Nightmare Alley
© 20th Century Studios

Nightmare Alley

Inhalt / Kritik

Nightmare Alley
„Nightmare Alley“ // Deutschland-Start: 20. Januar 2022 (Kino) // 31. März 2022 (DVD/Blu-ray)

Als Stanton Carlisle (Bradley Cooper) einen wandernden Jahrmarkt besucht, ahnt er noch nicht, wie sehr dies sein weiteres Leben verändern wird. Nicht nur, dass er Zeena (Toni Collette) und Peter Krumbein (David Strathairn) kennenlernt, die dort als Gedankenleser arbeiten und ihm die Kunst des subtilen Betruges beibringen. Er trifft zudem Molly Cahill (Rooney Mara), für die er schnell Gefühle entwickelt. Einige Zeit später verlassen die beiden nach einem traurigen Vorfall den Jahrmarkt, um sich woanders eine neue Existenz aufzubauen. Dabei sind sie sehr erfolgreich, Stan ist zu einem begabten Gedankenleser geworden, der in der High Society New Yorks verkehrt, Molly assistiert ihm dabei. Diese Routine wird jedoch nachhaltig gestört, als eines Tages die Psychologin Lilith Ritter (Cate Blanchett) bei einem seiner Auftritte erscheint, in der festen Absicht, ihn als Betrüger zu entlarven …

Hochkarätig ignoriert

Es dürfte derzeit kaum einen großen Regisseur geben, bei dem Erfolg und Misserfolg so eng beieinander liegen wie bei Guillermo del Toro. Er wird einerseits kultisch verehrt und geschätzt, obwohl die Kritiken meist nicht überragend sind. Er arbeitet mit vielen namhaften Schauspielern und Schauspielerinnen zusammen, hat aber kaum etwas, das man eindeutig als Hit bezeichnen würde. Zuletzt schien es, als sei der Mexikaner endlich im Olymp angekommen. Shape of Water – Das Flüstern des Meeres erhielt zahlreiche bedeutende Filmpreise, darunter den Goldenen Löwen in Venedig oder auch den Oscar für den besten Film und die beste Regie. Auch kommerziell war die Geschichte um eine einfache Putzfrau, die sich in ein Meerwesen verliebt, ein voller Erfolg. Rund 200 Millionen US-Dollar spielte das Drama ein, knapp das Zehnfache des Budgets.

Mit Nightmare Alley folgte nun aber wieder ein Absturz. Das Thrillerdrama war überraschend auf keinem der großen Festivals vertreten. Die Einspielergebnisse in den USA sind katastrophal. Und auch bei der Award Season wird der Film ignoriert. Die Kritiken an sich sind zwar gut. Angesichts des Renommees des Regisseurs und der absurd hochkarätigen Besetzung hätte man dennoch mehr Hype erwarten dürfen, stattdessen redet kaum einer über den Film. Dabei ist er durchaus sehenswert. Ob es unbedingt eine weitere Adaption von William Lindsay Greshams gleichnamigen Roman von 1946 braucht, darüber kann man sich natürlich streiten. Schließlich gab es bereits 1947 mit Der Scharlatan eine Verfilmung, die heute als Klassiker gilt. Aber das heißt nicht, dass del Toros Version Zeitverschwendung wäre.

Exzessives Spiel mit Gegensätzen

Wobei Zeit tatsächlich ein Problem von Nightmare Alley ist: Mit einer Laufzeit von rund zweieinhalb Stunden folgt der Regisseur und Co-Autor dem fragwürdigen Trend zur Überlänge. Das wird schon alles sehr ausgedehnt, ohne dass es immer einen guten Grund dafür gibt. Da fehlt zuweilen der Fokus aus Wesentliche. Zu sehen gibt es aber auch in der Fassung genug. Das ist auch wörtlich zu verstehen: Kameramann Dan Laustsen (Silent Hill), ein langjähriger Begleiter del Toros, hat ein Wunderland erschaffen, das ebenso bezaubernd wie abstoßend ist. Da wechseln sich Szenen ab, die von Glamour geprägt sind, von dem Traum einer magischen Welt, und solche, die sich im Dreck suhlen. Gleich zu Beginn sehen wir einen Mann, der wie ein Tier gehalten wird. Ein Freak und eine Bestie, die zur Belustigung der niedersten Triebe des Menschen herangezüchtet werden.

Nightmare Alley spielt dann auch sehr intensiv mit diesen Gegensätzen und Fassaden, die nicht das sind, was sie nach außen hin zu sein scheinen. Schließlich folgen wir einem Mann, der jahrelang unter Betrügern gelebt hat, die von dem Verkauf von Illusionen leben. Und selbst Ritter, die als Psychologin eigentlich für die Auseinandersetzung mit der inneren Wahrheit steht, spielt ganz ein doppeltes Spiel. Dass sie das tut, ist offensichtlich. Niemand im Publikum dürfte daran Zweifel haben. Spätestens wenn enthüllt wird, dass sie ihren Beruf ein wenig zweckentfremdet, wartet man nur darauf, ihr wahres Gesicht zu sehen. Die Spannung des Films besteht dann auch darin, worauf das alles hinauslaufen wird. Ein Happy End ist dabei nahezu ausgeschlossen, dafür ist die Stimmung von Anfang an zu unheilvoll. Wer aber weder den Roman noch die erste Adaption kennt, darf spekulieren, wie schlimm es wirklich wird und ob es Stan gelingt, aus dem Ganzen noch irgendwie rauszukommen.

Das Drama eines maßlosen Mannes

Dennoch ist der Film nur begrenzt ein Thriller, als der er – auch unter Verweis auf die Genre-Vergangenheit del Toros – gerne mal verkauft wird. Er ist über weite Strecken vielmehr ein Drama über einen Mann, der zum Gefangenen seiner eigenen Träume wird und dem Willen, es bis ganz nach oben zu schaffen. Das ist ein bis heute aktuelles Thema. Auch wenn Nightmare Alley in der Vergangenheit spielt und durch das Jahrmarkt-Ambiente aus der Zeit gefallen zu sein scheint, die Anfälligkeit des Menschen für solche Abstürze sind zeitlos. Das Szenario rund um Medien und Gedankenleser mag ungewöhnlich sein. Die Figuren, die sich innerhalb dieses Szenarios bewegen, sind dafür umso bekannter. Und sie sind erstklassig gespielt: Das Ensemble ist neben den Bildern ein weiterer gewichtiger Grund, warum man sich den Film anschauen kann. Hier ist die ganze Bandbreite von widerwärtig über unschuldig bis zu tragisch vertreten. Das Beste und Schlechteste im Menschen also, wobei oft nicht ganz klar ist, wo das eine aufhört und das andere beginnt.

Credits

OT: „Nightmare Alley“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Guillermo del Toro
Drehbuch: Guillermo del Toro, Kim Morgan
Vorlage: William Lindsay Gresham
Musik: Nathan Johnson
Kamera: Dan Laustsen
Besetzung: Bradley Cooper, Cate Blanchett, Toni Collette, Willem Dafoe, Richard Jenkins, Rooney Mara, Ron Perlman, Mary Steenburgen, David Strathairn

Bilder

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„Nightmare Alley“ folgt einem Mann, der ein Talent dafür entwickelt, anderen Menschen etwas vorzugaukeln – bis er an die falsche gerät. Der Film kombiniert zwischen dreckig und glamourös schwankende Bilder zu einem sehenswerten, wenngleich zu lang geratenen Thrillerdrama über einen Schwindler, der seinen eigenen Illusionen zu erliegen droht.
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