Als Wolff-Dieter Meurer stirbt, kommen seine Angehörigen von überall her. Zum einen gilt es, ein schönes Fest zu gestalten und sich gemeinsam an den Verstorbenen zu erinnern. Aber auch die Aussicht auf ein fettes Erbe hat sie allesamt angelockt. So macht sich beispielsweise sein Söhne Mario (Charly Hübner) Hoffnung darauf, das traditionsreiche Sanitärunternehmen der Familie zu übernehmen. Der Erstgeborene Thorsten (Devid Striesow), der zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder in seine alte Heimat zurückkehrt, hofft hingegen auf Geld. Denn davon bräuchte er gerade jede Menge. Doch da sind auch noch ihre Schwester Sabine (Claudia Michelsen) sowie Halbbruder Kevin (Enno Trebs), die sich alle Hoffnungen machen können. Ganz zu schweigen von Gaby (Catrin Striebeck), der zweiten Frau des Toten, die keine große Lust hat, das Erbe mit jemand anderem teilen zu müssen …
Der Spaß am Improvisieren
Normalerweise beinhaltet es der Beruf des Schauspielers bzw. der Schauspielerin, dass man Texte auswendig lernt und diese dann so gut es eben geht vorträgt. Wenn Filme und Serien sich von diesem bewährten Vorgang entfernen und lieber auf Improvisation setzen, dann hat das meistens eines von zwei Zielen. Das eine ist, dass durch die erzwungene Spontaneität natürlichere Texte entstehen. Schließlich hat dabei niemand mehr die Möglichkeit, an Dialogen zu feilen oder über Betonungen nachzudenken. Man spricht so, wie es einem durch den Kopf schießt. Eine Nacht in Helsinki war kürzlich ein Beispiel dafür. Das andere besteht darin, dass unerwartet komische Situationen entstehen, wenn das Ensemble kontinuierlich mit Überraschungen konfrontiert wird. Nicht ohne Grund gab es im Fernsehen zahlreiche Impro-Comedys, bei denen die Humor-Prominenz gefordert ist.
Bei Das Begräbnis ist es irgendwie beides. Der bestens in diesem Bereich erfahrene Regisseur und Co-Autor Jan Georg Schütte (Für immer Sommer 90) nimmt für sein neuestes Werk ein eben solches als Ausgangspunkt für ein munteres Treiben. Ein solcher Anlass klingt eigentlich weniger nach Spaß. Tatsächlich ist die sechsteilige Mini-Serie über weite Strecken aber durchaus unterhaltsam, wenn sich hier alle gegenseitig an die Gurgel gehen. Ein zentraler Streitpunkt ist dabei natürlich das Erbe. Nicht ohne Grund greifen viele Krimis auf solche Geschichten zurück, denn nicht bringt das Hässliche im Menschen verlässlicher an die Oberfläche wie das Geld. Blut mag dicker sein als Wasser. Besitz trumpft in den meisten Fällen aber Blut, weshalb es nicht lange dauert, bis hier die Fetzen fliegen.
Ein Ereignis, viele Perspektiven
So alltäglich das Szenario ist, so ungewöhnlich ist, was Schütte daraus gemacht hat. Vor allem der Aufwand, den er und sein Team betrieben haben, ist überaus beeindruckend. So wurde die ganze Serie zwar an nur zwei Tagen gedreht, was sehr wenig ist. Doch es liefen nicht eben nur ein oder zwei Kameras, wie es üblicherweise der Fall ist. Hier waren es über 50. Die waren auch tatsächlich dauerhaft in Eindruck, wenn an mehreren Orten gleichzeitig gedreht wurde. Die einzelnen Folgen von Das Begräbnis sind dann auch nicht, wie man es hätte erwarten dürfen, chronologisch angeordnet. Stattdessen finden sie quasi gleichzeitig statt. Manche Szenen kommen auf diese Weise mehrfach dran, werden aber aus unterschiedlichen Perspektiven gezeigt, je nachdem wem die Kamera gerade folgte. Dadurch entsteht in Das Begräbnis ein schönes Echtzeitgefühl und der Eindruck, wirklich Teil eines Events zu sein.
Es hilft auch bei der Charakterisierung der Figuren. Beispielsweise ist Gaby zunächst nur das gierige Biest, das sich alles unter den Nagel reißt. Die letzte Folge, die ihr gewidmet ist, zeigt dann aber eine andere Seite von ihr, wenn sie auf der Beerdigung ihres eigenen Mannes isoliert ist. Weniger geglückt sind hingegen manche inhaltlichen Vorgaben, die der Idee einer solchen Produktion etwas zuwiderlaufen. Zum Beispiel versucht Das Begräbnis, einen Konflikt zwischen West- und Ostdeutschland aufzubauen, was aber viel zu zaghaft geschieht, als dass es tatsächlich Wirkung entfalten könnte. Damit zusammen hängen auch eine Nebenfiguren, bei denen es kaum gelingt, sie in das Geschehen zu integrieren. Während andere einem mit der Zeit näherkommen und man sich der Zusammenhänge bewusst wird, sind sie einfach nur da.
Ein bestens aufgelegtes Ensemble
Doch diese Schwächen trüben das Vergnügen nicht übermäßig. Die zwischen dreißig und vierzig Minuten langen Folgen sind schnell vorbei. Und auch wenn sie mehr oder weniger alle dasselbe erzählen, ist die Neugierde groß, wie es weitergeht und was sonst noch alles nicht mit den Figuren stimmt. Das liegt maßgeblich auch am bestens aufgelegten Ensemble, welches Schütte einspannen konnte. Mehr als ein Dutzend Hauptfiguren sind es hier, die meisten davon prominent besetzt – sofern man sich ein bisschen in dem Bereich auskennt. Hübner und Striesow sind dabei natürlich die Aushängeschilder, fügen sich aber gut ein in ein in die Gruppe, die gleichzeitig harmonisch und kontrastreich ist. So fragwürdig und mittelmäßig deutsche Produktionen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen oft sind, Das Begräbnis gehört neben Die Wannseekonferenz zu den Beispielen, dass sich das Einschalten manchmal dann eben doch lohnt.
OT: „Das Begräbnis“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Jan Georg Schütte
Drehbuch: Jan Georg Schütte, Sebastian Schultz
Musik: Alex Komlew, Dominik Giesriegl
Kamera: Oliver Schwabe, Nikolas Jürgens
Besetzung: Charly Hübner, Devid Striesow, Claudia Michelsen, Christine Schorn, Catrin Striebeck, Enno Trebs, Anja Kling, Martin Brambach, Adina Vetter, Uwe Preuss, Thomas Thieme
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)