40 Jahre waren Elsa (Corinna Kirchhoff) und Arthur (Henry Hübchen) verheiratet. Dann verließ er sie für eine andere. Doch Arthur, ein ehemaliger Schlagerstar, hat kein Glück in seiner neuen Beziehung. Als er immer mehr Dinge vergisst, schwant der Geliebten nichts Gutes. Einen Demenzkranken am Hals zu haben, überlässt sie lieber der 64-jährigen Ehefrau. Trotz schwerer Kränkung bleibt der noch nicht geschiedenen Elsa kaum etwas anderes übrig, als den untreuen Gatten zurückzunehmen. Zumindest auf Zeit. Denn ein Pflegeheim ist schon gefunden. Jetzt heißt es, das gemeinsame Ferienhaus am See zu verkaufen, um mit dem Erlös die teure Heimunterbringung zu finanzieren. Ein letztes Mal fahren Elsa und Arthur zu dem kleinen Paradies im Brandenburgischen. Zusammen wollen sie entrümpeln und das Anwesen für den Verkauf fit machen. Oder besser gesagt: Elsa will das, Arthur hat nicht nur ein schlechtes Gewissen, sondern krankheitsbedingt kaum noch Kraft zur Gegenwehr. Inzwischen vergisst er sogar die Melodie seines größten Hits, des titelgebenden Lieds „Ein Leben lang“.
Stilles Refugium
Herbstlich ist die Stimmung an dem stillen Gewässer. Niemand badet mehr, die Ferien sind längst vorbei. Nur die, die immer hier leben, lassen sich vereinzelt blicken. Noch immer ist Arthur verzaubert von dem Sehnsuchtsort, setzt sich einsam an den Steg, der vom eigenen Garten direkt ins Wasser führt. Hier hat er einst seine Lieder geschrieben. In dem kleinen Refugium war er mit Elsa glücklich. Die hingegen bringt keinen Sinn mehr für Romantik auf. „Der Steg ist morsch, er muss repariert werden“, mehr hat sie zur Stätte der gemeinsam Erinnerung nicht zu sagen. Da weiß sie noch gar nicht, dass der untreue Ehemann auch seine „Neue“ mit hierher genommen hat – ein größerer Verrat ist kaum noch denkbar. Nichts scheint mehr zu gehen in dieser Beziehung. Nur der eine Generation jüngere Sorin (Eugen Knecht), den das Paar für kleine Reparaturen anheuert, bringt ein belebendes Element in die festgefahrene Lage. Mit ihm, der auch Musik macht, schließt Arthur schnell Freundschaft. Und auch Elsa entdeckt in dem jungen Mann nach anfänglicher Skepsis einen Seelenverwandten.
Regisseur Till Endemann inszeniert das Dreipersonenstück als stilles Kammerspiel. Er dimmt die Dramatik der Lage konsequent herunter, verzichtet auf Gefühlsausbrüche und laut ausgestellte Verzweiflung. Das ist mutig bei einem Thema, das sich als Komödie (wie Honig im Kopf, 2014) oder als Verwirrspiel (The Father, 2021) publikumsträchtiger verkaufen ließe. Für eine reine Fernsehproduktion recht ungewohnt, verlässt sich Ein Leben lang auf einen ruhigen Erzählfluss. Der Film nimmt sich Zeit für die Zwischentöne eines melancholischen Grundakkords. Etwa für das genaue Registrieren im Grad des Vergessens. Ist es nicht besonders schlimm, wenn Arthur seine Pillen länger nicht genommen hat? Und könnte es nicht ein Zeichen für Hoffnung sein, wenn der Schlagersänger im lange unbewohnten Haus sofort sein altes Tonstudio entdeckt und sich gleich ans Klavier setzt? In welchen Momenten überwiegt die Verwirrung über die Reise an einen lange nicht besuchten Ort? Und wann bringt die Erinnerung an bessere Tage ein Stück verlorene Vitalität zurück?
Gegen den Strich besetzt
Hauptdarsteller Henry Hübchen wäre natürlich als früherer Schlagerstar mit Rüschenhemd und Glitzerjacke die ideale Rampensau. Aber eigentlich besetzt ihn der Film gegen den Strich. Selten hat man den Tausendsassa mit Draufgängerimage so verletzlich und sanft gesehen. Allein an seinen Augen und in seinem Gesicht lässt sich die Verwirrung ablesen, die ihn immer wieder überkommt – ebenso wie gelegentlich eine Phase von relativer Klarheit. Ansonsten spürt er dem nach, was wohl jeder schon beobachtet hat, der einen Dementen kennt: dem Überspielen von Unsicherheit, dem Überhören von Fragen, der scheinbar souveränen Eigenbrötelei. Die nuancenstark aufspielenden Schauspieler verlassen sich darauf, dass solche Feinheiten die Geschichte tragen. Das gelingt auf stimmungsvolle Weise. Aber nur, wenn man sich darauf einlässt, ohne große Dramatik auszukommen.
OT: „Ein Leben lang“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Till Endemann
Drehbuch: Paul Salisbury
Musik: Raffael Seyfried
Kamera: Philipp Sichler
Besetzung: Henry Hübchen, Corinna Kirchhoff, Eugen Knecht
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