Seitdem seine geheime Identität als Spider-Man öffentlich gemacht wurde, ist das Leben des Schülers Peter Parker (Tom Holland) eine einzige Katastrophe. Ständig werden er, seine Freundin M.J. (Zendaya) und sein bester Kumpel Ned Leeds (Jacob Batalon) von anderen belagert, in den Medien gibt es kein anderes Thema mehr als seine angeblichen Verbrechen. Als dann auch noch ihre schulische Laufbahn vor dem Nichts steht, beschließt Peter, die Hilfe des Zauberers Doctor Strange (Benedict Cumberbatch) zu suchen. Vielleicht kann er ja all das wieder rückgängig machen. Tatsächlich bietet der ihm nach einigem Zureden an, einen mächtigen Zauber zu sprechen, nach dem alle anderen vergessen werden, dass er sich hinter der Maske des Superhelden befindet. Doch der Plan geht schief. Nicht nur, dass sich an dem Problem so rein gar nichts geändert hat. Es tauchen auch völlig Neue auf – aus einer parallelen Vergangenheit …
Zurück in die Vergangenheit
Das noch bis 2019 die Kinocharts dominierende Marvel Cinematic Universe hat im Folge der Corona Pandemie mächtig Federn lassen müssen. Von den einstigen Höhen waren die Teile von Phase vier bislang weit entfernt, Black Widow, Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings sowie Eternals dümpelten bei Einspielergebnissen von etwa 400 Millionen US-Dollar herum – zu wenig angesichts der hohen Budgets. Wobei man sich darüber streiten kann, wie viel auf die Pandemie zurückzuführen ist, wie viel auf die zum Teil recht durchwachsene Qualität, wie viel darauf, dass zumindest bei zwei der drei Filme völlig neue und dem Massenpublikum wenig bekannte Figuren in den Mittelpunkt rückt, die erst noch ihre Fans finden müssen. Umso größer sind die Erwartungen an Spider-Man: No Way Home, der mit einem der beliebtesten Helden antritt und von dem viele sagen, sein Film würde dieses Jahr einen neuen Rekord anstellen.
Aber es ist nicht nur der Held selbst, der nach Spider-Man: Homecoming und Spider-Man: Far From Home sein drittes Solo-Abenteuer innerhalb des MCU bestreitet, welcher im Vorfeld den großen Hype befeuert hat. Hinzu kam, dass irgendwann durchsickerte, dass Figuren früherer Spider-Man Filme hier einen Auftritt haben würde, die selbst nicht Teil des MCU sind. Tatsächlich verweist Spider-Man: No Way Home sowohl auf die drei Filme mit Tobey Maguire aus den 00er Jahren wie auch auf die beiden The Amazing Spider-Man Teile mit Andrew Garfield aus den 10er Jahren. Möglich macht dies das Konzept des Multiverse, welches schon zuvor bei Marvel mehrfach vorgestellt wurde. Der Animationshit Spider-Man: A New Universe machte die Vorstellung, dass es verschiedene Welten gibt mit jeweils eigenen Geschichten, sogar zum Mittelpunkt des Films. Hier nahm man das dann zum Anlass, um ziemlich ungeniert alles zusammenzuwerfen, was das Franchise im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte so angestellt hat.
Schaulaufen ohne echte Verbindung
Ob diese Idee nun so gut ist, darüber lässt sich jedoch streiten. Fans der Reihe dürfen vor Freude weinen, wenn auf einmal alte Helden und Schurken wieder auftauchen. Spider-Man: No Way Home hat da etwas von einem Ehemaligentreffen, bei denen man sich an das gemeinsam Erlebte erinnert und in Erinnerungen schwelgt. Marvel setzt hier ganz klar auf den Nostalgiefaktor, der in den letzten Jahren immer weitere Teile des Kinos in Beschlag nimmt. Wer jedoch keine nostalgischen Gefühle gegenüber diesen Figuren hat, bleibt etwas außen vor. Der Film tut relativ wenig dafür, die Wiederkehrer vorzustellen und einem näherzubringen. Dafür sind es letztendlich auch einfach zu viele – klar, wenn fünf Filme zusammengestopft werden. Ein paar Informationen werden zwar schon noch eingestreut, etwa zur Vorgeschichte. Das ist aber nur das absolute Minimum und nicht geeignet, damit Neulinge eine Verbindung aufbauen. Wo die ersten beiden Spider-Man Filme mit Holland gerade durch die Humanisierung der Freunde und Feinde hervorstachen, da zieht man hier das oberflächliche Spektakel vor.
Das bedeutet jedoch nicht, dass es hier nicht auch emotional zugeht. Tatsächlich ist Spider-Man: No Way Home einer der tragischsten Filme, die in der Flut der Marvel-Streifen entstanden sind. Schon bei den Vorgängern durfte man an der einen oder anderen Stelle mitgerissen werden. Die Konfrontation mit der Vergangenheit und dem Leben als Helden stellen den jungen Peter vor geradezu unmenschliche Aufgaben, die zudem mit interessanten moralischen Fragen einhergehen. Bei den meisten Comic-Adaptionen ist das Geschehen so stark abstrahiert, dass die direkten Folgen kaum noch zu spüren sind. Hier gelingt es jedoch, auf Basis der vorangegangen Abenteuer mit Holland, eine tatsächliche Reise darzustellen, an deren Ende seine Interpretation von Spider-Man erwachsener geworden ist. Die Erkenntnisse sind tatsächlich organisch erarbeitet, anstatt vom Himmel zu fallen, wie man es in solchen Filmen oft sieht.
Das Herz junger Menschen
Es ist dann auch der Protagonist sowie sein direktes Umfeld, welche das beste Argument darstellen, erneut vorbeizuschauen. Klar müssen mal wieder große Gegner besiegt werden, die alles in Schutt und Asche zu legen drohen. Aber das laute Getöse ist dann doch eher ein Hintergrundrauschen, vor dem die Geschichte junger Menschen erzählt wird, die in einer komplizierten Welt nach dem richtigen Weg suchen. Auch wenn Spider-Man: No Way Home ohne den Nostalgiebonus schwächer ist als die beiden vorangegangenen Filme, sehenswert ist er ohne jeden Zweifel. Wer darüber hinwegsehen kann, dass hier durch Bombast künstlich und unnötig aufgeblasen wurde und es allgemein Probleme mit dem Tempo gibt – der Mittelteil zieht sich, das Ende ist überhastet –, darf sich auf ein Wiedersehen freuen und hoffen, dass es nicht das Finale gewesen sein wird.
OT: „Spider-Man: No Way Home“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Jon Watts
Drehbuch: Chris McKenna, Erik Sommers
Musik: Michael Giacchino
Kamera: Mauro Fiore
Besetzung: Tom Holland, Zendaya, Jacob Batalon, Benedict Cumberbatch, Marisa Tomei, Jon Favreau, Tobey Maguire, Andrew Garfield, Jamie Foxx, Alfred Molina, Willem Dafoe, J. K. Simmons
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