Lamb
Szenenbild aus "Lamb" von Valdimar Jóhannsson (© Koch Films)

Valdimar Jóhannsson [Interview]

Valdimar Jóhannsson hat vor seinem ersten Film viele Jahre in sehr unterschiedlichen Sparten der Filmproduktion gearbeitet. Für Produktionen wie Prometheus – Dunkle Zeichen, Rogue One: A Star Wars Story oder The Tomorrow War hat er beispielsweise bei den Spezialeffekten mitgearbeitet. 2003 drehte er mit Pjakkur seinen ersten Kurzfilm, dem drei Jahre später Harmsaga folgte.

Mit Lamb legt der Isländer sein Spielfilmdebüt vor, welches in Deutschland auf dem Fantasy Filmfest seine Premiere hierzulande feierte. Davor lief der Film bereits bei den Filmfestspielen in Cannes und wurde dort für seine Originalität ausgezeichnet. Darüber hinaus wurde Lamb beim Sitges Filmfestival mit dem Preis für den Besten Film ausgezeichnet sowie auf dem Strasbourg European Fantastic Film Festival mit dem Jurypreis. Zudem ist Lamb der isländische Beitrag für die 94. Oscarverleihung.

Anlässlich des deutschen Kinostarts von Lamb am 6. Januar 2022 sprechen wir mit Valdimar Jóhannsson über die Themen des Films, die Zusammenarbeit mit Schauspielerin Noomi Rapace und die Spezialeffekte von Lamb.

 

Kannst du uns was zur Inspiration und der Entstehung von Lamb sagen?

Alles begann eigentlich mit einem Notizbuch, in dem ich verschiedene Ideen sammelte, ohne zu wissen, was sich aus ihnen eigentlich am Ende entwickeln würde. Darüber zeichnete ich auch viel, sehr viele Skizzen zu Ada, dem Kind der beiden Hauptfiguren im Film. Meine Produzenten stellten mich dann Sjón vor, mit dem ich mich dann jede Woche über einen Zeitraum von vielen Jahren traf und die Geschichte entwickelte. Nach einiger Zeit schrieben wir dann eine Treatment, mit dem die Produzenten einverstanden waren, sodass Sjón mit der Arbeit am Drehbuch zu Lamb begann.

Ich habe gelesen, dass Lamb immer wieder als Horrorfilm kategorisiert wird, was du in vielen Interviews dementiert hast. Inwiefern ist nicht Lamb an sich eine Parabel darauf, dass wir als Menschen Kategorien brauchen, um Sachverhalte zu verstehen?

Jede Geschichte kann ja vielen unterschiedlichen Genres zugeteilt werden und ich finde, das ist auch gut so. Es ist nicht immer einfach, solche Dinge einer Kategorie zuzuordnen. Aber ich verstehe auch, warum es aus der Sicht einer Marketing-Abteilung Sinn ergibt, eine solche eindeutige Zuordnung vorzunehmen. Ich glaube aber, dass Horrorfans enttäuscht sein werden, wenn sie meinen Film sehen, denn eigentlich verstehe ich ihn mehr als ein Arthouse-Drama. Horror ist nur ein Element von vielen in Lamb.

Welche Rolle spielt die isländische Landschaft in Lamb?

Die Landschaft ist wie ein weiterer Charakter innerhalb der Geschichte. Sagen und Mythen, nicht nur der isländischen Kultur, haben ein Element in ihnen, welches in der Natur verwurzelt ist und welches man sich nicht erklären kann. Mein Kameramann Eli Arenson und ich wollten die Landschaft um uns herum als eine Bedrohung darstellen, weshalb wir meist gedreht haben, wenn der Himmel wolkenverhangen war. Diese Atmosphäre war mir wichtig, denn es ist schon etwas unheimlich, wenn man diese weite Landschaft hat und jeder einen sehen kann. Man wirkt so verletzlich.

Ich finde es wunderbar, wie dein Film Stille oder Schweigen einsetzt, besonders zu Beginn. Welche Bedeutung haben diese Momente für die Geschichte?

Für Sjón und mich sind diese Momente von besonderer Bedeutung und wir wollten sogar so wenig Dialoge wie nur möglich im Film haben, um diese Spannung aufrechtzuerhalten. Es ist ja eine alte Faustregel des Kinos, dass, wenn man etwas sehen kann und es mit Bildern ausdrücken kann, man keine Dialoge braucht. Vielleicht ist dies aber auch nur mein Geschmack. Jedoch passt dieser Ansatz, meiner Meinung nach, zu Lamb.

Kannst du noch was zum Casting und der Zusammenarbeit mit Noomi Rapace und Hilmir Snær Guðnason erzählen?

Wir hatten Noomi für die Rolle der Maria schon lange im Blick, alleine schon, weil sie in Island wohnt und Isländisch spricht. Jedoch war uns klar, dass es schwierig sein wird, sie für ein kleines Projekt wie unseres zu gewinnen, weil sie so einen vollen Terminkalender hat. Als sie aber dann das Drehbuch gelesen hatte, wollte sie uns treffen und unbedingt Teil des Projekts sein. Hilmir hatte ich auch schon lange im Blick gehabt für Ingvar und bei den Proben stellte sich heraus, dass er und Noomi gut harmonierten. Während der Dreharbeiten haben wir immer sehr viel über die Szenen und die Figuren gesprochen, wobei ich viel von ihnen gelernt habe, wofür ich sehr dankbar bin.

Wie lange hat es gedauert, bis das Design für Ada stand?

Am Set war Peter Hjorth, einer der vielen Mitglieder unseres Effekteteams, jeden Tag bei den Aufnahmen dabei. Für die Szenen mit Ada hatten wir Lämmer, Kinder und Puppen, die alle zum Einsatz kamen, was letztlich sehr viel Zeit gekostet hat. Ich respektiere meine Schauspieler, die Szenen immer wieder drehen mussten wegen dieser Vorgabe. Schlussendlich war es das aber wert, denn wenn Ada nicht funktioniert hätte, wäre der Film ins Wasser gefallen und zu einer Lachnummer geworden.

Obwohl der Film ja auch sehr viele komische Szene hat.

Diese Szenen braucht man aber auch, gerade weil die erste Hälfte von Lamb so schwermütig ist. (lacht)

Gibt es Geschichten oder Figuren, die dich nach Lamb reizen würden als Filmemacher?

Im Moment reise ich noch sehr viel, weil Lamb gerade auf sehr vielen Festivals läuft und in vielen Ländern im Kino startet. Doch wir haben bereits die Gespräche über ein neues Projekt begonnen und ich hoffe, dass diese, sobald mein Terminplan es wieder zulässt, hier weitermachen können. Das wird aber wohl erst Anfang 2022 werden. Wenn ich an die Szene denke, in der die Charaktere in Lamb singen, erinnert es mich daran, wie gerne ich ein Musikvideo drehen würde. Das habe ich schon immer mal machen wollen.

Vielen Dank für das Gespräch.



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