Unterschiedlicher könnten die Leben von Christine Steffen und Marlene Wenninger (jeweils Svenja Jung) nicht sein. Während Christine Teil des Ensembles des Friedrichstadt-Palastes in Ostberlin ist und darauf hofft, endlich ihren Durchbruch als Tänzerin zu schaffen, da wächst Marlene in Bamberg bei einer einflussreichen Unternehmerfamilie auf. Umso größer ist die Überraschung, als die beiden sich 1988 in der DDR zufällig über den Weg laufen und erkennen, wie groß die Ähnlichkeit ist. Aus gutem Grund: In Wahrheit handelt es sich bei ihnen um Zwillingsschwestern. Während Christine bei ihrer Mutter Rosa (Anja Kling) geblieben war, hatte ihr Vater Roland (Heino Ferch) Marlene mit in den Westen genommen – gegen den Willen von Rosa. Anschließend hatten beide nicht über den Vorfall reden wollen, weshalb die zwei Schwestern ohne das Wissen um einander aufwuchsen …
Zwei Schwestern, zwei Deutschlands
Momentan scheint es im Trend zu liegen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, Historiendramen-Serien zu großen bedeutenden Orten Deutschlands zu drehen, bei denen der Ort letztendlich eigentlich keine wirkliche Bedeutung hat. Erst irritierte Eldorado KaDeWe – Jetzt ist unsere Zeit, bei dem nicht nur die Grenze zwischen Vergangenheit und Gegenwart aufgehoben wurde, sondern die Geschichte selbst vorrangig mit den Figuren beschäftigt war. Über die legendären Clubs oder das historische Kaufhaus erfuhr man hingegen so gut wie nichts. Nun ist Der Palast an der Reihe. Der Titel bezieht sich dabei auf den Friedrichstadt-Palast, ein beliebtes Revuetheater in Berlin-Mitte und der größte Theaterbau der Stadt. Über das Gebäude oder dessen Geschichte erfährt man in der ZDF-Eventserie hingegen so gut wie nichts.
Stattdessen befasst sich die Adaption des gleichnamigen und kurz zuvor veröffentlichten Romans von Rodica Doehnert in erster Linie mit den beiden Schwestern, die nicht wussten, dass sie Schwestern sind. Das Motiv des Doppelgängers oder des Zwillings ist natürlich in Literatur wie Filmen immer wieder beliebt. Meistens findet es dabei entweder in Komödien oder auch in Thrillern Verwendung, wenn ein zweites Ich wahlweise zu Abgründen oder peinlichen Situationen führt. Der Palast will aus dem Ganzen jedoch ein Drama machen, das seinerseits zwei Funktionen hat. Doehnert verknüpft ein individuelles Familienschicksal mit der Geschichte eines geteilten Deutschlands. Auf der einen Seite ist der freie Westen, in dem sich jeder entfalten kann, wie er will – zum Teil auf Kosten anderer. Ihm gegenüber steht der sozialistische Osten, bei dem alles streng genormt ist.
Plattitüden und Stereotype
Welches System die Autorin vorzieht, daran lässt sie relativ wenig Zweifel. Selbst diejenigen, die an den Sozialismus glaubten, darunter Rosa und ihre Mutter Elisabeth (Ursula Werner) räumen ein, dass dieser gescheitert ist. Immerhin: Der Palast versucht einen etwas differenzierten Blick auf den Dualismus, prangert an einer Stelle an, dass der Westen nicht einmal versucht, die Mentalität des Ostens zu verstehen, sondern sich gleich arrogant über die Menschen dort erhebt. Verkörpert wird diese Arroganz durch die Figur des Rolands, der so sehr von der eigenen Überlegenheit überzeugt ist, dass ihm nicht mal in den Sinn kommt, dass Rosa ihm nicht folgen könnte. Seine verblendete Übergriffigkeit, die er auch im fortgeschrittenen Alter nicht mehr anzweifelt, hat dabei erst zu dem Familienunglück geführt.
Leider beschränkt sich die Serie aber bei seiner Darstellung und auch an vielen anderen Stellen auf Plattitüden und Stereotype. Regisseur Uli Edel (Der Club der singenden Metzger, Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo) verzichtet darauf, auch mal ein bisschen hinter die Kulissen zu blicken und präsentiert reihenweise Klischees, die den Themen nicht gerecht werden. Das ist alles so dick aufgetragen, dass sich Der Palast selbst zu einem dieser Holzhammerdramen reduziert, schrecklich aufdringliche Musik inklusive. Umgekehrt hätte es bei vielen Randfiguren deutlich mehr Feinschliff gebraucht. Ob die DDR-Choreografin Regina Feldmann (Jeanette Hain), deren internationaler Kollege Steven Williams (Daniel Donskoy) oder auch Christines Kollegin Bettina Wilke (Luise Befort), das ist alles schon sehr dünn. Die zaghaften Ansätze, weitere Themen unterbringen zu wollen, werden immer sofort wieder im Keim erstickt.
Ärgerlich und unfreiwillig komisch
Das wäre vielleicht zu verschmerzen gewesen, wenn denn wenigstens die Geschichte um die Schwestern etwas taugen würde. Doch gerade hier wird es richtig übel. Zum Teil sind die Dialoge zum Davonlaufen. Die Wechselspielchen, wenn die zwei in die Rollen der jeweils anderen schlüpfen, wirken so, als hätte man sie aus einer Verwechslungskomödie geklaut und nachträglich den Humor rausgenommen. Zumindest den freiwilligen, der unfreiwillige ist schon noch da. Es ist nicht einmal so, dass diese neuen Erfahrungen zu nennenswerten Entwicklungen führen würden. Dass beide etwa ungekannte Seiten in sich entdecken. Sie gehen nur unnötige Risiken ein und machen alles schwerer, ohne etwas zu erreichen. Und zum Schluss wird das dann alles wieder aufgelöst, einfach so. Das ist ärgerlich. Es ist aber auch schade, weil Der Palast doch eine ganze Reihe talentierter Schauspieler und Schauspielerinnen beschäftigt, die zu deutlich mehr in der Lage gewesen wären.
OT: „Der Palast“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Uli Edel
Drehbuch: Rodica Doehnert
Vorlage: Rodica Doehnert
Musik: Martin Lingnau, Ingmar Sueberkrueb
Kamera: Hannes Hubach
Besetzung: Svenja Jung, Anja Kling, Heino Ferch, Luise Befort, Hannes Wegener, August Wittgenstein, Daniel Donskoy, Jeanette Hain, Uwe Preuss, Hermann Beyer, Ursula Werner, Inka Friedrich, Friedrich von Thun
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