An Impossible Project
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An Impossible Project

Inhalt / Kritik

An Impossible Project
„An Impossible Project“ // Deutschland-Start: 20. Januar 2022 (Kino) // 27. Mai 2022 (DVD)

Der Mensch ist analog, aber alle reden nur von Digitalisierung. Dieser Widerspruch treibt Florian „Doc“ Kaps seit vielen Jahren um. Und nicht nur ihn. „Digital Detox“, also Entgiftung vom Overkill billionenfacher Fotos und Filmchen, liegt im Trend. Das Echte, Handgreifliche gewinnt wieder an Wert. Der „Doc“ erkannte das als einer der ersten. Als die Firma Polaroid 2008 das Ende von analogen Sofortbildkameras verkündete, fuhr der Mann aus Wien ins niederländische Enschede, um dort die letzte Produktionsstätte zu retten. Der Charme des Analogen war ihm 180.000 Euro wert. Dummerweise vergaß er, auch den Markennamen und die chemische Rezeptur für das sekundenschnelle Entwickeln mitzukaufen. Trotzdem gelang „Impossible“, wie die Firma nun hieß, nach abenteuerlichem Ringen und viel verbranntem Geld rund zehn Jahre später ein durchschlagender Erfolg. „Doc“ war da freilich schon nicht mehr dabei, sondern widmete sich anderen gefährdeten Arten der analogen Technik. Welche das sind, erzählt der Dokumentarfilm von Jens Meurer auf erfrischend undogmatische Weise.

Menschengerechte Balance

Ein ehrwürdiges Gebäude geht in die Knie. Wie Butter knicken die Mauern ein, bezwungen von Dynamit. Eine Armada von Feuerwehrleuten spritzt aus allem Rohren, um die rötliche Staubwolke zu bändigen. So endete eine der letzten beiden Produktionsstätten von Kodak, wie Polaroid ein Dinosaurier nach dem Meteoriteneinschlag von I-Phone und Co. In einem Brennglas verdichtet die Archivaufnahme, was der Normalbürger als schleichenden Prozess wahrnahm: eine neue Generation von Fotoapparaten und dann das Smartphone trieben die Hersteller von Filmmaterial in den Ruin. Doch was bedeutet das für die Erfahrungswelt von Menschen, wenn sie Dinge nicht mehr anfassen und riechen können? „Das Digitale kennt nur zwei Sinne, das Sehen und das Hören“, kritisiert „Doc“ Kaps. Er will deshalb alles retten, was realer ist als die Null und die Eins. Vinyl-Schallplatten (bei jungen Leuten schon seit Langem ein Renner), alte Druckmaschinen, mechanische Aufnahmegeräte oder eine elegante Musiktruhe, die wie eine Jukebox funktioniert, nur im Privaten und sehr dezent.

Aber es geht nicht nur um die einzelnen Artefakte, es geht um das Leben als solches. Das Digitale macht alles schneller und effizienter, das Analoge darf Umwege nehmen und Fehler machen. Was braucht es also für ein menschengerechtes Dasein, und in welcher Balance? Der „Doc“ und mit ihm der Filmemacher, der der analogen Gegenrevolution eine Plattform bietet, sind keine Oberlehrer, die jedes Smartphone und jede Streaming-Plattform verbieten. Sie nutzen sie selber, so selbstverständlich wie das Internet und den Computer. Aber sie plädieren für Wahlfreiheit. Jeder soll selbst entscheiden können, wie er fotografiert oder Musik hört – und ob er vielleicht tagsüber auf der Fahrt zur Arbeit die Kopfhörer des Smartphones in die Ohren steckt und abends gemütlich eine Vinylplatte auflegt.

Auf 35 Millimeter gedreht

Nicht nur inhaltlich bricht Jens Meurers erster Dokumentarfilm nach einer Pause von fast 20 Jahren eine Lanze fürs Analoge. Die Kamera huldigt förmlich den altertümlichen Geräten. Sanft fährt sie durch die Maschinenhalle von Polaroid in Enschede, tastet die Apparaturen ehrfürchtig ab, erkundet den Raum beinahe wie eine Kathedrale, der Aura von etwas Heiligem nachspürend. Fast überflüssig zu erwähnen, dass Meurers Kameraleute Bernd Fischer und Torsten Lippstock auf echtem 35-Millimeter-Film gedreht haben. Den Unterschied sehen vermutlich nur Fachleute. Aber deutlich zu spüren ist der sorgfältige und überlegte Umgang mit dem teuren Material, im Unterschied zum blindwütigen Draufhalten der Kamera, das erst durch die Gratiskultur des Digitalen möglich wurde.

„Doc“ Kaps ist im Unterschied zu manchen seiner Mitstreiter, die wir im Film kennenlernen, kein wirklicher Unternehmer. Er selbst bezeichnet sich als Visionär, man könnte auch Träumer sagen oder Besessener. Schon oft hat ihm seine Ehefrau prophezeit, er werde einst als großer Verlierer enden, weil er ständig etwas Neues in die Hand nehme. Auf alle Fälle verströmt sein Temperament etwas Spielerisches. Der Film folgt ihm darin. Seiner durchdachten Machart zum Trotz bewahrt sich An Impossible Project das Augenzwinkern, den Humor und die Leichtigkeit des Seins, wenn er etwa Wien zur „Hauptstadt des Analogen“ ausruft und die Filmmusik mit einem 40-Leute-Orchester plus Sängerin Haley Reinhart live einspielt. Da bricht sich die mitschwingende, ein Tick zu stark überhöhte Nostalgie an einem Lichtermeer von Kerzen.

Credits

OT: „An Impossible Project“
Land: Deutschland, Österreich
Jahr: 2020
Regie: Jens Meurer
Drehbuch: Jens Meurer, Franziska Kramer
Musik: Sascha Peres und Orchester feat. Haley Reinhart, Ryan Teague, Alice Phoebe Lou
Kamera: Bernd Fischer, Torsten Lippstock

Bilder

Trailer

Interview

Wer mehr über die Entstehungsgeschichte von An Impossible Project erfahren möchte: Wir hatten die Gelegenheit, Regisseur Jens Meurer in unserem Interview einige Fragen zum Dokumentarfilm zu stellen.

Jens Meurer [Interview]

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An Impossible Project
Fazit
„An Impossible Project“ greift ein Thema auf, das fast jeden Smartphone-Besitzer umtreibt: die Übersättigung durch das Digitale. Der Dokumentarfilm von Jens Meurer begleitet Analog-Retter Florian „Doc“ Kaps und seine Mitstreiter auf der Suche nach einer menschenfreundlichen Technik.
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