Eigentlich hatte Alexey Karpushin (Danila Koslowski) gerade andere Sorgen in seinem Leben. Schließlich war er seiner großen Liebe Olga (Oksana Akinshina) wiederbegegnet. Und er war seinem Sohn begegnet, von dem er gar nicht wusste, dass es ihn gibt. Zu gern hätte er deshalb seine Zeit und Aufmerksamkeit der Aufgabe gewidmet, sich mit Olga zu versöhnen und endlich eine Familie mit den beiden zu gründen. Stattdessen kommt es aber zu einer gefährlichen Kettenreaktion im nahegelegenen Atomreaktor in Tschernobyl. Und es liegt an am Feuerwehrmann, dem Ingenieur Valera (Filipp Avdeev) und dem Militärtaucher Boris (Nikolay Kozak), die große Katastrophe noch zu verhindern. Dabei hat er auch eine persönliche Motivation, wurde doch sein Sohn der Strahlung ausgesetzt und braucht dringend Behandlung …
Nuklearkatastrophe als Mittel der Romantik
Chernobyl gehörte sicherlich in dem eigentlich völlig überlaufenen Serienmarkt zu den Ereignissen der letzten Jahre. Hochspannend und gnadenlos wurde hier die Vorgeschichte der Katastrophe erzählt und aufgezeigt, wie eine Mischung aus Inkompetenz und Skrupellosigkeit verheerende Folgen nach sich zog. Zwar stand die US-amerikanisch-britische Coproduktion wegen seines großzügigen Umgangs mit der Realität in der Kritik. Zuschauer und Zuschauerinnen waren jedoch hellauf begeistert, am Ende gab es eine Reihe von Preisen, darunter den Golden Globe für die beste Miniserie. Da durfte man schon neugierig sein, wie sich Tschernobyl 1986 im Vergleich schlagen würde. Umso mehr, da es sich hier um eine russische Produktion handelt und damit eine Art Gegenstück zu der westlichen Fassung.
Dabei fällt früh auf, dass der Film eine ganz andere Richtung einschlägt als die Serie. Wo Letztere sich mit dem Ereignis als solchen auseinandersetzte, da wird dies in Tschernobyl 1986 mehr zum Hintergrund einer persönlichen Geschichte. Zwar sind es schon mehrere Männer, die hier gegen die Katastrophe ankämpfen. Eindeutig im Mittelpunkt steht dabei jedoch Alexey, dessen Privatleben einen sehr großen Raum in der Handlung einnimmt. Tatsächlich dauert es so lange, bis das eigentliche Ereignis stattfindet, dass man sich als Zuschauer bzw. Zuschauerin zwischenzeitlich fragt, ob man nicht versehentlich den falschen Film eingelegt hat. Regisseur Danila Koslowski, der auch gleich die Hauptrolle übernommen hat, interessiert sich dann doch mehr für die Frage, ob der Junge sein Mädchen bekommt oder nicht.
Zu spät, zu wenig
Dass es in Katastrophenfilmen manchmal länger dauert, bis die eigentliche Katastrophe beginnt, das ist zwar nicht ungewöhnlich. Titanic etwa ist über weite Strecken mehr eine Romanze rund um das Thema Klassenunterschiede. Dass das Schiff und zahlreiche Passiere dem Tod geweiht waren, rückte in den Hintergrund. Und auch andere Werke investieren erst einmal viel in die Figuren, damit das Publikum jemanden hat, bei dem es mitfiebern darf. Das tut man dann doch mehr mit Einzelnen als mit einer Masse. Bei Tschernobyl 1986 funktioniert das aber nicht so wirklich, da die Romanze und die beiden verhinderten Lieben selbst alles andere als spannend sind. Sie führen nur dazu, dass der Film mit über zwei Stunden Laufzeit viel zu lang ist, teilweise langweilt, teilweise nervt.
Etwas besser sieht es aus, als der Film den Fokus verlagert und es dann doch mal darum geht, wie drei mutige Männer quasi im Alleingang das Ende der Welt aufhalten müssen. Tschernobyl 1986 wird dann zu einer klassischen Heldengeschichte mit viel Druck und viel Ehre. Aber selbst dann hält sich die Begeisterung eher in Grenzen, da die Actionszenen bestenfalls solide in Szene gesetzt wurden. Da zudem der Informationsgehalt eher dünn ist, man gar nicht so viel über die Ereignisse damals erfährt, wie zu hoffen gewesen wäre, gibt es keinen so wirklichen Grund, diese Zeitreise zu starten. Da haben der serielle Konkurrent oder auch Fukushima, das sich mit dem japanischen nuklearen Katastrophenfall beschäftigt, mehr zu bieten.
OT: „Chernobyl“
Land: Russland
Jahr: 2021
Regie: Danila Koslowski
Drehbuch: Elena Ivanova, Aleksey Kazakov
Musik: Voxeaa
Kamera: Ksenia Sereda
Besetzung: Danila Koslowski, Oksana Akinshina, Filipp Avdeev, Nikolay Kozak
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