Schlaf
Gro Swantje Kohlhof im Horrormystery "Schlaf" (© Salzgeber & Co. Medien)

Gro Swantje Kohlhof [Interview]

In Schlaf spielt Gro Swantje Kohlhof eine junge Frau, die ihrer Mutter hinterherreist, nachdem diese plötzlich ins Koma gefallen ist, um ihr während dieser Zeit beizustehen. Gleichzeitig treibt sie die Neugierde, was da genau vorgefallen ist und stößt dabei auf ein altes Hotel, in dem eigenartige Dinge vor sich gehen. Wir haben uns mit der Schauspielerin über den mysteriösen Horrorfilm unterhalten.

 

Was hat dich an Schlaf gereizt, dass du bei dem Film mitmachen wolltest?

Es ist bestimmt schon fünf, sechs Jahre her, dass ich diesen Stoff gelesen habe. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon so viele Geschichten gelesen über Frauen, die in Kellern sind, gefesselt oder verprügelt werden. Und bei der Geschichte dachte ich: Endlich mal eine Frau, die total empowered ist! Sie muss nur noch herausfinden, dass sie es ist. Außerdem macht sie es für eine Frau und mithilfe einer anderen Frau. Da kommt nicht noch mal ein Typ durchs Bild gelatscht und gibt ihr die Berechtigung dazu. Das ist traurig, aber in solchen Geschichten sieht man das nur selten, dass eine Frau wirklich unabhängig ist. Und danach sehne ich mich total.

Schlaf ist ein Film, der sehr viel zum Interpretieren ermutigt und von dem man nicht immer genau sagen kann, was da genau geschieht. Den man auch gar nicht so leicht zusammenfassen kann. Aber wenn du den Film kurz beschreiben müsstest, wovon handelt er?

Das ist tatsächlich ziemlich schwierig. Ich habe immer gesagt, das ist ein Arthouse-Horror-Thriller-Detektiv-Mutter-Tochter-Coming-of-Age-Drama. Wenn man einmal die Frage des Genres außen vorlässt, würde ich sagen, es geht um Deutschland und deutsche Geschichte. Das kommt in verschiedenen Formen vor, von denen einige nicht sofort erkennbar sind. Es ist außerdem für mich ein Generationenfilm, in dem drei Generationen von Frauen zusammenkommen, die alle dasselbe Trauma verarbeiten – jede auf ihre Art und Weise.

Der Film ist auch deshalb nicht ganz leicht zu verstehen, weil er mit sehr vielen verschiedenen Ebenen spielt, die sich überlagern. Hast du jemals beim Drehen das Gefühl gehabt, du weißt nicht mehr, wo du bist?

Permanent. Wir haben ja auch nicht chronologisch gedreht, was das alles noch einmal komplizierter gemacht hat. Ich habe da mit unfassbar vielen Post-its und Zetteln gearbeitet, um zu wissen, in welchem Kopf wir gerade stecken und ob das Traum oder Realität ist. Ich war völlig durcheinander, was zum Glück für die Rolle ganz gut zu gebrauchen war. Hinzu kommt, dass ich zu der Zeit andauernd hin und her gependelt bin, weil ich gleichzeitig in München noch Theater gespielt habe. Da musste ich nachts mit dem Auto von A nach B fahren, was nicht unbedingt bei der Orientierung hilft. Außerdem lebt der Film davon, dass sich meine Figur Mona ganz langsam weiterentwickelt und stärker wird. Michael und ich haben in langen Gesprächen versucht vorab festzulegen, wie weit sie in einer Szene schon ist, damit wir keine Entwicklung vorgreifen. Das war bei der Vorbereitung mit viel Detailarbeit verbunden.

Als Schauspielerin bist du es ja gewohnt, zwischen verschiedenen Realitäten zu wechseln. Wie schwierig ist es, diese immer auseinanderzuhalten? Kommt es vor, dass ein Dreh dich anschließend noch verfolgt? Oder umgekehrt: Kannst du beim Dreh die Welt da draußen komplett ausschalten?

