Tatort Und immer gewinnt die Nacht
© Radio Bremen/Michael Ihle/Christoph Holsten

Tatort: Und immer gewinnt die Nacht

Inhalt / Kritik

Tatort Und immer gewinnt die Nacht
„Tatort: Und immer gewinnt die Nacht“ // Deutschland-Start: 12. Dezember 2021 (Das Erste)

Das Verbrechen war ebenso brutal wie rätselhaft: Ein Mann wurde am Hafen überfahren, anschließend wurde ihm mehrfach der Schädel eingeschlagen. Aber weshalb? Wer könnte den Arzt derart gehasst haben? Bei ihren Ermittlungen stoßen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram) auf eine Reihe von Leuten, die etwas damit zu tun gehabt haben können, darunter die Arzthelferin Kirsten Beck (Lisa Jopt), die Aktivistinnen Ann Gelsen (Anna Bachmann) und Vicky Aufhoven (Franziska von Harsdorf), die Unternehmerin Charlotte Aufhoven (Karoline Eichhorn) und die Besatzung eines Frachtschiffes, das ganz in der Nähe im Hafen ankert. Währenddessen hat Mads Andersen (Dar Salim) noch ein ganz anderes Problem: Ein unbekannter Junge (Issa Khattab) verfolgt ihn schon seit einigen Tagen …

Das Krawall-Trio ist zurück

Im Mai erst ging das neue Bremer Team vom Tatort an den Start, nun steht bereits der zweite Einsatz des ungleichen Trios an. Der Auftakt Neugeboren faszinierte dabei weniger als der Krimi. Es gab zwar einen Fall, der innerhalb der üblichen 90 Minuten gelöst werden musste. Viel wichtiger war aber die zwischenmenschliche Komponente, wenn die drei anfangs irgendwie so gar nicht miteinander können. Und auch bei den Episodenfiguren ging es hochdramatisch zu. Der Film nahm uns mit zu Leuten in prekären Verhältnissen, bei denen wirklich alles kaputt ist. Das war zwar vielleicht nicht spannend im klassischen Sinn, aber doch aufgrund der starken Charaktere und der sehr tragischen Note, die sich zum Schluss noch einmal verstärkte, sehenswert und machte Lust auf mehr.

Mit Tatort: Und immer gewinnt die Nacht geht es prinzipiell in eine ähnliche Richtung, wenn erneut die menschliche Komponente im Vordergrund steht. Dabei ist der 1181. Fall der ARD-Reihe formal schon ein klassischer Whodunnit. Der Film beginnt mit dem Fund einer Leiche, danach werden zahlreiche Figuren abgeklappert, die alle irgendwie ein Motiv hatten für einen Mord. Das erste Problem ist jedoch dieses „irgendwie“. So richtig überzeugend ist das alles nicht. Wenn der Fall nicht vorangeht, dann auch deshalb, weil das Fundament schon recht löchrig ist, das ergibt nicht so wahnsinnig viel Sinn. Das gilt dann auch für die Auflösung, die aus heiterem Himmel kommt und den Eindruck erweckt, da hätte jemand blind aus einem Hut voller Lösungszettel diesen herausgezogen. Es hätte auch jeder andere sein können, ohne dass es einen Unterschied machen würde.

Auf der Suche nach dem Thema

Ebenso willkürlich sind zudem die Themen zusammengestückelt, die Drehbuchautor Christian Jeltsch (Die verlorene Tochter) hier anspricht. Und das sind jede Menge. Da wäre zum einen wieder die soziale Komponente, wenn nicht nur eine der Verdächtigen aus einem unteren Milieu kommt, auch Moormann entstammt diesem. Das wird mit der Familie Aufhoven kontrastiert, die in einem schicken Haus wohnt und dicke, teure Zigarren pafft. Aber das ist eben nur ein Aspekt unter vielen. Da gibt es ein lesbisches Pärchen, das noch genießbares Essen aus Mülltonnen stiehlt und an Arme weitergibt. An anderer Stelle geht es um das schwere Erbe eines Vaters und den Versuch, sich davon freizukämpfen. Zwischendurch ist für ein bisschen Korruption im Gesundheitswesen Platz. Von den Machenschaften am Hafen ganz zu schweigen. Ach ja, und ein Jugendlicher wird gemobbt, der seit einem Autounfall nicht mehr ganz derselbe ist.

Das ist schon ein bisschen sehr überfrachtet, der Film jagt eine Sau nach der anderen durch Bremen und interessiert sich anschließend nicht mehr dafür, was mit dieser passiert. Das ist mindestens anstrengend, teils sogar frustrierend bis irritierend. Es fehlt ein schlüssiges Konzept, wovon hier überhaupt erzählt werden und was erreicht werden soll. Dafür sind die Figuren selbst nach wie vor interessant. Tatort: Und immer gewinnt die Nacht rettet sich durch die starken Auftritte seines konfrontativen Ensembles vor dem Sturz ins Bodenlose. Für die Zukunft wäre diesem aber zu wünschen, dass es eine Geschichte bekommt, in der es auch tatsächlich seine Stärken ausspielen darf, anstatt sich mit einem Flickenteppich aus Halbideen und Unsinnigkeiten herumplagen zu müssen, der weder den Schauspielern und Schauspielerinnen noch dem Publikum gerecht wird.

Credits

OT: „Tatort: Und immer gewinnt die Nacht“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Oliver Hirschbiegel
Drehbuch: Christian Jeltsch
Musik: Sebastian Fillenberg
Kamera: Leah Striker
Besetzung: Jasna Fritzi Bauer, Dar Salim, Luise Wolfram, Anna Bachmann, Franziska von Harsdorf, Karoline Eichhorn, Ernst Stötzner, Issa Khattab, Lisa Jopt

Bilder

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Nach einem guten Auftakt folgt gleich die Ernüchterung. „Tatort: Und immer gewinnt die Nacht“ punktet zwar erneut mit einem starken Ensemble und den Figuren. Drumherum sieht es aber übel aus: Der Krimi ist kaum zu gebrauchen, stattdessen werden unzählige Themen angesprochen, die im Anschluss niemanden mehr interessieren.
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