Als inmitten von Bauschutt die Leiche der Bauingenieurin Daniela Nowak gefunden wird, führt die Spur Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) zu einer Baustelle in Cottbus. Dort war das Opfer für Karl Winkler (Sven-Eric Bechtolf) tätig, der gerade einen ganzen Wohnblock sanieren lässt. Die Antwort scheint in einem alten Haus verborgen zu liegen, das sowohl Zvi Spielmann (Dov Glickman) und seine Tochter Maya (Orit Nahmias) wie auch Elisabeth Behrend (Monika Lennartz) und ihr Sohn Jakob (Heiko Raulin) für sich beanspruchen. Schließlich soll die Tote im Besitz alter Dokumente aus der Zeit des Dritten Reiches sein, welche die Besitzverhältnisse regeln. Aber auch für Nowak bedeutet der Fall eine Beschäftigung mit der Vergangenheit, führen ihn die Ermittlungen doch zurück nach Cottbus, wo er seine ehemalige Kollegin Alexandra Luschke (Gisa Flake) wiedersieht …
Lass es uns anders machen
Zuletzt zeigte man sich bei Polizeiruf 110 von einer etwas experimentelleren Seite, versuchte sich an verschiedenen Möglichkeiten, dem Sonntagabendkrimi neues Leben einzuhauchen. Das klappte wunderbar in dem melancholischen Kaleidoskop An der Saale hellem Strand, welches das Verbrechen als Aufhänger nahm, um ein Porträt der Abgehängten zu zeichnen. Das pseudointellektuelle Frau Schrödingers Katze und die quälende Verhöranordnung Bis Mitternacht machten hingegen so gar nicht Lust auf mehr. Nicht alles, was neu ist, ist automatisch gut. So schön es ist, wenn man nicht jede Woche dasselbe aufgetischt bekommt, das Ergebnis war langweilig bis schrecklich, animierte schnell zum Ab- oder Umschalten.
Bei Polizeiruf 110: Hermann, dem 394. Fall der ARD-Krimireihe sind diese Impulse deutlich weniger stark ausgeprägt. Grund zum Ärger findet man zunächst nicht. Dafür aber auch nichts, das auf nennenswerte Weise hervorstechen würde. Wo die direkten Vorgänger noch nach neuen Wegen Ausschau hielten, da ist hier der Blick deutlich auf die Vergangenheit gerichtet. Das trifft einerseits konzeptionell zu, wenn hier ein klassischer Whodunnit-Krimi erzählt wird. Da gibt es eine Leiche und mehrere Personen, die eventuell für diesen Mord in Frage kommen würden. Die Motivationen sind nicht allzu abwechslungsreich, es geht praktisch immer darum, wem denn nun das Haus gehört. Aber es funktioniert, man darf hier als Zuschauer und Zuschauerin kräftig miträtseln, wer es gewesen ist.
Aufarbeitung der Vergangenheit
Dieser Rückblick betrifft aber auch den Inhalt. Es geht hier eben nicht nur um den Mord an sich, sondern die Aufarbeitung eines viel älteren Unrechts. Familie Spielmann steht stellvertretend für die Gräueltaten, die der jüdischen Bevölkerung angetan wurden. Zwar haben die Figuren diese Zeit im Gegensatz zu anderen überlebt. Ihren Besitz von damals bekommen sie aber trotzdem nicht zurück. Polizeiruf 110: Hermann kämpft damit einerseits gegen das Vergessen an, versucht das Thema aber mit dem modernen Problem der Gentrifizierung zu verbinden. Für den Immobilienhai Winkler ist es schließlich egal, welche der beiden Seiten denn nun Recht hat – Hauptsache, er kriegt das Haus. Und er nutzt zu diesem Zweck Mittel auf beiden Seiten der Legalität.
Ob die Idee so gut ist, alte Verbrechen mit neuen Verbrechen zu verknüpfen, darüber kann man geteilter Ansicht sein. Tatsächlich gerecht wird Polizeiruf 110: Hermann den wichtigen gesellschaftlichen Themen dadurch nicht, der Film zerreibt sich vielmehr zwischen den beiden Fronten. Da wird einiges dann letztendlich doch nur angeschnitten und ein bisschen sehr einfach zu einem versöhnlichen Ende gebracht. Da die TV-Produktion als Krimi ebenfalls nicht ganz befriedigend ist, bleibt hier am Ende ein nur durchschnittlicher Teil der Reihe übrig. Das ist dann zwar mehr, als man von den beiden Vorgängern behaupten kann. Während man sich über die aber wenigstens noch aufregen konnte, ist das hier letztendlich zu simpel und nichtssagend, trotz der bedeutenden Grundlage, die einen besseren Film verdient hätte.
OT: „Polizeiruf 110: Hermann“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Dror Zahavi
Drehbuch: Mike Bäuml
Musik: Jörg Lemberg
Kamera: Gero Steffen
Besetzung: Lucas Gregorowicz, Gisa Flake, Orit Nahmias, Dov Glickman, Monika Lennartz, Sven-Eric Bechtolf, Heiko Raulin, Bernd Hölscher
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