Die Fernsehjournalistin Kimberly Wells (Jane Fonda) und ihr Kameramann Richard Adams (Michael Douglas) sind eigentlich nur für eine reguläre Fernsehsendung in einem kalifornischen Kernkraftwerk, als sie dort Zeugen eines eigenartigen Vorfalls werden. Zuerst beginnt die Anlage zu vibrieren, danach kommt es zu einer weiteren Störung. Aber alles halb so wild, wird ihnen gesagt, ein reiner Routinefall. Wells und Adams sind davon nicht überzeugt und wollen den Vorfall im Fernsehen thematisieren, scheitern aber am Programmdirektor, dem die Geschichte zu heiß ist. Davon lassen sie sich nicht abhalten und gehen der Sache weiterhin nach, auf eigene Faust. Dabei rückt vor allem Jack Godell (Jack Lemmon) in den Mittelpunkt, der leitende Ingenieur des Kraftwerks. Auch er ist zunächst fest davon überzeugt, dass nichts dran ist an der Geschichte. Als er jedoch eigene Nachforschungen betreibt, stößt er auf Ungereimtheiten …
Die Geschichte eines Reaktorunfalls
Die Gefahren von Reaktorunfällen wurden in den letzten Jahren mehrfach in Filmen und Serien aufgegriffen. Dabei dienten meist reale Vorfälle als Vorlage. Die gefeierte Serie Chernobyl und Tschernobyl 1986 erinnerten jeweils an die Katastrophe im Kernkraftwerk Tschernobyl, die sich 1986 in der Ukraine zugetragen hat. Fukushima wiederum griff die Ereignisse im japanischen Fukushima 2011 auf, als die Kombination aus Erdbeben und Tsunami zu Kernschmelzen führten und hierzulande den vorzeitigen Ausstieg aus der Atomkraft bedingte. Dabei gab es schon früher Filme, die sich mit einer solchen Thematik befassten. Einer der besten ist Das China-Syndrom aus dem Jahr 1979, das seinerzeit ein großer Erfolg war, für diverse große Preise im Rennen war, heute aber ein wenig in Vergessenheit geraten ist.
Im Gegensatz zu den obigen Beispielen, die auf realen Vorkommnissen basieren – wenngleich sehr frei inspiriert und mit größtenteils erfundenen Figuren –, da gibt es hier keine direkte Vorlage. Parallelen zu anderen Geschichten finden sich natürlich schon, beispielsweise zu dem in Silkwood verewigten Fall der Karen Silkwood, die einen Skandal in der US-Nuklearindustrie aufdeckte und bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Aber sie halten sich in Grenzen. Umso schockierender war, dass sich nur zwölf Tage nach dem Start von Das China-Syndrom ein tatsächlich ähnlicher Vorfall in einem Kraftwerk in Pennsylvania ereignete. Der kommerzielle Erfolg des Thrillers soll auch damit zusammenhängen, dass er auf unheimliche Weise aktuell war.
Der Feind: die da oben
Dabei war der Film auch ohne diesen Zufall eine Art Zeitdokument, das von einem tiefen Misstrauen gegenüber den Leuten da oben geprägt ist. Das China-Syndrom ist nicht allein die Geschichte eines Reaktorunglücks, sondern vor allem auch eine, die sich mit den Menschen befasst, die damit zu tun haben. Eine sonderlich glückliche Figur geben diese größtenteils nicht ab. Der Betreiber des Kraftwerks will natürlich nicht, dass da jemand genauer hinschaut oder nachfragt, aus Angst um finanzielle Einbußen. Die Politik wird ebenso wenig tätig, solche Nachrichten kann niemand gebrauchen. Und selbst die Medien scheuen davor zurück, die Sache aufzugreifen. Anstatt das Risiko einer Klage einzugehen setzt man lieber auf nette belanglose Meldungen wie singende Telegramme oder Tiergeschichten. Meldungen, die irgendwie Spaß machen und Quote bringen.
