Viele Jahre hat Elli (Jessica Ginkel) gegen den Krebs angekämpft – bis sie nicht mehr konnte. Doch bevor es soweit ist, will sie noch einige Vorbereitungen treffen. Und so hat sie vor ihrem Tod zahlreiche Videos aufgenommen, mit denen sie sich von ihrem Mann Tobias (Golo Euler) und den Kindern Lennart (Luke Matt Röntgen), Lisa (Mathilda Smidt) und Leon (Matteo Hilterscheid) verabschieden möchte. In diesen hat sie nicht nur ihre Gefühle für die Menschen festgehalten, die ihr wichtig waren, sondern versuchte ihnen auch einiges für den weiteren Weg mitzugeben. Leicht wird dieser dennoch nicht. Immer wieder stößt die Familie an ihre Grenzen, auch wenn Ellis Mutter Barbara (Claudia Rieschel) immer wieder ihre Hilfe anbietet und die beste Freundin Katrin (Marlene Morreis) ebenfalls tatkräftig unterstützt. Das bedeutet auch, den attraktiven Till (Tim Oliver Schultz) zu verschweigen, dem Elli nahegekommen war – nicht das einzige Geheimnis in der Familie …
Über das Leben mit dem Tod
Auch wenn wir während der Corona-Pandemie die ganze Zeit von den Themen Krankheit und Tod verfolgt wurden und diese dadurch eigentlich sehr präsent waren: So richtig damit auseinandersetzen will man sich trotz allem nicht. Die Vorstellung, dass ein geliebter Mensch nicht mehr da sein soll oder auch man selbst verschwindet, die ist nur schwer zu akzeptieren. Davon erzählt auch die Sat.1 Serie Nachricht von Mama, bei der wir eine Familie begleiten, die nach dem Tod der Mutter ziemlich ins Straucheln gerät. Dabei war die Tragödie keine plötzliche. Viele Jahre ging der Kampf, was eigentlich allen die Zeit gab, sich irgendwie darauf vorzubereiten. Doch auch wenn Elli alles dafür getan hat, die Zeit nach dem eigenen Tod irgendwie zu organisieren, so richtig will das alles nicht klappen. Checklisten zu erstellen ist das eine. Das Ganze zu erleben das andere.
Das Besondere an Nachricht von Mama ist dabei die ungewöhnliche Erzählstruktur. Grundsätzlich folgt die Serie zwar schon chronologisch der Familie, wie sie nach dem Tod versucht irgendwie weiterzumachen. Doch dieser Hauptstrang wird regelmäßig durch Rückgriffe auf die Vergangenheit unterbrochen. Dies kann ganz direkt durch Flashbacks geschehen, wenn vorherige Ereignisse und Szenen ihren Weg in die Geschichte finden. Teilweise werden die Rückgriffe durch die Dialoge vollbracht: So manchen Kontext erfährt man erst nachträglich durch die Gespräche. Und dann wären da natürlich noch die zahlreichen Videos, die Elli hinterlassen hat und die wir nach und nach zu sehen bekommen. Auf die Handlung haben diese Aufnahmen zwar eher selten Einfluss. Sie dient vielmehr der Charakterisierung von Elli selbst sowie der Veranschaulichung der verschiedenen Verhältnisse.
Eine Entwicklung ohne Ziel
Das Ergebnis ist eine Serie, die nicht wirklich zielgerichtet eine Geschichte verfolgt. Es gibt auch keine geradlinige Entwicklung, wie man es bei dem Szenario hätte vermuten können. Das will sie auch gar nicht. Stattdessen handelt es sich bei Nachricht von Mama um ein Drama, das besonders von den Figuren und ihren jeweiligen Situationen berichtet. Was bedeutet es für Tobias, seine Frau zu verlieren? Wie geht Ellis Mutter mit dem Verlust um? Was macht es mit den Kindern, wenn die Mama fort ist? Der spannendste Aspekt betrifft dabei den Nachwuchs, da dieser noch mitten in der Selbstfindungsphase ist. Erwachsen zu werden und eine eigene Position festzulegen, das geschieht oft im Zwischenspiel mit den Eltern, die abwechselnd imitiert und abgelehnt werden. Hier fällt dieser Fixpunkt weg, was gerade bei der Tochter widersprüchliche Gefühle weckt, die sie selbst kaum erklären kann.
Dabei gelingt es Nachricht von Mama ganz schön, das große Chaos aufzuzeigen, ohne alles gleich wieder wegerklären zu wollen oder auch zu versöhnlich aufzutreten. Hier darf vieles kaputt sein, weil das Leben einfach komplizierter ist, als man es gern hätte. Leider sind an der Stelle aber auch die Schwachstellen der Drehbücher zu finden. Selbst wenn die Serie nur selten die Theatralik anderer Dramaserien aufgreift, da sind schon Punkte und Entwicklungen dabei, die sich zu weit weg vom Alltäglichen bewegen. Die Geschichte ist immer dann am stärksten, wenn sie so universell wird, dass sich das Publikum darin wiederfindet und sich existenziellen Fragen stellen darf. Einige Punkte wie der sich versteckende Eremit-Teeniesohn, die heimliche Affäre, brenzlige Zuspitzungen oder eine folgenreiche Schwangerschaft hätten nicht sein müssen. An den Stellen wird das Ganz zu einem zu offensichtlichen Konstrukt, welches einen ständig daran erinnert: Ja, das ist ein Fernsehprogramm.
Krankheit ohne Kitsch
Dabei hätte es diese Dramatisierungen so gar nicht gebraucht. Emotionale Momente hätte es auch im Normalbetrieb mehr als genug gegeben. Die Darstellung einer komplexen Familiendynamik, die schon vor dem Tod nicht immer einfach war, ist deutlich interessanter, als es die vermeintlichen Besonderheiten sind. Da fehlte leider der Mut, auch einfach mal direkt am Leben zu bleiben. Dennoch ist Nachricht von Mama durchaus sehenswert. Die schauspielerische Leistung passt, die Themenvielfalt ist groß. Es finden sich auch einige Denkanstöße darunter – etwa zu Identität und Endlichkeit. Von einigen wenigen Entgleisungen abgesehen wird hier auch nicht zu sehr auf Manipulation des Publikums gesetzt. Das bringt ebenso Sympathiepunkte wie der grundsätzliche Wille, sich ohne Kitsch-Overkill mit Krankheit und Tod zu befassen, ähnlich zu Club der roten Bänder vor einigen Jahren.
OT: „Nachricht von Mama“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Felix Binder, Suki Maria Roessel
Drehbuch: Suki Maria Roessel, Sabine Leipert, Claudia Leins
Kamera: Thomas Schinz, Philipp Timme
Besetzung: Golo Euler, Jessica Ginkel, Marlene Morreis, Mathilda Smidt, Luke Matt Röntgen, Claudia Rieschel, Tim Oliver Schultz, Matteo Hilterscheid
Wer mehr über die Serie erfahren möchte. Wir konnten uns mit Hauptdarstellerin Jessica Ginkel im Interview über die Arbeit an Nachricht von Mama unterhalten.
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