Seit einigen Jahren schon lebt June (Noni Hazlehurst) in einer speziellen Einrichtung. Mehrere Schlaganfälle hatten bei ihr eine Demenz ausgelöst, weshalb sie inzwischen kaum einen Gegenstand mehr erkennt und alles Mögliche durcheinander bringt. Doch eines Tages wacht sie wieder auf und es ist so, als wäre das alles nur ein böser Traum gewesen. Der Arzt und die Angestellten des Heimes sind perplex, wie klar June auf einmal wieder denken kann. Da die Besserung vermutlich nur vorübergehend ist, wollen sie die alte Dame dennoch bei sich behalten, wo sie ein Auge auf sie haben und sich um sie kümmern können. Die denkt jedoch nicht daran und türmt bei der ersten sich bietenden Gelegenheit, um wieder nach Hause zu gehen. Dort angekommen muss sie feststellen, dass sich in den vergangenen Jahren viel getan hat. Und nicht zum Besseren: Ihre Tochter Ginny (Claudia Karvan) und ihr Sohn Devon (Stephen Curry) haben alles falsch gemacht. Aber zum Glück ist Mama ja jetzt da, um alles wieder in Ordnung zu bringen …
Das Leben mit Demenz
Da das Thema Demenz eines ist, was immer mehr Menschen betrifft und in Zukunft noch weiter betreffen wird, ist es kein Wunder, dass immer wieder Filme von dieser Erkrankung erzählen. Theoretisch lässt sich dies in den unterschiedlichsten Genres tun. Das naheliegendste ist dabei natürlich das des Dramas, schließlich handelt es sich dabei um eine gleichermaßen erschreckende wie traurige Erfahrung, alles um einen herum zu vergessen, sogar die eigenen Angehörigen. Aber es gibt filmische Alternativen zum ernsten Trübsal. Remember verknüpfte beispielsweise Familiendrama mit einem Rachethriller. Relic – Dunkles Vermächtnis machte daraus sogar einen Horrorfilm über drei Frauengenerationen einer Familie, die in einem Haus unheimliche Erfahrungen machen.
JJ Winlove mag es da doch deutlich heiterer. Zwar beginnt der Regisseur und Drehbuchautor seine Geschichte ebenfalls auf ziemlich traurige Weise, die einem doch nahe geht. Wenn er in schnellen Schnitten die Verwirrung seiner Protagonistin zeigt, bei der Vergangenheit und Gegenwart nicht mehr voneinander zu trennen sind, dann erinnert das stark an The Father. Wo dieser jedoch konsequent das Hinabgleiten in den Abgrund zeigte, macht Noch einmal, June eine unerwartete Kehrtwende. Wo die Titelfigur im einen Moment nicht einmal mehr wusste, was ein Stift ist, da ist sie auf einmal so präsent, als wäre sie nie weg gewesen. Das ist eine erstaunliche Erfahrung, für die Leute im Heim, die Familie. Und natürlich sie selbst: Nachdem sie fünf Jahre „weg“ gewesen ist, hat sich so vieles verändert, dass sie fehl am Platz wirkt.
Irgendwie alles falsch hier!
Auch das wäre Anlass für ernste Momente gewesen. Stattdessen entstehen daraus aber eine Reihe komischer Szenen, wenn sich June maßlos darüber aufregt, was in ihrer Abwesenheit alles falsch gelaufen ist. Das hat ein bisschen was von den Fish-out-of-Water-Komödien, bei denen jemand in einem völlig fremden Umfeld landet, was zu zahlreichen Irritationen führt – schließlich funktionieren die Regeln nicht so, wie man es gewohnt ist. Bei Noch einmal, June bedeutet das aber, dass sie einfach alles ignoriert, was die anderen einwenden. Sie hat das Sagen, denkt sie zumindest. So groß die Freude anfangs bei den Kindern ist, da schleichen sich bald schon Ärger und Frust rein, wenn sich die anfangs so stille Frau als übergriffige Matriarchin entpuppt, die alle herumscheucht.
Eine solche Figur kann schnell nervig sein. Es gelingt Hauptdarstellerin Noni Hazlehurst (Und täglich grüßt die Liebe) jedoch sehr schön, das Halsstarrige mit dem Warmherzigen zu verbinden. June kann einen in den Wahnsinn treiben. Böse ist man ihr deshalb aber nicht. Zumal im Laufe des Films die zeitweilig vergessene Tragik wieder zurückkommt. Die Begegnung mit den Kindern heißt für sie nicht nur, von Geschichten erfahren zu müssen, die zuvor diesen geschehen sind. Es heißt auch, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Und die war auch nicht immer schön. Der australische Film ist daher eine bittersüße Angelegenheit, bei der schön und hässlich eng beieinander liegen, Freude und Trauer, Nähe und Distanz, Absurdität und Alltag. Noch einmal, June hat eine klar versöhnliche Note, wenn es darum geht, eine entfremdete Familie wieder zusammenzubringen. Das bedeutet aber nicht, dass das alles ganz wunderbar ist. Vielmehr hat Winlove einen Film gedreht, an dessen Ende man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll.
OT: „June Again“
Land: Australien
Jahr: 2020
Regie: JJ Winlove
Drehbuch: JJ Winlove
Musik: Christopher Gordon
Kamera: Hugh Miller
Besetzung: Noni Hazlehurst, Claudia Karvan, Stephen Curry
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