Eng damit verbunden ist die Figur Wells, die eigentlich investigative Reporterin sein will, dies aber nicht sein darf. Sie wird zum netten Püppchen degradiert, dessen Aufgabe darin besteht hübsch auszusehen. Das China-Syndrom prangert auf diese Weise nicht nur Wirtschaft, Politik und Medien an, sondern auch eine zutiefst sexistische Gesellschaft, in der Frauen nichts zu sagen haben. Die immer wieder beliebte David-gegen-Goliath-Konstellation, die solche Aufdeckungsfilme mit sich bringen – siehe etwa Spotlight oder Die Unbestechlichen –, bekommt dadurch eine feministische Note. Das Publikum findet mehr als einen Grund, mit ihr und den anderen mitzufiebern. Findet Genugtuung darin, wenn sie sich nicht unterkriegen lassen und weiter für die Wahrheit kämpfen. Das funktioniert heute so gut wie damals, nicht zuletzt weil auch Tschernobyl und Fukushima mit Vertuschungen verknüpft waren.
Spannend und gut gespielt
Zum Teil ist das klar recht schematisch gehalten. Bei den Betreibern des Kraftwerks handelt es sich um die typischen skrupellosen und gierigen Bosse, die für Geld über Leichen gehen. Mehr als das erfahren wir nicht über sie. Auch beim Chef des Senders begnügte man sich mit wenig. Grautöne gibt es in dem Film nur wenige. Wer sich nicht daran stört, dass auf eine solche Schwarz-weiß-Zeichnung zurückgegriffen wird, deren Anliegen mehr in der Unterhaltung als der realistischen Darstellung besteht, der findet mehr als vierzig Jahre später aber eine noch immer packende Mischung aus (Fast-)Katastrophenfilm und Thriller. Auch wenn man nicht die wenig subtile Anti-Atomkraft-Ausrichtung von Das China-Syndrom teilen sollte, zeigt Regisseur und Co-Autor James Bridges doch anschaulich, welche Gefahren der Faktor Mensch mit sich bringt. Das ist sehr gut von dem prominenten Trio gespielt und weckt selbst losgelöst von dem konkreten Thema das ungute Gefühl, dass da draußen mehr vor sich geht, als einem verraten wird.
OT: „The China Syndrome“
Land: USA
Jahr: 1979
Regie: James Bridges
Drehbuch: Mike Gray, T. S. Cook, James Bridges
Musik: Stephen Bishop
Kamera: James Crabe
Besetzung: Jane Fonda, Jack Lemmon, Michael Douglas, James Hampton, Scott Brady, Wilford Brimley
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 1980 | Bester Hauptdarsteller | Jack Lemmon | Nominierung |
Beste Hauptdarstellerin | Jane Fonda | Nominierung | ||
Bestes Original-Drehbuch | Mike Gray, T.S. Cook, James Bridges | Nominierung | ||
Bestes Szenenbild | George Jenkins, Arthur Jeph Parker | Nominierung | ||
BAFTA | 1980 | Bester Film | Nominierung | |
Bester Hauptdarsteller | Jack Lemmon | Sieg | ||
Beste Hauptdarstellerin | Jane Fonda | Sieg | ||
Bestes Drehbuch | Mike Gray, T.S. Cook, James Bridges | Nominierung | ||
Cannes | 1979 | Goldene Palme | Nominierung | |
Bester Darsteller | Jack Lemmon | Sieg | ||
Golden Globes | 1980 | Bester Film (Drama) | Nominierung | |
Beste Regie | James Bridges | Nominierung | ||
Bester Hauptdarsteller | Jack Lemmon | Nominierung | ||
Beste Hauptdarstellerin | Jane Fonda | Nominierung | ||
Bestes Drehbuch | Mike Gray, T.S. Cook, James Bridges | Nominierung |
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