Eigentlich war Carlito Brigante (Al Pacino) zu einer 30-jährigen Haftstrafe verurteilt worden, für die zahlreichen Verbrechen, die er begangen hat. Doch dank seines gewieften Anwalts David Kleinfeld (Sean Penn) kommt er tatsächlich nach wenigen Jahren schon wieder frei, Verfahrensfehler sei Dank. Für den puerto-ricanischen Gangsterboss ist das ein Anlass, alles noch einmal zu überdenken und sich von seinen kriminellen Taten zu verabschieden. Anstatt wieder mit Drogen zu handeln, will er sein Geld lieber ganz egal als Club-Besitzer verdienen. Zudem würde er gern mit seiner Ex-Freundin, der Tänzerin Gail (Penelope Ann Miller), von vorne anfangen. Ganz so leicht, wie er sich das vorgestellt hat, ist das dann aber doch nicht, da er immer wieder durch andere in neue Geschichten hineingezogen wird …
Ein relativer Fehlschlag
Eigentlich hätte Carlito’s Way 1993 ein absoluter Selbstläufer sein müssen. Mehrere Male hatte sich Regisseur Brian De Palma schon in die Welt des Verbrechens begeben und dabei eine Reihe großer Filme abgeliefert. Außerdem spielte Genre-Größe Al Pacino die Hauptrolle, mit dem er zuvor das Meisterwerk Scarface gedreht hatte. Hinzu kam, das die Grundlage ein erfolgreicher Roman war. Genauer nahm sich De Palma das Buch After Hours (1979) von Edwin Torres zur Vorlage, wählte als Titel jedoch den des bereits 1975 veröffentlichten Vorgängers, um Verwechslungen mit Martin Scorseses Die Zeit nach Mitternacht zu vermeiden. Denn der trug im Original denselben Titel wie das Werk von Torres. Gebracht hat es nicht viel. Zwar war die Geschichte um den Gangster Brigante für zwei Golden Globes im Rennen. Ansonsten waren die Reaktionen aber eher verhalten.
Inzwischen hat sich das gewandelt. Dennoch: Die ganz großen Erwartungen, die man an Carlito’s Way haben durfte, werden nicht so wirklich erfüllt. Das liegt jedoch weniger an der Inszenierung De Palmas, der sein Gangsterdrama nach wie vor als eines seiner besten Werke ansieht. Die Geschichte ist einfach nicht sonderlich interessant. Das Bild des Verbrechers, der sich von der Welt der Kriminalität lossagen will, war schon damals recht verbraucht. Heute gibt es erst recht keinen Grund, warum man das eine unbedingt erzählenswürdige Geschichte sein sollte. Zumal der Film an vielen Stellen nur Klischees bedient, sei es beim Nachtclub, den sich aufplusternden Verbrechern oder auch der obligatorischen Partnerin, die als Symbol für den Neustart herhalten muss, dabei aber nicht mehr als ein Gebrauchsobjekt ist.
Kampf gegen eine zunehmend fremde Welt
Etwas besser sieht es bei der Figur Carlito aus. Aber auch da wäre deutlich mehr drin gewesen. Der spannendste Faktor ist noch der, wie der Protagonist nach seiner Haftentlassung die Welt nicht mehr so wirklich wiedererkennt. So besteht ein Nebenstrang darin, wie der jüngere Gangster Benny Blanco (John Leguizamo) in seine Fußstapfen treten will, sich aber von den Einschränkungen des Berufsethos lossagt. Der Versuch, einen Kontrast zwischen den „guten“ und den „schlechten“ Verbrechern aufzubauen, überzeugt zwar nicht so wirklich, weshalb das Ende des Romans völlig unnötig umgeschrieben wurde. Gut gelungen ist dafür, wie Carlito’s Way das Gefühl erzeugt, dass die Titelfigur in ihrer eigenen Welt verloren ist. Sie versucht, sich gleichzeitig an die alten Regeln zu halten und diese hinter sich zu lassen – was naturgemäß nicht wirklich funktioniert.
Dass es dann irgendwann richtig knallen muss, ist klar. De Palma weiß dann auch, diese Momente richtig in Szene zu setzen. Vor allem das große Finale, bei dem der Verbrecher demonstrieren darf, dass er nichts von seinem alten Können verloren hat, ist gleichzeitig eine Demonstration des eigenen inszenatorischen Geschicks. Das ergibt im Einzelnen zwar nicht viel Sinn, lässt aber kaum Zeit, darüber überhaupt nachzudenken. Spannend ist Carlito’s Way hier und an anderen Stellen also durchaus. Leider wird dieser Höhepunkt dann aber auch gleich wieder durch einen grottenschlechten Monolog zerstört, der als Voice over das Geschehen begleitet. Eine theatralische Nichtigkeit, die als tiefsinnig und reflektiert verkauft werden soll, letztendlich aber genauso peinlich ist wie einige der Figuren, die hier so auftauchen und nicht über eine Karikatur hinausgehen.
Umringt von widerlichen Figuren
Überhaupt braucht man in Carlito’s Way schon eine größere Toleranzgrenze, was die Figuren angeht. Dass in einem Gangsterporträt reine Sympathieträger eher weniger anzutreffen ist, ist zu erwarten. Hier wird das Ganze aber noch einmal verstärkt. Vor allem Sean Penns Interpretation des kriminellen, dauerkoksenden Anwalts beeindruckt durch ihre pure Widerwärtigkeit und sorgt für einige der prägnantesten Szenen. Es gibt also schon einige Gründe, weshalb man dem seinerzeit an den Kinokassen enttäuschenden Krimi heute anschauen kann. Dazu zählt auch die Atmosphäre des 1975er New Yorks, eine Stadt, die in solchen Filmen immer ein eigener Charakter ist. Man sollte nur nicht zu viel von diesem erwarten. Wer Dauerspannung möchte, für den bietet Da Palma nicht genug Action oder anderweitig brenzlige Situationen. Für ein tatsächliches Porträt ist die Hauptfigur wiederum zu oberflächlich und täuscht lediglich durch Pacinos Schauspieltalent vor, dass hier wirklich etwas gesagt wird.
OT: „Carlito’s Way“
AT: „Carlitos Weg“
Land: USA
Jahr: 1993
Regie: Brian De Palma
Drehbuch: David Koepp
Vorlage: Edwin Torres
Musik: Patrick Doyle
Kamera: Stephen H. Burum
Besetzung: Al Pacino, Sean Penn, Penelope Ann Miller, Luis Guzmán, John Leguizamo
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Golden Globes | 1994 | Bester Nebendarsteller | Sean Penn | Nominierung |
Beste Nebendarstellerin | Penelope Ann Miller | Nominierung |
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