Nachdem das tödliche Virus über die Insel hinweggefegt ist, leben nur noch wenige Menschen auf Sløborn. Der Rest wurde von der Bundeswehr eingesammelt und weggebracht oder ist an dem Virus gestorben. Unter den Zurückgebliebenen befindet sich die inzwischen hochschwangere Evelin Kern (Emily Kusche), die sich um ihre Brüder kümmert. Auch Sozialarbeiterin Freja (Karla Nina Diedrich) ist noch da und versucht zusammen mit einer Gruppe von Jugendlichen einen Bauernhof in Schuss zu bringen und sich allein zu versorgen. Währenddessen genießt der Dealer Jan (Mads Hjulmand) sein einsames Leben. Doch damit ist es bald vorbei. Piraten machen die Insel unsicher. Und auch innerhalb der Inselbevölkerung kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen …
Das doppelte Virus
Das Timing war so unheimlich gut, dass es fast schon Anlass für Verschwörungstheorien war: Mitten während der Corona-Pandemie startete auf ZDFneo die Serie Sløborn, ein Mix aus Drama und Thriller über ein tödliches Virus, das eine Insel heimsucht. Das war zwar letztendlich Zufall, geplant war die Geschichte schon lang. Dennoch dürfte der zeitliche Kontext dazu beigetragen haben, dass die Sendung ein großer Erfolg war. Vieles von dem, was das Publikum darin sah, kam einem erschreckend vertraut vor. Die Angst vor der Ansteckung. Die allmähliche Paranoia. Die Maßnahmen, mit denen die Krankheit im Zaum gehalten wurde. Klar war das alles noch einmal deutlich überzogen, die Premium-Variante der Alltagspandemie. Aber es war nah genug dran, um sich nach Herzenslust davon schockieren zu lassen.
Dennoch stellte sich für Serienschöpfer Christian Alvart die Frage, wie es im Anschluss weitergehen soll. Sløborn war natürlich von vornherein auf Fortsetzungen angelegt. Dennoch war es eine Sache, mit einer Virus-Geschichte in eine Pandemie reinzuplatzen, eine andere diese gezielt weiterspinnen zu wollen. Nicht zuletzt weil die Gefahr bestand, dass das Publikum anderthalb Jahre später genug von dem ganzen Kram hat. Auffällig ist in der Hinsicht, dass das Virus in der zweiten Staffel fast überhaupt keine Rolle mehr spielt. Darauf verwiesen wird natürlich schon, als Quelle allen Übels. Man sieht zwischendurch jemanden in einem Schutzanzug. Ein weiterer ist sichtlich von der Krankheit gezeichnet. Für den Rest ist die Pandemie aber mehr oder weniger Geschichte.
Und wie geht es jetzt weiter?
Das liegt auch daran, dass der Fokus sich verschiebt. Ging es zuvor um die Bedrohung durch das Virus müssen die Figuren nun versuchen, in einem Leben nach der Zivilisation zu leben. Teilweise zumindest. Strom ist Mangelware. Es gibt keine medizinische Versorgung mehr. Auch Nahrungsmittel werden nach und nach knapp. Sløborn bewegt sich damit weg vom Pandemie-Thriller hin zu einem Survival-Thriller, wie man ihn in Endzeitszenarien ständig findet. Das ist dann auch eines der Probleme der Staffel: Die Serie wird zu einer von vielen. Verlassene Autos, leerstehende Häuser, dazu eine kleine Gruppe Überlebender, die sich gegenseitig an die Gurgel gehen, das bekommt man ziemlich oft zu sehen. Mal ist es eine Zombieapokalypse, alternativ gab es eine Umweltkatastrophe. Die Folgen sind immer gleich.
Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine solche Geschichte schlecht sein muss. Die italienische Serie Anna erzählte letztes Jahr beispielsweise, wie eine Seuche alle Erwachsenen befällt und die Jugendlichen in einer Welt aufwachsen, in der sie über kurz oder lang sterben werden. Dabei wurden poetische mit tragischen Momenten verbunden, die gerade auch von den Figuren lebten. Bei Sløborn sind gerade Letztere jedoch der Schwachpunkt. Interessant ist hier niemand. Vielmehr gibt es einen Mix aus langweiligen und anstrengenden Leuten. Tatsächlich werden da einige so nervtötend, dass man auf einmal anfängt, das Virus noch einmal anzuflehen, es möge doch bitte zurückkommen und den Rest erledigen. Dass in solchen Thrillern nicht alle sympathisch sind, gehört zwar dazu. Wenn aber jeder Auftritt von ihnen zu einem Anlass wird vorzeitig abzuschalten, dann ist das etwas kontraproduktiv. Umso mehr, wenn diese Nervensägen so stereotyp sind.
Viel Pathos um nichts
Wenn die Serie wenigstens etwas zu erzählen hätte. Stattdessen dreht sie sich sechs Folgen lang mehr oder weniger im Kreis. Erst zum Schluss nimmt die Nabelschau am Ende und es findet tatsächlich etwas statt, das man als Entwicklung bezeichnen darf. Davor gibt es Klischeekonflikte, die eine der Figuren selbst mit Herr der Fliegen vergleicht. Zumindest war man sich also bewusst, dass hier recht uninspiriert den Genrevorrat plündert und mit melodramatischer Musik und viel Pathos verquirlt wird. Auch das wird sicherlich seine Fans finden, wenn ganz viel unnötiges Drama bemüht wird. Schließlich kann keine Situation so schlimm sein, dass sie nicht noch verkompliziert werden kann. Spannend ist das aber nicht. War Sløborn beim Auftakt noch eine zumindest unterhaltsame Serie, die mit einem erschreckenden Szenario punkten konnte, ist bei der Fortsetzung allenfalls erschreckend, wie überflüssig sie ist.
OT: „Sløborn“
Land: Deutschland, Dänemark
Jahr: 2022
Regie: Christian Alvart
Drehbuch: Christian Alvart, Arend Remmers
Musik: Christoph Schauer, Max Filges
Kamera: Christian Alvart
Besetzung: Emily Kusche, Alexander Scheer, Karla Nina Diedrich, Adrian Grünewald, Lea van Acken, Aaron Hilmer, Mads Hjulmand, Urs Rechn, Wotan Wilke Möhring
https://www.youtube.com/watch?v=PKu1MWReFII
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)