Beim Drehen in Momentaufnahmen. Ich sehe ja, dass da eine Kamera ist oder eine Tonangel von oben herunterhängt. Außerdem gibt es ganz viele Verabredungen, an die du dich halten musst, wenn du auf Marker auftrittst. Ich finde aber, dass das etwas ist, dass du nicht ganz alleine lösen musst. Wenn ich tolle Kollegen habe an meiner Seite, mit denen ich etwas entstehe lasse, fällt es mir deutlich leichter, das Drumherum zu vergessen. Wenn zwei Leute beim Spielen etwas gefunden haben und etwas entsteht, dann ist das ein reales Gefühl und fühlt sich auch konkret an. Dann muss ich nicht so tun, als wäre das eine andere Welt. Dann ist mir auch egal, wenn ich eine Kamera sehe, weil das haut mich dann nicht mehr raus. Und das war in Schlaf der Fall. Klar spiele ich darin die Hauptfigur, aber es ist ein toller Ensemblefilm, bei dem ich die Zusammenarbeit sehr genossen habe.

Ein wichtiges Element in Schlaf sind Träume. Die können dort teilweise sehr surreal sein, sind aber doch nicht völlig an der Realität vorbei, weil sie sich auf das beziehen, was gewesen ist. Sind Träume das Tor zu einer anderen Welt oder ein Abbild unserer Welt?

Ich bin kein Schlafforscher und es gibt da auch unzählige Theorien dazu. Aber wenn du wach bist, musst du immer tausend Sachen machen und dich an irgendwelche Regeln halten. Das bedeutet auch, dass du gegen eigene Impulse handelst und nicht das tun kannst, worauf du eigentlich gerade Lust hättest. Und ich denke schon, dass sich das dann nachts wieder an dich herankrabbelt, weil das irgendwo verankert bist. Schlafen ist ja auch eine Verarbeitungszeit. Du hast das oft, wenn du morgens aufwachst, dass du dich fragst: Gott, wo kam denn der Traum gerade her? Was soll mir das denn jetzt bitte sagen? Die Träume sind aber vermutlich schon immer irgendwo verwurzelt, selbst wenn du nicht genau sagen kannst wo.

Bist du jemand der viel träumt bzw. sich danach auch noch daran erinnert?

Ja, schon. Ich träume nur irgendwie nie so schöne Sachen. Ich wache sehr oft sehr verwirrt auf und bin manchmal richtig erschöpft, weil die Träume so anstrengend waren. Das passiert vor allem in Stressphasen. Wenn ich viel arbeite und viel probe, träume ich den seltsamsten Kram.

Was ist der letzte Traum, an den du dich erinnern kannst?

Ich habe zum Beispiel regelmäßig diese typischen Träume, die jeder Schauspieler hat: Ich bin in meiner Garderobe, als der Einruf kommt, dass das Stück beginnt. Und wenn ich dann versuche, mein Kostüm anzuziehen, wird das immer enger, sodass ich nicht mehr rein und nicht mehr rauskomme. Dann torkle ich zur Bühne und stelle fest, dass ich den Text nicht gelernt habe. Ein Klassiker.

In dem Film ist es so, dass Mona oft nicht weiß, ob das gerade real ist oder ob sie träumt. Woher weiß du, dass das Gespräch mit mir gerade kein Traum ist?

Weiß ich das? Und vor allem: Muss ich das wissen? Es gibt eine schöne Szene in Harry Potter mit der Frage, ob das gerade echt ist oder nur in seinem Kopf. Und darauf gibt es die Antwort: „Natürlich ist das alles nur in deinem Kopf. Aber warum sollte das bedeuten, dass es nicht echt ist?“

Nun ist Mona bei ihrem Kampf nicht alleine. Wie du vorhin schon gesagt hast, kämpft sie mit einer anderen Frau für eine dritte Frau und lehnt sich dabei gegen die Männer auf. Würdest du sagen, dass Schlaf ein feministischer Film ist?

Absolut. Den Bechdel-Test besteht der Film auf jeden Fall: Zwei Frauen, die beide einen Namen haben, unterhalten sich über etwas anderes als einen Mann. Wobei das mit feministischen Filmen so eine Sache ist. Du siehst derzeit ganz viele Filme, die Sexismus kritisieren wollen, indem sie ihn reproduzieren. Ich interessiere mich aber mehr für einen utopischen Ansatz: Wie wäre es, wenn Frauen schon empowered sind? Wenn sie schon wissen, wer sie sind? Das bedeutet nicht, dass man auf dem Weg dorthin nicht Angst haben kann. Aber mir gefällt es besser, wenn sie alleine damit klarkommen. In Schlaf müssen sich die Frauen nicht sagen lassen, dass sie da sein dürfen. Sie brauchen keine Berechtigung oder Kraft durch irgendeinen Typen.

