macken. Gleichzeitig sind sie einem doch recht vertraut. Die Kunst Loriots war es immer, durch eine sanfte Überzeichnung viel über uns und unsere Mitmenschen zu verraten. Er macht sich dabei gern auch mal über andere lustig, beispielsweise bei einem ganz feinen Essen, das mit Fremdwörtern übersättigt ist, die letztendlich gar nichts bedeuten. Richtig böse wird er dabei jedoch nie, er bleibt dabei immer freundlich und nett, was Teil seines Mainstream-Appeals war und ist.
Das ist unterhaltsam, selbst heute noch. Szenen wie die bei dem Scrabble-Spiel haben Geschichte geschrieben. Schön ist auch, wie unaufdringlich viele der Witze sind. Wo andere Kollegen und Kolleginnen gern mal dazu neigen, den Holzhammer auszupacken und dafür sorgen zu wollen, dass auch ja jeder und jede ihn mitbekommen hat, findet hier vieles ganz beiläufig oder sogar nur im Hintergrund statt. Bei Ödipussi lohnt es sich oft, ein bisschen genauer hinzuschauen und auf Details zu achten. Manche Einfälle sind eher versteckt, zumal auch darauf verzichtet wurde, diese in den Dialogen aufzugreifen. Das hat schon hin und wieder ein bisschen was von einer Ostereiersuche.
Ein zeitloser Komödienklassiker
So richtig viel Tiefgang hat das dann nicht unbedingt. Manche Passagen sind mehr Klamauk als feinsinniger Humor, womit man den deutschen Ausnahmekünstler normalerweise in Verbindung bringt. Außerdem ist da das besagte Problem, dass Ödipussi immer mal wieder zu einer Sketchparade degradiert wird. Der Witz von Loriot war da in den kleinen Dosen seiner TV-Produktionen doch besser aufgehoben. Dennoch: Das Spielfilmdebüt war geglückt, gilt völlig zurecht als Klassiker der deutschen Komödien. Wo viele andere Filme der 1980er heute nur noch sehr begrenzt zu gebrauchen sind, da machen die Abnabelungsprozesse und unbeholfenen Annäherungsversuche des älteren Singlemannes mit Mutterkomplex noch immer Spaß. Einiges ist natürlich letztendlich schon ein Kind der damaligen Zeit. Das meiste funktioniert aber noch immer, da es die Komödie auf die menschliche Natur abgesehen hat – und die ist dann doch zeitlos komisch.
OT: „Ödipussi“
Land: Deutschland
Jahr: 1988
Regie: Loriot
Drehbuch: Loriot
Musik: Rolf Wilhelm
Kamera: Xaver Schwarzenberger
Besetzung: Loriot, Evelyn Hamann, Katharina Brauren, Edda Seippel, Richard Lauffen, Klaus Schultz, Walter Hoor
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