Als die Millionenerbin Sunny von Bülow (Glenn Close) in ihrer Villa in Newport bewusstlos aufgefunden wird, fällt der Verdacht auf ihren Ehemann Claus (Jeremy Irons). Der habe sie nur des Geldes wegen geheiratet und anschließend loswerden wollen, indem er ihr Insulin gespritzt hat – so sagen zumindest ihre Kinder aus erster Ehe aus. Damit überzeugen sie das Gericht, das den Angeklagten zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Harvardprofessor Alan Dershowitz (Ron Silver), der sonst meist benachteiligte Schwarze vertritt, hat aber seine Zweifel und lässt sich dazu überreden, den Fall zu übernehmen und noch einmal neu aufzurollen. Doch die Zeit drängt, es bleiben ihm und seinem Team aus Jura-Studierenden nur zwei Monate, um eine überzeugende Verteidigung zurechtzulegen …
Ein vergessener Hochkaräter
Die 1990er haben eine Unmenge an starbesetzten Filmen hervorgebracht, die sich um Gerichtsprozesse drehen. Eine Zeit lang war das so inflationär, dass man kaum noch vor diesen entkommen konnte. Aber der Erfolg gab den Hollywood-Studios Recht. Ob Aus Mangel an Beweisen (1990), Eine Frage der Ehre (1992), Der Klient (1994) oder Zwielicht (1996), innerhalb weniger Jahre erschienen eine ganze Reihe größerer Hits, die sich bis heute größerer Beliebtheit erfreuen. Etwas in Vergessenheit geraten ist hingegen Die Affäre der Sunny von B. aus dem Jahr 1990. Obwohl die Kritiken seinerzeit hervorragend waren und es erneut ein hochkarätiges Ensemble gab, Jeremy Irons sogar einen Oscar als bester Hauptdarsteller erhielt, an den Kinokassen war der Film eher unauffällig. Inzwischen ist er nicht einmal mehr auf DVD erhältlich.
Das liegt sicherlich auch daran, dass der Film nicht so ganz mit den anderen Beispielen zu vergleichen ist. Zum einen handelt es sich bei Die Affäre der Sunny von B. nicht um eine Adaption eines bekannten Romans oder Theaterstücks. Eine Vorlage gab es, doch diese war nicht fiktional. Genauer basiert die Geschichte auf dem Sachbuch des realen Anwalts Alan Dershowitz, der darin seine Erfahrungen mit dem bekannten Fall festhielt. Das Ende ist damit vorgegeben. Wo andere zum Schluss noch mit spektakulären Wendungen das Publikum erfreuten, da fehlt hier etwas Vergleichbares. Es geht vielmehr um die Frage nach dem Weg dorthin. Das ist naturgemäß oft weniger spannend als das, was sich andere so ausdenken, wenn die einzigen Grenzen die der eigenen Fantasie sind.
Das Spiel mit der Perspektive
Wobei Regisseur Barbet Schroeder einen anderen Weg gefunden hat, sich von der Realität zu lösen. Gleich zu Beginn des Films kommentiert die im Koma liegende Sunny von Bülow das Geschehen, obwohl zu dem Zeitpunkt klar ist, dass sie nie wieder wird reden können. Was der Film hier und während der anderen Voiceovers von sich gibt, ist also reine Spekulation, die auf den Drehbuchautor Nicholas Kazan (The Whole Truth – Lügenspiel) zurückgeht. Ob diese Idee so gut ist, darüber lässt sich streiten. Auf der einen Seite eröffnet das Möglichkeiten, ein gewisses Narrativ zu etablieren. Irritierend ist es aber schon, zumal das auf die Handlung aus naheliegenden Gründen keinen Einfluss hat und haben kann. Das fällt auch deshalb auf, weil Die Affäre der Sunny von B. ansonsten ein eher nüchterner Film ist, der sich völlig auf die Perspektive von Dershowitz beschränkt.
Trotz der – von Sunny einmal abgesehen – fokussierten Perspektive, einseitig ist die Erzählung nicht. Das ist auch deshalb wichtig, weil der Fall bis heute von Kontroversen begleitet ist. Diese werden jedoch durch die Figuren selbst abgearbeitet. Gleich zu Beginn wird dagegen protestiert, einen mörderischen Reichen verteidigen zu wollen. Daran schließen sich einige Gedanken rund um den Rechtsstaat an, gerade auch dazu, welche Grundrechte unverhandelbar sind. An anderen Stellen wird die Gesellschaft als solche verhandelt sowie das Leben in der High Society. Zuweilen liest man gar, dass Die Affäre der Sunny von B. eine Satire ist auf das Leben der gelangweilten Reichen, die nur durch Flucht oder Zerstörung der eigenen Bedeutungslosigkeit entkommen.
Eine Geschichte, die nachwirkt
Stoff, über den es sich nachzudenken lohnt, gibt es in Die Affäre der Sunny von B. also einigen, selbst mehr als dreißig Jahre später. Fans von True Crime Dokus dürfen spekulieren, was nun die Wahrheit war. Wer sich für menschliches Drama interessiert, bekommt Einblick in eine kaputte Beziehung, die einen selbst daheim noch frösteln lässt. Ein zum Nachdenken neigendes Publikum darf zudem über einige Grundsatzfragen diskutieren. Das bringt dann zwar vielleicht nicht die Befriedigung mit sich, die den meisten dieser Justizfilme zugrunde liegt, wenn am Ende das Recht über das Unrecht triumphiert. Dafür ist das hier alles zu ambivalent. Dafür hat der Film mehr Gehalt als die eher reißerisch angelegten Kollegen, die vor allem mit überraschenden Wendungen oder auch großer Gefahr voll auf Nervenkitzel abzielen.
OT: „Reversal of Fortune“
Land: USA
Jahr: 1990
Regie: Barbet Schroeder
Drehbuch: Nicholas Kazan
Vorlage: Alan Dershowitz
Musik: Mark Isham
Kamera: Luciano Tovoli
Besetzung: Jeremy Irons, Glenn Close, Ron Silver, Annabella Sciorra, Uta Hagen, Fisher Stevens
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 1991 | Beste Regie | Barbet Schroeder | Nominierung |
Bestes adaptiertes Drehbuch | Nicholas Kazan | Nominierung | ||
Bester Hauptdarsteller | Jeremy Irons | Sieg | ||
Golden Globes | 1991 | Bester Film (Drama) | Nominierung | |
Beste Regie | Barbet Schroeder | Nominierung | ||
Bestes Drehbuch | Nicholas Kazan | Nominierung | ||
Bester Hauptdarsteller (Drama) | Jeremy Irons | Sieg |
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