Als auf dem US-Militärstützpunkt in Guantanamo Bay ein junger Soldat stirbt, dann scheint der Fall zunächst klar zu sein, war er doch das Opfer zweier Kameraden. Und so werden diese vor einem Militärgericht des Mordes beschuldigt. Marines-Captain Jack Ross (Kevin Bacon), der die Anklage vertritt, fordert hohe Strafen. Ihm gegenüber stehen Lt. Daniel Kaffee (Tom Cruise) und Lt. Cdr. JoAnne Galloway (Demi Moore), welche die Verteidigung übernehmen sollen, obwohl sie nicht wirklich viel Erfahrung vor Gericht haben. Dabei wäre diese sinnvoll, stellt sich der Fall doch als deutlich komplexer heraus. Schnell haben sie den Eindruck, dass bei der Geschichte etwas vertuscht werden soll. Dabei geraten sie vor allem mit dem diensthabenden Col. Nathan Jessep (Jack Nicholson) aneinander, der keinerlei Widerspruch duldet und den Stützpunkt nach eigenen Regeln führt …
Spannung vor Gericht
Die 1990er Jahre waren so etwas wie die Hochphase des Gerichtsdramas. Alle paar Monate kam ein neuer Film aus diesem Bereich heraus, oft hochkarätig besetzt. Ob Aus Mangel an Beweisen (1990), Die Akte (1993), Der Klient (1994) oder Zwielicht (1996), die Liste an starbesetzten Beispielen ist lang. Auch das 1992 veröffentlichte Eine Frage der Ehre wird in diesem Zusammenhang gern genannt. Und doch ist der Film ein Sonderfall, da er im Gegensatz zu den zahlreichen anderen Kollegen nicht vor einem regulären Gericht spielt, sondern einem Militärgericht. Damit verbunden ist auch eine Schwerpunktverschiebung, weg von den Figuren, die im Mittelpunkt des Falles stehen, hin zu einem Porträt des Militärs an sich. Tatsächlich sind die beiden Angeklagten hier so unwichtig, dass deren Darsteller in den Credits erst recht weit hinten auftauchen.
Die Gerichtsszenen sind dann auch erstaunlich rar, erst zum Schluss wird in der Hinsicht etwas geboten. An dieser Stelle zeigt auch der für seine messerscharfen Dialoge bekannte Aaron Sorkin (Being the Ricardos, The Trial of the Chicago 7), der sowohl das zugrundeliegende Theaterstück wie auch das Drehbuch verfasst hat, seine Vorliebe für Konfrontationen. Dennoch ist das große Finale nicht der Höhepunkt, der es hätte sein können oder sollen. Zwar gibt es hier einen unvergesslichen Auftritt von Jack Nicholson, der einem auch Jahre später von Eine Frage der Ehre in Erinnerung bleibt. Dennoch ist die Auflösung etwas billig und wird zudem auch zu früh vorweggenommen. Es kommt eben nicht zu einem überraschenden Ausgang, weil dieser schon vorab diskutiert und erhofft wird. Das Publikum darf allenfalls mitfiebern, ob der Plan aufgeht oder nicht – bei einem Hollywood-Film nur selten eine Herausforderung.
Ich bin das Gesetz
Interessanter – und verstörender – ist das Porträt des Militärs an sich. Regisseur Rob Reiner (Misery, Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers) zeigt uns eine Welt, die gleich in mehrfacher Hinsicht in sich abgeschlossen ist. Anklage und Verteidigung werden aus den eigenen Reihen rekrutiert, eine tatsächlich unabhängige Justiz hat hier nichts zu suchen. Außerdem stößt das Verteidigungsduo in Eine Frage der Ehre auf eine Mauer des Schweigens. Niemand möchte über interne Angelegenheiten sprechen, das macht jeder unter sich aus. Zugleich gilt das Recht des Stärkeren. Was von den Oberen befohlen wird, gilt als Gesetz – selbst wenn damit das objektive äußere Gesetz gebrochen wird. Das zeigt sich gerade bei den Angeklagten, die so sehr durch diese Welt indoktriniert wurden, dass ihnen jegliches kritisches Denken und ein moralischer Kompass abhandengekommen ist. Gut ist, was der Führer sagt. Schlecht ist, was diesem schaden könnte.
Eine wirkliche Auseinandersetzung mit dieser Welt und weshalb diese so ausfällt, findet in Eine Frage der Ehre jedoch nicht statt. Enttäuschend ist in der Hinsicht auch, dass bei den bedeutenden Verantwortlichen des Militärs jegliche Charakterisierung fehlt. Jessep wird allein auf seine Überheblichkeit und Menschenfeindlichkeit reduziert, kommt über den stereotypen Antagonisten nicht hinaus. Dadurch wird mit einem nur mäßig interessanten Feindbild gearbeitet, das dem Publikum nicht sonderlich viel abverlangt. Ein bisschen darf man natürlich schon über die Geschichte nachdenken. Die Befehle des Colonels sind schließlich ebenso verstörend wie die Ansicht, dass das unreflektierte Befolgen dieser Befehle gar nicht so schlimm ist und einen von der persönlichen Verantwortung befreit. Gerade das Ende wischt die Probleme schon ziemlich beiseite, macht da wirklich nur das Nötigste. Spannend ist der Film trotzdem, zudem gut gespielt. Je mehr wir hier von dem Abgrund zu sehen bekommen, der sich hinter den strahlenden Uniformen versteckt, umso mehr setzt einem das zu. Und selbst wenn es zum Schluss eine Lösung gibt, tatsächlich glücklich wird man hier nicht mehr.
OT: „A Few Good Men“
Land: USA
Jahr: 1992
Regie: Rob Reiner
Drehbuch: Aaron Sorkin
Vorlage: Aaron Sorkin
Musik: Marc Shaiman
Kamera: Robert Richardson
Besetzung: Tom Cruise, Jack Nicholson, Demi Moore, Kevin Bacon, Kevin Pollak, James Marshall, J. T. Walsh, Kiefer Sutherland
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 1993 | Bester Film | Nominierung | |
Bester Nebendarsteller | Jack Nicholson | Nominierung | ||
Bester Ton | Kevin O’Connell, Rick Kline, Robert Eber | Nominierung | ||
Bester Schnitt | Robert Leighton | Nominierung | ||
Golden Globes | 1993 | Bester Film (Drama) | Nominierung | |
Beste Regie | Rob Reiner | Nominierung | ||
Bester Hauptdarsteller (Drama) | Tom Cruise | Nominierung | ||
Bester Nebendarsteller | Jack Nicholson | Nominierung | ||
Bestes Drehbuch | Aaron Sorkin | Nominierung |
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