1942, Warschau: Während der Zweite Weltkrieg durch ganz Europa tobt, vergnügen sich in der polnischen Hauptstadt ranghohe SS-Männer bei einem Fest. Als eine polnische Prostituierte ermordet aufgefunden wird, steht zunächst die lokale Bevölkerung in Verdacht, das Verbrechen begangen zu haben. Doch ein Augenzeuge besteht darauf, dass ein deutscher General die Tat begangen hat. Der junge Offizier Major Grau (Omar Sharif) wird mit der Aufgabe betreut, den Fall rasch und ohne großes Aufsehen zu klären. An Verdächtigen mangelt es dabei nicht, denn ausgerechnet die ranghohen Generäle Tanz (Peter O’Toole), Kahlenberge (Donald Pleasence) und von Seidlitz-Gabler (Charles Gray) haben kein Alibi. Doch es gelingt ihm nicht, rechtzeitig den Mörder zu schnappen, da er plötzlich nach Paris versetzt wird. Erst zwei Jahre später wird er dort erneut die Gelegenheit haben, seine Ermittlungen fortzusetzen, als sich die Wege der vier wieder kreuzen …
Mord in Zeiten des Krieges
Keine Zeit ist wohl besser dafür geeignet, Verbrechen zu begehen, als die des Krieges. Denn wenn die ganze Welt damit beschäftigt ist, irgendwie ums Überleben zu kämpfen, wird vieles relativ. Selbst ein Mord. Vor allem wenn es ein Mord an einer unbedeutenden Frau ist. Das ist natürlich ziemlich zynisch. Aber Die Nacht der Generale ist in der Hinsicht nicht sonderlich zurückhaltend mit den Aussagen. Als Grau mit seinem Fall beginnt, wird ihm unmissverständlich klar gemacht, dass man nicht sonderlich viel von seinem Versuch der Wahrheitsfindung hält. Nicht nur dass es mitten im Krieg Wichtigeres gebe als das, was er da will. Er muss sich sogar verspotten lassen, dass im Moment die gefeiert werden, die möglichst viele töten, ein Einzeltäter verdiene da eher Anerkennung als Verfolgung.
Die Nacht der Generale ist damit durchaus ein Kommentar auf den Krieg. Er ist aber nur bedingt ein Antikriegsfilm. Auch wenn die obige Passage Erinnerungen weckt an die legendäre Aussage „Soldaten sind Mörder“ geht es in dem Film gar nicht so sehr darum, den Krieg als solchen zu kritisieren. Zumindest positioniert er sich nicht wirklich eindeutig dazu. Das einzige, was hier eindeutig ist, wie an mehreren Stellen klar gemacht wird: Nur weil drumherum die Menschen in Massen sterben, haben Menschen durchaus Rechte. Da ist ein interessanter Gedanke, der da angestoßen wird und sich unter anderem um die Frage dreht, inwieweit Recht vom Kontext abhängig ist. Gelten Regeln für alle? Und wenn nicht, wo setzt man dabei die Grenze? Auch die Frage nach dem Wert eines Menschen kommt hier auf.
Von allem ein bisschen
Gleichzeitig ist Die Nacht der Generale, alternativ auch als Die Nacht der Generäle bekannt, ein Krimi. Zumindest anfangs ist es so, dass Grau wie bei einem klassischen Whodunnit umhergeht, nach Spuren sucht, Leute befragt. Man darf hier als Zuschauer und Zuschauerin durchaus rätseln, wer der Mörder ist. Da die Verdächtigen überaus prominent besetzt sind, kommt zunächst jeder in Frage. Hinzu kommt: Alle drei Figuren haben etwas zu verheimlich, wie bald klar wird. Auch in der Hinsicht gibt sich der Film ganz traditionell. Der Unterschied ist nur, dass hier ausnahmsweise kein Polizist oder Detektiv die Ermittlungen durchführt, sondern jemand aus dem Militär – was ein tatsächlich interessantes Szenario ist, umso mehr da Grau ein Untergebener ist. Innerhalb einer Organisation ein Verbrechen aufzudecken, wenn die Organisation dafür keine Verwendung hat, das ist doch mal eine Herausforderung.
Leider wird der Täter aber relativ früh schon verraten, weshalb sich das mit dem Krimi ein wenig erledigt hat. Lediglich die Frage, ob derjenige auch überführt wird und Konsequenzen tragen muss, sorgen für Spannung. Und auch das wird zuweilen nebensächlich, da der anfänglich noch klar einzuordnende Film plötzlich selbst kein Interesse mehr hat, sich irgendwelchen Regeln zu unterwerfen. Die Nacht der Generale ist Kriegsfilm und Krimi, ist Moralstück und Zeitporträt, wenn auf einmal das Attentat auf Hitler eine Rolle spielt. Das ist je nach Ansicht Stärke oder Schwäche des Films, der alles und nichts auf einmal ist. Klar geht das nicht in die Tiefe, weder bei den moralischen Überlegungen noch bei der Figurenzeichnung. Außerdem führen die diversen Themen und Zeitebenen dazu, dass das Ganze unnötig aufgeblasen ist. Aber es ist doch ein sehr eigenes Werk, welches Regisseur Anatole Litvak (Du lebst noch 105 Minuten) da vorgelegt hat und einen mit unterschiedlichsten Gefühlen zurücklässt.
OT: „The Night of the Generals“
Land: UK, Frankreich
Jahr: 1967
Regie: Anatole Litvak
Drehbuch: Joseph Kessel, Paul Dehn
Vorlage: Hans Hellmut Kirst, James Hadley Chase
Musik: Maurice Jarre
Kamera: Henri Decaë
Besetzung: Peter O’Toole, Omar Sharif, Tom Courtenay, Philippe Noiret, Donald Pleasence, Joanna Pettet, Charles Gray
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)