Als die britische Studentin Elizabeth (Sai Bennett) in Italien brutal ermordet wird, fällt der Verdacht rasch auf ihre Mitbewohnerin Jessica Fuller (Genevieve Gaunt). Die Medien stürzen sich auf die Geschichte, jeder will über den spektakulären Fall berichten. Nun soll auch ein Film über das Ereignis gedreht werden, um von dem großen Interesse des Publikums zu profitieren. Thomas Lang (Daniel Brühl) kommt die Aufgabe zu, den Stoff entsprechend zu adaptieren. Für den in einer Krise steckenden Filmemacher ist das ein dankbares Thema, weshalb er sich gleich auf den Weg nach Italien macht, um dort die Journalistin Simone Ford (Kate Beckinsale) zu treffen, die sich schon länger mit dem Fall befasst. Doch je tiefer er in die Geschichte eintaucht, umso stärker werden seine Zweifel, ob er das richtige tut …
Ein Mordfall geht um die Welt
Kaum ein Mordfall dürfte die Menschen in den letzten 20 Jahren mehr beschäftigt haben als der von Meredith Kercher. Warum ausgerechnet dieser zu einer Mediensensation wurde, darüber lässt sich streiten. Dass eine hübsche Austauschstudentin die Mörderin gewesen sein soll, dürfte aber nicht ganz unschuldig gewesen sein. Aber auch dass nie ganz klar wurde, was genau geschehen war, selbst nach dem Freispruch von Amanda Knox Zweifel blieben, dürfte das Interesse des Publikums gekitzelt haben. Insofern ist es kein Wunder, dass zahlreiche Filme von dem Vorfall profitieren wollten, dokumentarische wie fiktionale. Zuletzt nutzte etwa Stillwater – Gegen jeden Verdacht den berühmten Mord, um daraus ein Porträt des Vaters der Hauptverdächtigen zu machen. Warum auch immer.
Noch rätselhafter war Die Augen des Engels, das 2014 den Fall verarbeitete, gleichzeitig aber etwas völlig anderes daraus machte. Dass die Figuren hier alle anders heißen als die Vorbilder, ist dabei das geringste Problem. Das ist bei Geschichten, die einen wahren Hintergrund haben, keine Seltenheit. Verwirrender ist da schon, dass sich Regisseur Michael Winterbottom (The Killer Inside Me) nur sehr bedingt für den Mordfall an sich interessiert. Vielmehr bildet dieser nur den Anlass, um eine filmische Reise zu starten, die den Filmemacher und damit das Publikum an die unterschiedlichsten Orte führt. So unterschiedlich, dass man sich mehr als einmal fragt, wo genau man sich eigentlich gerade aufhält und ob man sich unterwegs nicht vielleicht ein wenig verlaufen habe.
Kritik an der Sensationsgier
Ein größerer Faktor ist zweifelsfrei die Idee der Mediensensation als solchen. Genauer nutzt Die Augen des Engels den Rummel um den Mord, um eben diesen Rummel zu attackieren. Vor allem für die Journalisten scheint Winterbottom nicht so wahnsinnig viel übrig zu haben, welche ein persönliches Unglück zur Unterhaltung der Massen nutzen, ähnlich wie es heute die unzähligen True Crime Dokus tun. Wer sich den Film anschaut, um über den Fall zu spekulieren und vielleicht ein wenig der eigenen Sensationsgier nachzugeben, blickte auf einmal in einen Spiegel. Schön ist der Anblick darin nicht. Das Krimidrama ist deshalb alles andere als ein Crowdpleaser, sondern attackiert ein Publikum, zumindest indirekt, welches es vorher angelockt hat.
Aber auch Thomas gerät in eine Sinnkrise, wenn er sich mit der Frage der eigenen Moralität zu befassen beginnt. Darf er einen Film zu dem Thema machen? Auf gewisse Weise wird er auf diese Weise zu einem Alter Ego des Regisseurs, der sich über seine Hauptfigur der eigenen Legitimität zu vergewissern versucht. Grundsätzlich ist das als Thema interessant. Allerdings springt Die Augen des Engels auf diese Weise so sehr von Ebene zu Ebene, macht weitere Meta-Bereiche auf, bis irgendwann der Boden fehlt, auf dem man eine solche Geschichte aufbauen könnte. Etwas in Frage zu stellen, schön und gut. Aber diese Frage sollte dann doch auch einigermaßen zielgerichtet gestellt sein, anstatt nach jedem Halbsatz wieder innezuhalten und noch einmal von vorne anzufangen.
Auf der Suche nach einem Konzept
Das ist dann auch das generelle Problem des Films: Es fehlt ein eindeutiges Konzept, was der Film sein soll und was er will. Für sich genommen sind die meisten Elemente interessant bis relevant. Sie fügen sich nur zu nichts Kohärentem zusammen. Wenn beispielsweise zwischendurch auf einmal Horrorvisionen Thomas durcheinanderbringen, dann hat das nichts mit dem Fall und den damit verbundenen Fragen zu tun. Die Augen des Engels scheint plötzlich zu einem Giallo werden zu wollen, ohne dass sich das aus der Entwicklung der Geschichte ergeben würde. Auch die persönlichen Aspekte seines Lebens wie die Scheidung kommen einfach irgendwie vor, verknüpfen sich aber nicht wirklich mit dem Rest. Das Porträt eines zweifelnden Filmemachers wäre natürlich auch spannend gewesen, nicht aber in dieser unentschlossenen Weise, wenn die Suche nach der Wahrheit zu einer Zerfaserung führt, an deren Ende zu wenig bleibt.
OT: „The Face of an Angel“
Land: UK, Italien
Jahr: 2014
Regie: Michael Winterbottom
Drehbuch: Paul Viragh
Vorlage: Barbie Latza Nadeau
Musik: Harry Escott
Kamera: Hubert Taczanowski
Besetzung: Daniel Brühl, Kate Beckinsale, Valerio Mastandrea, Cara Delevingne, Ava Acres, Genevieve Gaunt
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