Ein Aspekt, der immer wieder mit einem hohen Alter verbunden wird, ist die Lebensweisheit, die ein Mensch erlangt hat und aufgrund dessen man sich bei diesem Menschen Rat in gewissen Angelegenheiten einholt. Bei den vielen Entscheidungen, die wir im Laufe unseres Lebens fällen, wollen wir immer wieder jemanden haben, der uns zur Seite steht, wobei eine genaue Beobachtungsgabe und etwas Geduld meist der Schlüssel zu einer Lösung ist, was ironischerweise auch die Essenz vieler Ratschläge beinhaltet. Gerade in einer sehr schnelllebigen Zeit wie der heutigen, sind wir schnell dabei, unsere Leben und Abläufe zu ändern, sodass Geduld eine wirkliche Tugend geworden ist, die sich viele nicht leisten. Zumindest war dies eine Meinung, welche die japanische Regisseurin Naomi Kawase vertrat und die sich in ihren zahlreichen Dokumentationen und Spielfilmen widerspiegelt. Dabei geht es ihr nicht nur um den Aspekt der Geduld, sondern darum, wie Menschen miteinander leben, wie Gemeinschaften funktionieren und wie Menschen durch Zeit und Orte miteinander verbunden sind. Über die Beobachtung kommt man zu jenen Antworten, oder nähert sich ihnen zumindest, wie unter anderem ihr The Weald beweist.
In dieser Dokumentation aus dem Jahre 1997 trifft der Zuschauer auf sechs ältere Menschen, die am Yoshino-yama, einem Berg in der Präfektur Nara leben. Die Gemeinde ist klein und abgeschnitten, und die Bewohner gehen jeden Tag einer immer sehr ähnlichen Routine nach, die aus Arbeit – auf den Feldern oder ihren kleinen, selbst eingerichteten Workshops – besteht. Nicht nur ihr Alltag interessiert Kawase, auch ihre Gedanken und Philosophien zu so unterschiedlichen Themen wie Familie, Tod und Geld, welche sie bereitwillig teilen. Während sie die Menschen beobachtet, fängt sie auch die Landschaft ein, die sie ihr Zuhause nennen, die atemberaubende Natur und die dichten Wälder, welche gleichsam ihre Isolation wie auch die Idylle ihres Daseins betonen.
Über Einsiedler
In ihrem Regiestatement, welches aus Kawases Homepage zu finden ist, erklärt die Filmemacherin, dass ihre Faszination mit den Menschen am Yoshino-yama mit einem Wort begann, nämlich „somaudo monogatari“, was zugleich der Originaltitel der Dokumentation ist. Dabei vereint das Wort die Worte für „Baum“ und „Berg“, doch ebenso den Begriff „Einsiedler“, was wiederum eine mehr als passende Beschreibung für die Menschen ist, die Kawase in ihrer Dokumentation kennenlernt. Während ihre Isolation auf manchen Betrachter einsam wirkt und man Mitleid mit den Menschen hat, zeigt die Dokumentation zudem eine andere Seite, scheinen die Bewohner der Gemeinde doch so etwas wie eine Form des Einklangs mit ihrem Leben und ihrer Umgebung gefunden zu haben.
Diese Idee des Einklangs spiegelt sich in The Weald auch ästhetisch wider. Die Mischung aus 16 mm und 8 mm Film, die Kawase für ihre Dokumentation nutzt, mutet zum einen wie ein Homevideo an, doch betont jene Ambivalenz zwischen jenem Gleichgewicht und der Abgeschnittenheit des Ortes. Immer wieder verweilt die Kamera doch bei einem Moment, einem Gesicht oder einem Ausblick auf die Landschaft, vielleicht um jene Form des Lebens noch besser zu verstehen, welche den Bewohnern der Gemeinde zu eigen ist.
OT: „Somaudo monogatari“
Land: Japan
Jahr: 1997
Regie: Naomi Kawase
Kamera: Naomi Kawase, Koide Junko
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