Als Horst Lichter (Oliver Stokowski) im Jahr 2014 erfährt, dass seine Mutter Margret (Barbara Nüsse) schwer krank ist, zögert er nicht lange. Zusammen mit seiner Frau Nada (Chiara Schoras) macht er sich auf den Weg in die alte Heimat. Dort will er sich um sie kümmern, unternimmt zusammen mit seiner Tante Anni Kabuk (Johanna Gastdorf) alles, damit es ihr wieder besser geht und sie neuen Lebensmut schöpft. Dabei kehrt er immer wieder in Gedanken zurück in seine Kindheit. Einfach war die nicht. Schon als Junge (jetzt: Emilian Heinrich) war das Verhältnis zu seiner Mutter (jetzt: Lou Strenger) konfliktbeladen. Das Leben mit ihr und seinem Vater Toni (Enno Kalisch) war von Entbehrungen geprägt – Erfahrungen, die bis in die Gegenwart nachwirken …
Auf den Spuren einer Berühmtheit
Wer viel in seinem Leben erreicht hat und zur Berühmtheit aufgestiegen ist, der findet meist Möglichkeiten, eben diese Berühmtheit auch zu Geld zu machen. Autobiografien sind da ein immer wieder gern verwendetes Mittel. Sie müssen nicht einmal selbst geschrieben sein. Horst Lichter, als TV-Koch deutschlandweit zu Ruhm gekommen, hat eine solche geschrieben. Keine Zeit für Arschlöcher! … hör auf dein Herz heißt sie und ist seit 2016 erhältlich. Diese wiederum bildet die Grundlage für den (fast) gleichnamigen ZDF-Film. Der Film zum Buch zur TV-Persönlichkeit, wenn man so will. Legitim ist das, keine Frage. Warum nicht mit etwas Geld verdienen, wenn es ein Publikum dafür gibt? Nur heißt legitim nicht zwangsläufig, dass man das auch tun sollte.
Ein Hindernis ist dabei der Rahmen eines TV-Films, der unter normalen Umständen nicht länger als 90 Minuten sein darf. Biopics haben grundsätzlich fast immer mit dem Problem zu kämpfen, dass die Dauer eines Films nicht ausreicht, nicht ausreichen kann, um ein ganzes Leben zu beschreiben. Anderthalb Stunden ist dann die verschärfte Variante dieses Problems. Bei Horst Lichter: Keine Zeit für Arschlöcher bedeutete das dann, die zugrundeliegende Autobiografie noch einmal kräftig zusammengestutzt werden musste. Vieles von dem, was Lichter in seinem Buch erzählte, fällt hier weg. Stärker noch als die Vorlage konzentriert sich die Adaption auf den Tod der Mutter, die vorangegangene Zeit der schweren Erkrankung und die Rolle, welche diese im Leben des angehenden Stars spielte.
Keine Zeit für Karriere
Wer sich von Horst Lichter: Keine Zeit für Arschlöcher erhofft, mehr über die Karriere Lichters zu erfahren, der geht daher praktisch leer aus. Es gibt keine Einblicke in seine Shows oder die Arbeit im Restaurant. Tatsächlich sieht man während des Films nie kochen, was schon ein wenig überraschend ist. Mehr noch, er kokettiert damit, dass er sich nicht mit Lafers und anderen Kollegen vergleichen kann und will. Nicht einmal, wie er zum Koch wurde, wird thematisiert. Zwar blicken wir regelmäßig auf die Kindheit Lichters zurück, indem die Rahmenhandlung durch Flashbacks unterbrochen wird. Aber auch die haben mit Kochen nichts zu tun. Es gibt keine ersten Hinweise, was später aus ihm mal werden könnte. Keine ersten Aha-Momente am Herd, die erklären könnten, warum er sich diesen Beruf ausgesucht hat. Der Film interessiert sich nicht dafür.
Ob ein solcher Film überhaupt eine gute Idee ist, darüber lässt sich streiten. Da werden schon manche etwas verwundert vor den Fernsehen sitzen und darauf warten, dass es mal um den Koch geht. Tatsächlich vorwerfen kann man dem Drama aber, dass die Alternative so uninteressant ist. Dass der Verlust der eigenen Mutter ein Wendepunkt in einem Leben ist, das wird für die meisten zutreffen. Regisseur Andreas Menck (Doktor Ballouz) vertraute aber offensichtlich nicht darauf, dass das ausreicht und das Publikum mehr braucht. Vielleicht fühlte er sich aber auch einfach dem Sonntagabend-Slot beim ZDF verpflichtet, bei dem es traditionell sehr gefühlig wird. So oder so: Horst Lichter: Keine Zeit für Arschlöcher verkommt zu einer entsetzlich kitschigen Angelegenheit.
Aufdringliche Musik und viel Pathos
Das betrifft beispielsweise die Musik, die alles unter sich begräbt und einem keine Sekunde gönnt, in der man vielleicht eigene Gedanken formulieren kann. Um das dann wieder auszugleichen, wird dem Publikum alles bis zum letzten Satzzeichen ausbuchstabiert und – um auch ja sicherzugehen – dann noch mal wiederholt. Vor allem die Lebensweisheiten, die Lichter aus seiner Erfahrungen für sich abgeleitet hat, sind nicht mehr als mit viel Pathos vorgetragene Kalendersprüche, die Tiefsinn vorgaukeln, wo keiner ist. Klar, wer Kitsch mag und für sich als bewegend empfindet, der findet hier einiges zu tun. Außerdem ist Hauptdarsteller Oliver Stokowski (Mich hat keiner gefragt,Das Versprechen) sichtlich bemüht, die Besonderheiten seines Vorbildes zu übernehmen. Das alleine macht aber keinen guten Film. Wer tatsächlich etwas über Horst Lichter erfahren möchte, greift zum Buch. Horst Lichter: Keine Zeit für Arschlöcher ist in vielerlei Hinsicht einfach Zeitverschwendung.
OT: „Horst Lichter: Keine Zeit für Arschlöcher“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Andreas Menck
Drehbuch: Edda Leesch
Musik: Ali N. Askin
Kamera: Mathias Prause
Besetzung: Oliver Stokowski, Barbara Nüsse, Chiara Schoras, Johanna Gastdorf, Emilian Heinrich, Lou Strenger, Enno Kalisch
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