Im Leben des Schülers Nobita Nobi klappt eigentlich so gut wie nie etwas, wie es sollte. Seine Noten sind lausig, ständig muss er wegen seiner notorischen Verspätungen nachsitzen. Und wenn er mal nicht in der Schule ist, wird er von seinen Mitschülern Gian und Suneo schikaniert. Sein großer Schwarm Shizuka ist hingegen unerreichbar, nimmt ihn nie so wirklich wahr. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass er sein eigenes Leben auf diese Weise versaut, müssen auch seine Nachfahren unter den diversen Verfehlungen des Jungen leiden. Bis es irgendwann einem von ihnen reicht: Sewashi, ein Urenkel Nobitas, stattet ihm mithilfe einer Zeitmaschine einen Besuch ab, die Roboterkatze Doraemon im Schlepptau. Letztere soll so lange bei ihm bleiben, bis er gelernt hat, sein Leben in den Griff zu bekommen und das Glück zu finden. Doch das kann dauern …
Zwischen Blockbuster und Geheimtipp
Auch wenn Animes und Mangas hierzulande im Laufe der letzten Jahre wieder gewaltig an Popularität gewonnen haben, man sich vor neuen Titeln kaum noch retten kann, so gibt es doch noch genügend Stoff, der es nie zu uns geschafft hat. Ein Geheimtipp, der eigentlich keiner sein sollte, ist dabei Doraemon. In Japan kennt jeder die von Fujiko F. Fujio entworfene Roboterkatze, die jahrzehntelang in Comic-Form die Herzen des eher jüngeren Publikums verzauberte. Doch die blieben uns ebenso vorenthalten wie die diversen Anime-Serien. Auch die Anime-Filme schafften nicht den Sprung ins Ausland, und das obwohl es immerhin vierzig Stück gibt – vergleichbar zu Detektiv Conan oder Lupin III ist Doraemon eine echte Langzeit-Institution. Nicht einmal Stand by Me Doraemon fand Beachtung. Und dabei handelt es sich, dank eines überraschend starken Kinoergebnisses in China, um den siebterfolgreichsten Animefilm aller Zeiten, noch vor Pokémon – Der Film und Prinzessin Mononoke.
Etwas unerwartet wurde der versteckte Blockbuster mehr als sieben Jahre später doch noch in Deutschland veröffentlicht, Netflix sei Dank. Schließlich hat der Streamingdienst den Nachfolger Stand by Me Doraemon 2 eingekauft und als Originaltitel veröffentlicht. Da wäre es schon seltsam gewesen, den ersten Teil nicht zu bringen. Viel erwartete man aber wohl nicht, weshalb es keine deutsche Synchronisation gibt. Das ist nicht nur im Hinblick auf den durchaus synchronisierten Nachfolger fragwürdig. Auch bei der jungen Zielgruppe wird man damit auf wenig Gegenliebe stoßen. Welches Kind will schon Untertitel lesen? Es ist auch sehr schade, weil der Film einiges zu bieten hat und schon nach wenigen Minuten klar wird, warum das Franchise ein solcher Dauerbrenner ist und mehrere Generationen für sich gewinnen konnte.
Wahnsinnig einfallsreiche Gadgets
Kinder dürfen sich natürlich vor allem in Nobita wiederfinden, dem einfach nichts gelingen will. Er hat keine Freunde, findet bei der Liebe keinen Anschluss, scheitert in der Schule und hat auch sonst keine gewinnenden Eigenschaften. Wo andere Protagonisten und Protagonistinnen in dieser Altersklasse gerne als strahlende Vorbilder etabliert werden, die als Inspiration dienen können, da handelt Stand by Me Doraemon von einem ziemlichen Verlierer. Zum Vorbild würde man sich ihn eher nicht nehmen wollen. Gleichzeitig verzichtet der Film aber auch darauf, sich über ihn lustig zu machen. Stattdessen begleitet er den Jungen dabei, wie er mit Hilfe von Doraemon Fortschritte macht, selbstbewusster wird, glücklicher wird. Der Weg ist jedoch bemerkenswert steinig. Selbst als er sich zusammenreißt und richtig fleißig und erwachsen sein will, ist er von Rückschlägen geplagt.
Der eine Reiz des Films liegt darin, wie er trotz allem weitermacht und mit der Zeit tatsächlich vorankommt, wenn auch sehr langsam. Der andere ist in den vielen sonderbaren Gegenständen begründet, welche Doraemon im Gepäck hat. Diese vorab zu verraten, wäre fahrlässig, trägt doch gerade der Überraschungseffekt zum Spaß bei. Man weiß hier einfach nie, welches sonderbares Objekt als nächstes in Stand by Me Doraemon ausgepackt wird. Die sind teils sehr praktisch, teils einfach nur seltsam, dabei aber immer verblüffend. Der Anime überzeugt durch die vielen Ideen, ist gerade im Hinblick auf die Gadgets unglaublich fantasievoll. Gleichzeitig sind sie zum Teil recht willkürlich, was aber auch die episodenhafte Geschichte bedingt ist. Man merkt hier dann doch deutlich, dass da eine Reihe von Kurzgeschichten zusammengeschnippelt wurden, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Es gibt zwar diesen roten Faden des Glücks, welches Nobita und Doraemon suchen. Eine tatsächliche inhaltliche Kontinuität sucht man hingegen vergeblich.
Realismus trifft Comic
Allenfalls die Optik ist sehr konstant. Sie ist auch überraschend hübsch, bedenkt man das Alter des Films und dass CGI in Japan noch immer ein Nischendasein fristet. Ähnlich zu Lupin III: The First gelang es aber sehr gut, die charakteristischen Designs in die neue Umgebung zu übersetzen und dabei trotz allem unverkennbar zu bleiben. Selbst der eigentlich recht krasse Konflikt zwischen dem fotorealistischen Drumherum und den comichaft-überzogenen Figuren fällt nicht störend auf. Stand by Me Doraemon wirkt da wie aus einem Guss und ist trotz des im Vergleich zu westlichen Animationsfilmen geringen Budgets sehenswert. Wäre da nicht die fehlende Synchronisation, plus die eine oder andere befremdliche Szene – darunter Gewalt und erzwungene Liebe –, wäre der Anime auf jeden Fall für Kinder empfehlenswert. Aber auch so ist es schön, dass der Film nach langer Wartezeit zu uns gekommen ist.
OT: „Stand by Me Doraemon“
Land: Japan
Jahr: 2014
Regie: Ryūichi Yagi, Takashi Yamazaki
Drehbuch: Takashi Yamazaki
Vorlage: Fujiko F. Fujio
Musik: Naoki Sato
Animation: Shin-Ei Animation
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