In den letzten Jahren ist durchaus viel darüber gesprochen worden, dass Frauen im Filmbereich unterrepräsentiert sind, dass es zu wenige gute Frauenrollen gibt, dass Regisseurinnen nicht genug Aufmerksamkeit bekommen. Hast du das Gefühl, dass sich da auch tatsächlich etwas tut in der Hinsicht?

Nicht in der Geschwindigkeit, in der ich mir das wünschen würde, vor allem nicht in Deutschland. Aber es gibt da immer mehr Filme und Serien, die mit gutem Beispiel vorangehen. Man muss da aber aufpassen, dass das nicht einfach nur ein Trend ist, den man jetzt ein paar Jahre mitmacht und dann ist es schon wieder vorbei. Da würde ich mir schon wünschen, dass das mehr als nur ein Label ist, sondern eine neue Realität wird. Das betrifft auch nicht nur Frauen, sondern alle Menschen, die bislang in Filmen nicht vorkommen durften oder nicht mitreden durften. Es gibt in der Hinsicht viele kleine Schritte, aber der Weg ist noch weit.

Wie würde die Welt deiner Meinung nach aussehen, wenn Frauen tatsächlich das Sagen hätten, sowohl auf Filme bezogen wie auch außerhalb?

Gute Frage. Ein häufiges Missverständnis bei Feminismus ist, dass Frauen einfach nur sehr viel mehr wollen. Feminismus tut aber auch etwas für Männer, indem überholte Klischees von Männlichkeit angesprochen werden. Gerade die toxische Männlichkeit ist ein großes Problem, wenn dadurch Strukturen entstehen, in denen andere nicht mitmachen dürfen. Die Lösung ist dann nicht unbedingt, einfach nur alles auszutauschen. Aber wie viele schöne Filme und Bücher uns vielleicht schon entgangen sind, weil wir einfach noch nicht an dem Punkt sind, dass jeder gleich willkommen ist. Dabei lebt gerade der kulturelle Bereich von den vielen Perspektiven. Wie viel reicher wäre unsere Welt, wenn auch die Leute eine Stimme bekommen, die bislang nur in der zweiten Reihe gestanden haben! Das würde für alle am Ende eine Erleichterung bedeuten. Get Out war beispielsweise ein krass guter Horrorfilm, weil er den realen Horror von PoCs in Amerika aufgreift und viele sich darin wiederfinden konnten, die bislang nicht beachtet wurden.

Eine Sache, die bei deiner Filmografie auffällt, sind die vielen düsteren Filme, die entweder Genrekino sind oder in die Richtung gehen: Tore tanzt, Wir sind die Flut, Endzeit oder eben Schlaf. Hast du gezielt solche Filme gesucht oder hat sich das einfach ergeben?

Sowohl als auch. Das ist schon etwas, das mich interessiert. Ich würde aber nie sagen, dass mich per se Horror oder düstere Filme interessieren. Aber wenn ich beim Lesen denke „geil, das habe ich so noch nicht gesehen“, dann triggert das etwas in mir. Dann möchte ich auch dabei sein. Das kann auch mal scheitern und nach hinten losgehen, weil das immer Filme sind, die etwas riskieren und eine andere Art von Erzählung ausprobieren. Wobei ich es schön fände, wenn das nicht automatisch als Nische abgetan würde, sondern dass sich da in Zukunft etwas bewegt und einfach mehr unterschiedliche Geschichten im Mainstream Platz finden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Gro Swantje Kohlhof wurde am 2. September 1994 in Hamburg geboren. Sie spielte schon in ihrer Schulzeit Theater. Von 2014 bis 2018 studierte sie Schauspiel an der Universität der Künste Berlin. Mit dem TV-Thriller Wolfsfährte gab sie ihr Filmdebüt. Im Kino war sie unter anderem in Tore tanzt (2012), Wir sind jung. Wir sind stark. (2014) und Endzeit (2018) zu sehen.



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