In Der Schein trügt (Kinostart: 16. Dezember 2021) erzählt der serbische Regisseur Srdjan Dragojević von drei Wundern, die sich im Laufe mehrerer Jahre von den 1990ern bis heute ereignen. Diese stellen die Bevölkerung vor ein größeres Problem, weiß doch niemand so recht, wie er auf diese Ereignisse reagieren soll. Wir haben uns bei der Premiere während des Locarno Film Festivals 2021 mit dem Filmemacher über seine fantasievolle Satire unterhalten.
Könntest du uns ein wenig über die Entstehungsgeschichte von Der Schein trügt erzählen? Wie und wann bist du auf die Idee für den Film gekommen?
Die Idee selbst ist schon alt. Als ich 18 oder 19 war habe ich diese fantastischen Kurzgeschichten von Marcel Aymé entdeckt. Damals habe ich sie geliebt. Später habe ich sie aber komplett vergessen. So vor etwa fünf Jahren habe ich wieder mit dem Buch begonnen und das brachte mich auf die Idee für den neuen Film. Ich mochte immer das Genre der Fantasy und Science-Fiction. Der Schein trügt war für mich die Gelegenheit, etwas ganz anderes zu machen als meine bisherigen Filme. Vorher habe ich zum Beispiel ein Kriegsdrama gedreht oder auch eine Komödie, aber noch nichts, was in diese Richtung geht. Außerdem bin ich inzwischen über 50. Und das ist ein Alter, in dem du über Themen wie Religion und Spiritualität nachdenkst. Deswegen war das jetzt der passende Film für mich.
Und welche Reaktionen erwartest du vom Publikum? Der Film ist nicht nur anders als deine vorangegangenen Filme, sondern auch nicht ganz einfach zu fassen.
Ich habe den Film Leuten gezeigt, die mir wichtig sind und auf deren Meinungen ich Wert lege. Einer der mir liebsten Menschen ist meine Schwester, die Nonne ist. Ich habe schon die Befürchtung, dass der Film wegen seines Humors als Blasphemie aufgefasst wird, weshalb ich meine Schwester immer wieder miteinbezogen habe. Aber sie meinte: Das ist ein christlicher Film. Eine christliche Komödie. Und auch die beiden Bischöfe, denen ich den Film gezeigt habe – der eine orthodox, der andere katholisch –, haben ihn geliebt. Sie haben auch die kleinen Details verstanden, die ich mit Der Schein trügt ausdrücken wollte und die vielleicht nicht von allen verstanden werden. Aber das ist okay, du musst nicht beim Anschauen eines Films immer alles sehen und verstehen können.
Welche Punkte waren dir denn beim Dreh wichtig?
Ein Punkt, der mir aber wichtig war, das war das Dilemma bei der Bewertung eines Wunders: Handelt es sich dabei um ein göttliches Zeichen oder um eine Versuchung des Teufels? So wie bei dem Heiligenschein zu Beginn des Films, bei dem nicht klar ist, woher er auf einmal kommt. Ich wollte untersuchen, wie eine postkommunistische Gesellschaft, in der lange Religion unterdrückt wurde, auf solche Erscheinungen reagiert. Ein weiteres Thema ist die Frage, welcher Gott am Wirken ist. Ist es der Gott aus dem Alten Testament, der die Menschen bestrafen will? Oder ist es der Gott aus dem Neuen Testament, der für Liebe und Verzeihen steht? Außerdem war mir das Konzept des goldenen Kalbes wichtig, das wir anbeten. Im Film geschieht das über die dritte Geschichte mit den Bildern, bei dem wir über Kunst reden und den Sinn und Zweck von Kunst. Geht es uns dabei nur um das Erschaffen von etwas? Oder soll diese Kunst einen kommerziellen Nutzen haben? Einen Wert haben? Der Schein trügt soll auch eine Satire auf die kreative Industrie sein, die Kunst zu einem Wertobjekt reduziert. Gleichzeitig ist die dritte Geschichte rund um diese nahrhafte Kunst eine Geschichte über das größte Wunder überhaupt: die Liebe.
Wenn Kunst für dich mehr sein soll als ein nahrhaftes Objekt: Worin siehst du ihren Zweck?
Für mich ist der Zweck von Kunst, etwas zurückzulassen. Sie soll ein Ausdruck von mir und der Zeit sein, in der ich lebe. Ich selbst schaue mir meine Filme nicht an, nachdem ich sie gedreht habe. Erst Jahre später hole ich sie wieder hervor, um zu sehen: Ist da etwas übrig geblieben? Haben sie die Jahre überlebt? Manche haben das, andere nicht. Beispielsweise habe in den 90ern Filme gedreht, um die damalige Situation überstehen und verarbeiten zu können. Da war der Krieg, später die internationalen Sanktionen. Meinen ersten Film, den ich 1992 gedreht habe, konnte ich damals niemanden zeigen, weil das aufgrund der Sanktionen nicht möglich war. Sogar die Kultur wurde damals sanktioniert, was Wahnsinn war. Später hatten wir diese riesige Inflation. Die 90er waren die schlimmste Phase in unserer Region. Hätte ich damals nicht meine Filme gemacht, wäre ich verrückt geworden. Insofern hat die Kunst mich gerettet. Mit anderen Filmen wollte ich etwas bewegen, mich für etwas einsetzen, beispielsweise durch Parada, den ich für meine homosexuellen Freunde gedreht habe. Ich glaube zwar nicht, dass Filme allein eine Gesellschaft verändern können. Aber sie können zu dieser Veränderung beitragen. Deswegen sehe ich mich selbst auch als einen Film-Aktivisten.
Vielen Dank für das Gespräch!
(Anzeige)